Eric Ambler | Doktor Frigo

Eric Ambler | Doktor Frigo

„Wenn du in einem Ölkonsortiums wärst, Ernesto, und vorhättest, Milliarden von Dollar in eine Kaffeerepublik zu investieren, würdest du die Regierung dann nicht genau unter die Lupe nehmen, bevor du dich entscheidest?“
„Vermutlich.“
„Und wenn du siehst, dass ein paar Grundbesitzer das Land mit Hilfe kleiner Gangster beherrschen, die sich als Miliz kostümieren, und dass die Inflationsrate bei achtzig Prozent liegt – was würdest du dann machen?“
„Die CIA bitten, eine neue Regierung einzusetzen, schätze ich.“ (Auszug Seite 75)

Die CIA spielt dann zwar nur eine Nebenrolle in dieser Geschichte, aber es finden sich andere Dienste, die nur allzu gerne übernehmen. Aber der Reihe nach: Ernesto Castillo ist Arzt auf einer französischen Antilleninsel. Seine Heimat ist ein fiktiver mittelamerikanischer Staat, der von einer Militärjunta regiert wird. Sein Vater war dort Oppositionsführer mit großen Aussichten auf den Präsidentenposten, bevor er vor zwölf Jahren bei einem Attentat ums Leben kam. Seitdem war Ernesto nicht mehr in der Heimat, hat Medizin studiert und hegt keinerlei politische Ambitionen. Doch nun soll er plötzlich als Leibarzt und Spitzel fungieren, denn ein ehemaliger Weggefährte seines Vaters ist auf die Insel gekommen, offenbar protegiert vom französischen Geheimdienst, und es werden Pläne geschmiedet, in der Heimat wieder die Macht zu übernehmen.

Der Roman wurde erstmals 1974 veröffentlicht. Für einen Politthriller ist er durchaus ungewöhnlich geschrieben, denn auf den ersten drei Vierteln des Romans überschlagen sich die Ereignisse nicht gerade. Allerdings versteht es Ambler virtuos, die Ränkespiele in zahlreichen Dialogen kurzweilig darzustellen. Protagonist und Ich-Erzähler ist, typisch Ambler, ein Mann, der sich eigentlich in die Politik nie hereinziehen lassen wollte. Ernesto ist ein intelligenter und etwas unnahbarer Mann (daher sein Spitzname „Doktor Frigo“). Doch er wird widerwillig von den Franzosen gedrängt, seine Rolle in dieser Geschichte einzunehmen und im weiteren Verlauf wird eine Mischung aus Druck von außen und eigener Eitelkeit ihn immer tiefer in die Geschehnisse katapultieren. Denn so einfach wie zunächst angenommen wird die Machtübernahme nicht werden, denn die Putschisten sind alles andere als eine homogene Truppe. Zudem wird das Attentat auf Ernestos Vater noch eine Rolle spielen und es ergibt sich ein medizinisches Problem beim designierten Präsidenten.

Starke und geschliffene Dialoge, raffinierte Figuren (beispielsweise Ernestos Freundin Elisabeth, abstammend aus einer Nebenlinie des Hauses Habsburg, die permanent Parallelen zur habsburgischen Familiengeschichte zieht) und ein ausgeklügelter Plot. Einfach grandios wie Eric Ambler die Spannung hoch hält, obwohl es eigentlich erst im letzten Viertel des Buches richtig hoch hergeht. Doktor Frigo ist eine feine Lektion in Sachen Machtpolitik des 20.Jahrhunderts.

 

Kurzrezension und Foto von Gunnar Wolters.

 

Doktor Frigo | Erstmals erschienen 1974, die gelesene Ausgabe wurde am 20. Januar 2017 im Atlantik Verlag veröffentlicht
ISBN 978-3-45565-110-2
415 Seiten | 12,- Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Gunnars Rezensionen zu Eric Amblers Romanen Ungewöhnliche Gefahr, Bitte keine Rosen mehr sowie Die Maske des Dimitrios. Zudem hat Gunnar im Rahmen eines Spezials Ein langes Wochenende mit … Eric Ambler ein Porträt des Autors verfasst.

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