Charlotte Link | Der Beobachter ►

Charlotte Link | Der Beobachter ►

„Nein, nein, natürlich nicht. Sie sind nur… sie sind so perfekt, weißt du. Eine Traumfamilie. Die Familie, die ich einmal haben möchte!“
Bartek wirkte nun ernsthaft beunruhigt. „Samson, ich habe den Eindruck, dass du dich zu sehr von der Realität entfernst. Du träumst dich in das Leben anderer Menschen hinein, aber so änderst du dein eigenes kein bisschen. Mir kommt das alles wie eine Flucht vor.“
Und wenn, dachte Samson, braucht man das nicht manchmal? Die Möglichkeit zu fliehen? (Auszug Seite 70)

Gillan Ward hat scheinbar das perfekte Leben. Sie wohnt in einem hübschen Haus mit ihrer Tochter Becky und ihrem Ehemann Tom. Außerdem führt sie gemeinsam mit ihrem Mann eine Firma. Aber der Schein trügt, denn die Ehe der Wards läuft schon lange nicht mehr rund und so lernt Gillian den Handballtrainer ihrer Tochter kennen. Das alles weiß auch Samson Segal. Samson ist arbeitslos und wohnt mit seinem Bruder und deren Frau in dem gemeinsam geerbten Haus in der selben Straße wie Familie Ward. Da Samson ein eher trostloses Leben führt, beobachtet er gern andere Bewohner aus seiner Straße. Dann ist plötzlich Scotland Yard hinter ihm her: Zwei Frauen wurden brutal mit einem karierten Geschirrtuch erstickt. Beobachtet und beschattet Samson erst Frauen und ermordet sie dann? Ist Gillian auch in Gefahr?

Der Beobachter von Charlotte Link hat mir gut gefallen. Ich habe kürzlich Die Entscheidung von der Autorin gelesen und fand den Roman so fesselnd, dass ich unbedingt noch weitere Bücher lesen wollte. So kam ich auf diese Geschichte. Der Anfang ist nicht langweilig oder uninteressant, aber auch nicht so spannend, wie ich gehofft hatte. Am Ende gibt es eine unerwartete Auflösung und die ersehnte Spannung.

In der Geschichte gibt es mehrere Protagonisten und es wird aus so gut wie jeder Perspektive erzählt. Besonders sympathisch finde ich Gillian, obwohl ihr Leben und ihre Affäre etwas klischeehaft ist. Sie handelt in allem nachvollziehbar und immer mit Rücksicht auf ihre Tochter. Die über sechshundert Seiten des Buches füllen sich, weil die Polizei erst ziemlich im Dunkeln tappt und einfach keine Verbindung der Opfer herstellen kann und auch die Suche nach einem Motiv fällt schwer. Durch die unterschiedlichen Perspektiven bleiben die Ermittlungen trotzdem kurzweilig. Erst als der Handballtrainer John Burton sich der Sache ebenfalls annimmt und auf eigene Faust ermittelt, weil er Gillian in Gefahr glaubt, kommt die Sache ins Rollen. Zum Schluss wird die Handlung dann wirklich nervenaufreibend. Der Leser erhält mehr Informationen als die Protagonisten und ich habe mehrmals „tu’s nicht“ gedacht, was natürlich nichts geholfen hat. Das Ende ist dann ziemlich dramatisch, aber glaubwürdig.

Der gleichnamige Film zum Buch hat mir dagegen mittelmäßig gefallen. Die Besetzung finde ich sehr gelungen, so in etwa habe ich mir die handelnden Personen auch vorgestellt. Die Geschichte an sich wirkt allerdings sehr gerafft und gekürzt. Wobei auch erwähnt werden muss, dass es sicherlich eine Kunst ist, 600 Seiten in eineinhalb Stunden Film zu verarbeiten. Gerade die Ermittlungsarbeit der Polizei bekommt sehr wenig Raum. Auch viele wichtige Details fehlen oder wurden stark verändert. Am Ende fehlt sogar eine ganze Szene, wie die eine Person von A nach B kommt. Eben war sie noch hier und in der nächsten Szene ist sie dort. Insgesamt finde ich die Umsetzung nicht sehr gelungen. Fairerweise möchte ich erwähnen, dass das oft so ist, wenn man erst das Buch gelesen hat und dann den Film sieht.

Charlotte Link wurde 1963 in Frankfurt am Main geboren und lebt auch dort in der Nähe. Inzwischen hat sie 27 Bücher geschrieben, wovon 17 verfilmt wurden. Die Autorin hat unter anderem auch eine Jugendbuchreihe veröffentlicht. Die Gesamtauflage ihrer Romane liegt bei über 26 Millionen. Charlotte Link engagiert sich als aktive Tierschützerin bei PETA und für Straßenhunde in der Türkei und Spanien.

Ich gebe dem Spannungsroman 3.5 von 5 Punkten und dem Film 2 von 5 Punkten.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

 

Der Beobachter | Erschienen am 1. Januar 2012 bei Blanvalet
ISBN 978-3-44236-726-9
652 Seiten | 9,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe 

Die DVD erschien am 10. Februar 2017
Laufzeit: 90
DVD gesamt: 180 Minuten für 2 Filme
FSK 12
circa 13.- Euro
Trailer zum Film

Diese Rezension erscheint im Rahmen der Blogkooperative Verfilmt-Spezial.

2 Replies to “Charlotte Link | Der Beobachter ►”

  1. Ich kann mir gut vorstellen, dass Charlotte Links Story als Film nicht allen wunderbaren Details gerecht wird, die ich in ihrem Roman so sehr schätze.

    Vielen Dank für die schöne Erläuterung.

    Liebe Grüße

    Nisnis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert