Ian Rankin | Black And Blue (Band 8)

Ian Rankin | Black And Blue (Band 8)

Die schottische Kriminalliteratur ist vielfältig und vielstimmig – und doch ragt aktuell ein Autor bzw. ein Ermittler noch ein wenig heraus: Ian Rankins John Rebus. Als meine Schwiegereltern vor einigen Jahren zu einer Schottland-Rundreise aufbrachen und fragten, was sie uns als Souvernirs mitbringen könnten, meinte ich relativ schnell: „Black and Blue“ von Ian Rankin. Nun lag es danach noch einige Zeit bei mir herum und als ich es für dieses Schottland-Spezial nun in die Hand nahm, musste ich doch feststellen, dass mir das Lesen im englischen Original nicht mehr so leicht fällt. Besonders die feine Ironie und weitere Andeutungen im Text zu erfassen, ist mir früher besser gelungen. Nichtsdestotrotz ist mir relativ schnell aufgefallen, hier ein exquisites Stück Kriminalliteratur in der Hand zu halten.

Kurz zurück zum Autor und zur Figur. Inzwischen zu 23 Bänden (und einigen Kurzgeschichten) angewachsen ist die Reihe längst fester Bestandteil des literarischen Kanons in der Kriminalliteratur, aber auch in der schottischen/britischen Popkultur allgemein. Autor Ian Rankin schuf den allerersten Rebus-Roman „Knots and Crosses“ bereits 1987, es dauerte aber noch einige weitere Bücher bis zum endgültigen Durchbruch. Dabei war die Figur John Rebus und die Schilderung eines düsteren, von Korruption und organisiertem Verbrechen durchsetzten Edinburgh von Beginn an sehr vielversprechend. Rankin schreibt die Romane mit Rebus als Erzähler in der 3.Person, ab und an durchsetzt mit einer weiteren Perspektive. Die Bücher sind klassische „Police procedurals“ mit klarem Fokus auf der Arbeit des Ermittlers. Die Romane haben zudem einen kontinuierlichen Verlauf, haben Verbindungen untereinander (meist frühere Fälle), die Figuren entwickeln sich weiter. John Rebus ist Detective Inspector in Edinburgh, wo er zumeist in Mordfällen ermittelt. Rebus ist geschieden und hat eine Tochter. Als Polizist ist er verbissen und kompromisslos, er dehnt die Regeln und legt sich auch mit Kollegen ode Vorgesetzten an. Dies bringt ihn mehr als einmal in gehörige Schwierigkeiten. Des Weiteren spielt sowohl Musik (Rebus hört gerne Jazz und klassischen Rock), aber auch der Alkohol eine Rolle in Rebus Leben. Seine Fälle nimmt er nur allzu oft mit nach Hause und er ertränkt seine schlechten Gedanken in Alkohol. Sein Lieblingspub ist die real existierende „The Oxford Bar“ in New Town, Edinburgh.

Foto von Stefan Heidsiek / Crimealleyblog

Der achte Band „Black and Blue“ (in der deutschen Übersetzung: „Das Souvenir des Mörders“) gilt vielen als das Highlight der Reihe. Der Titel bezieht sich auf ein Album der Rolling Stones, das Rebus zu Beginn des Romans hört. „Black and Blue“ gewann 1997 den wichtigsten britischen Krimipreis, den „Gold Dagger“, und war auch auf der Short List des amerikanischen „Edgar“. Dies war letztlich der letzte Schritt von Rankin in die Riege der auflagenstärksten Krimiautoren.

Rebus hadn`t worked the case, but knew men who had; they carried with them the frustration of a job left undone, and would carry it to the grave. The way a lot of them saw it, when you worked a murder investigation, your client was the deceased, mute and cold, but still screaming out for justice. (Auszug S.51).

Der Roman beginnt mit einem Verhör. Rebus verhört einen Mann, der sich als der gesuchte Serienmörder Johnny Bible ausgibt. Allerdings ist der Mann ein Wichtigtuer und kein Mörder, was Rebus schnell entlarvt. Johnny Bible hat bereits drei junge Frauen in Aberdeen, Edinburgh und Glasgow ermordet. Eine der Frauen, eine Prostituierte aus Edinburgh, kannte Rebus sogar. Er hat also ein persönliches Interesse am Fall, allerdings spielt er nur am Rande mit, darf sich mit Falschaussagen herumschlagen. Was ihn am Fall zusätzlich fasziniert: Johnny Bible scheint eine enge Verbindung zu einem Serienmörder namens Bible John Ende 1960er/Anfang 1970er Jahre zu haben. Bible John hatte damals auch drei Frauen ermordet, tauchte dann unter und wurde nie gefasst. Was Rebus noch nicht weiß, der Leser allerdings schon: Die Verbindung zum neuen Serienmörder missfällt Bible John sehr, der befürchtet, dadurch erneut in den Fokus zu geraten. Daher beschließt er, selbst Maßnahmen zu ergreifen.

Eine echte Ermittlung für Rebus kommt aber kurz darauf: Ein Ölarbeiter namens Allan Mitchison ist von Unbekannten entführt und zur weiteren „Behandlung“ in ein heruntergekommenes mehrstöckiges Haus gebracht worden. Dort sprang der gefesselte Mitchison vor Panik aus dem Fenster und starb dabei. Die weiteren Spuren führen Rebus nach Aberdeen und auf die Ölfördertürme bei den Shetlands und überraschend gibt es auch eine Spur zu einer Glasgower Gangstergröße.

Dieser Gangster lebt von der lokalen Polizei aktuell relativ unbehelligt, was Rebus sofort dazu verleitet, einigen Glasgower Polizisten die Annahme von Schmiergeld zu unterstellen. Dumm nur, dass ausgerechnet einer dieser Polizisten, Chief Inspector Ancram, eine interne Ermittlung gegen Rebus leitet. Rebus hatte mit seinem früheren Chef Geddes einen Verdächtigen wegen Mordes verhaftet. Die Verhaftung und der Fund von Beweisen erfolgte unter merkwürdigen Umständen. Auch Rebus verdächtigte seinen Vorgesetzten, die Beweise untergeschoben zu haben, bestätigte aber dessen Version im offiziellen Verfahren. Nun ist der Verurteilte als Autor im Gefängnis zu Ruhm gekommen, hat Selbstmord begangen und mit seiner Hinterlassenschaft der Presse neues Material zugespielt, um die Polizei unter Druck zu setzen.

Jack forced a smile, lifted his glass, ‚John, tell me though, why do you drink?‘
‚It kills my dreams.‘
‚It`ll kill you in the end, too.‘
‚Something´s got to.‘
‚Know what someone said to me? They said you were the world´s longest surviving suicide victim.‘ (Auszug S.310)

Mehrere Stränge mit zwei Serienmördern, einer unangenehmen internen Ermittlung, dazu die Ölförderung als lukrativer Drogenumschlagplatz. Die Ermittlungen führen Rebus weit durchs Land: Edinburgh, Glasgow, Aberdeen, Shetlands. Einiges hatte sich Autor Ian Rankin für diesen achten Rebus-Roman vorgenommen und letztlich muss ich konstatieren, dass er diesen komplexen Plot beeindruckend beherrscht. Es geht um Drogen, Korruption, aber vor allem auch um Integrität und Loyalität. Rebus schont sich wie gewohnt nicht, geht hohe Risiken ein, setzt neben seinem Job auch sein Leben aufs Spiel, um diese Fälle zum Abschluss zu bringen. Rankin bringt Rebus wie gewohnt als unangepassten Einzelgänger in Szene, als einen Mann, der eines wegstecken muss, aber dennoch von seinem Gewissen und seiner Verbissenheit angetrieben wird. Aber Rebus ist nicht ganz der einsame Wolf, Rankin gibt ihm mehrere Figuren an seine Seite, deren Loyalität sich Rebus sicher sein kann

Foto von Stefan Heidsiek / Crimealleyblog

„Black and Blue“ ist inzwischen schon ein Klassiker des Genres. Rankin gelingt es hier beeindruckend, seine starke Ermittlerfigur in ein komplexes, aber dabei durchaus nicht realitätsfernes Setting zu integrieren. Korruption und ökonomische (Fehl-)Entwicklungen, hier bezieht sich Rankin direkt auf die damalige schottische Wirklichkeit. Hierzu kommt, dass er sich mit dem Fall des „Bible John“ auf einen wahren Kriminalfall bezieht, einen der bekanntesten, noch heute ungelösten schottischen Kriminalfälle. Das alles ergibt einen packenden, harten, spannenden und auch heute noch ungemein lesenswerten Kriminalroman.

 

Buchfoto und Rezension von Gunnar Wolters.

Black And Blue | Erstmals erschienen 1997 bei Orion Books
Gelesene Taschenbuchausgabe: ISBN 978-0-7528-8360-1
512 Seiten | £8,99
Aktuelle deutschsprachige Ausgabe im Goldmann Verlag (Übersetzung aus dem Englischen von Giovanni Bandini)
ISBN 978-3-442-48660-1
624 Seiten | 10,- €
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Stefan Heidsieks Rezension des Romans auf Crimealleyblog

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