Thomas Enger | Verleumdet

Thomas Enger | Verleumdet

„Im nächsten Augenblick steht der Vater auf. Hart und abrupt, sodass die Stuhlbeine über den Boden schrillen. Seine Serviette landet zusammengeknüllt auf dem Teller.
Etwas legt sich über seine Augen. Und als er eine kräftige Hand auf seiner eigenen spürt, sieht er nicht mehr klar. Er tut es einfach.
Tut es.
Tut es.“
(Auszug Seite 227)

In einem Pflegeheim in Oslo ist eine Bewohnerin erwürgt worden. Danach wurden ihr Stricknadeln in die Augen gestoßen. Der Journalist Henning Juul berichtet darüber. Der leitende Ermittler ist Kriminalkommissar Bjarne Brogeland. Es werden viele Personen befragt, aber lange gibt es keine Hinweise, wer der Täter ist. Dann gibt es eine zweite Leiche und ein Zusammenhang wird klar: Die Pflegeheimbewohnerin war Lehrerin und die zweite Tote ihre Schülerin. Aber wer hat so einen Hass auf die beiden gehabt, dass sie sterben mussten?

Geht es um Rache? Henning Juul kann sich nicht vollständig auf die Berichterstattung konzentrieren, da zeitgleich seine Schwester, Trine Juul-Osmundsen, die Justizministerin, erpresst wird. Sie soll sexuelle Nötigung verübt haben und die Forderung ist, dass sie zurücktritt. Außerdem hatte Henning Juul bei einem Wohnungsbrand seinen neunjährigen Sohn verloren. Unbedingt will er herausfinden, wer dafür verantwortlich ist, sodass er auch damit sehr beschäftigt ist.

Bjarne Brogeland ist 40 Jahre alt, verheiratet und Vater einer Tochter. Sein Familienleben wird aufgrund seiner Arbeit ziemlich kurz gehalten, was sich nicht gut auf seine Ehe auswirkt. Außerdem, oder deshalb, hegt er Interesse an seiner Kollegin.

Verleumdet von Thomas Enger hat mir sehr gut gefallen. Der Autor arbeitet mit vielen Handlungssträngen in der Geschichte, die aber gut zu überblicken sind. Der Krimi erhält seine Spannung, da es viele kleine Kapitel gibt, die scheinbar erstmal nichts mit allem zu tun haben, sich dann aber in die Handlung einfügen. Gerade zum Ende erfährt der Leser dann, dass es für einen Protagonisten eine Auflösung gibt, die aber so umschrieben wird, dass der Leser im Unklaren bleibt.

Außerdem gibt es viele Cliffhanger, die diesen typischen Krimi zu einem wahren Pageturner machen. Der Mord wird aufgeklärt und auch Trine kann ihren Erpresser ausfindig machen, nur der Wohnungsbrand bleibt unaufgeklärt. Somit finde ich das Ende etwas unbefriedigend. Ich gehe davon aus, dass die Suche nach dem Täter in einem Folgeroman weitergeführt wird. Etwas ungewöhnlich fand ich außerdem, dass die Kommissare oft bei den Zeugen angerufen haben und die Vernehmung somit telefonisch erfolgt. Normalerweise fahren die Ermittler zu den Personen nach Hause, um deren Reaktionen zu sehen, die dann meistens sehr bei der Tätersuche hilft.

Thomas Enger wurde 1973 in Oslo geboren und studierte zunächst Sport. Es folgten Studien in Journalismus und Geschichte. Acht Jahre lang arbeitete der Autor dann bei einer norwegischen Netzeitung. Sein Debütroman, der Start der fünfteiligen Serie um Henning Juul, erschien 2010. Der letzte Teil wurde 2015 veröffentlicht. Außerdem hat der Autor einen Thriller für Kinder und Jugendliche geschrieben.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

 

Verleumdet | Erschienen am 16. März 2015 bei Blanvalet
ISBN 978-3-44238-416-7
384 Seiten | 8,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

2 Replies to “Thomas Enger | Verleumdet”

  1. War das das erste Buch der Henning-Juul-Reihe, die du gelesen hast? Der Wohnungsbrand, bei dem Hennings Sohn gestorben ist, zieht sich praktisch wie ein roter Faden durch die Bücher und ich vermute (ich bin auch auf dem Stand von Band 3), dass sich der Fall auch erst im abschließenden fünften Buch klären wird.

    Bei mir ist vor wenigen Tagen der vierte Teil eingezogen und ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht – gerade auch weil ich wissen will, was es mit dem Brand auf sich hat 😀

    1. Ja, das war mein erstes Buch der Reihe, das ich gelesen habe. Vielleicht lese ich dann noch den fünften Teil, um zu erfahren, wie es zu dem Brand gekommen ist. Interessiert mich nämlich auch. 😉 Macht natürlich aus Autorensicht Sinn, so eine spannende Tat über mehrere Bücher zu ziehen, aber blöd ist es in dem Moment für den Leser trotzdem, weil man es unbedingt sofort wissen will. 😉

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