Garry Disher | Bitter Wash Road

Garry Disher | Bitter Wash Road

Sie kaute auf der Unterlippe herum und gestand dann, dass sie vorgeschlagen habe, gegen ihn keine weitere Ermittlungen zu führen. „Meine Kollegen sind nicht meiner Meinung. Sie sind also nicht notwendigerweise weise vom Haken.“
Nein, ganz sicher nicht. Nun hing ihm ein ganz bestimmter Geruch an. Er wurde degradiert und in den Busch verbannt. Und soweit er wusste, fand niemand außer Rosie und seinen Eltern, dass er ein ehrlicher Polizist sei. Und als Quine und die anderen unter Anklage gestellt und bestraft wurden – die einen gefeuert, die anderen verurteilt; ein Senior Constable beging Selbstmord -, fragten sich die Leute, warum Paul Hirschhausen so billig davongekommen war. Die Antwort war klar: Er war ein Wendehals, ein Köter, ein Verräter. (Auszug Seiten 72-73)

Constable Paul Hirschhausen, genannt Hirsch, tritt degradiert und angefeindet seinen neuen Dienst in Tiverton an, einer Kleinstadt im Outback von South Australia. Die dortige Dienststelle ist eigentlich ein äußerst ruhiges Pflaster, dennoch wird kurz darauf ein Mädchen aus dem Ort tot in einem Straßengraben aufgefunden. Unfall mit Fahrerflucht. Doch diese Erklärung stellt Hirsch nicht zufrieden, so dass er weitergräbt und die verborgenen Abgründe der Kleinstadt aufdeckt.

Autor Garry Disher ist in Deutschland vor allem für seine Reihe über den Berufskriminellen Wyatt (erscheint bei Pulpmaster) bekannt. Ebenfalls zahlreiche Bände umfasst die Reihe um Inspector Challis (im Unionsverlag erschienen). Doch Disher ist ungemein vielseitig und schreibt auch Kinder- und Jugendromane sowie Nichtfiktionales über die australische Geschichte. Disher stammt aus dem Norden des Bundesstaates South Australia, also genau der Gegend, in die es seinen Protagonisten Paul Hirschhausen in Bitter Wash Road verschlägt.

Hier draußen, drei Stunden nördlich von Adelaide, gab es nichts außer Weizen und Wolle. Hirschs neuer Posten war ein Ein-Mann-Revier in einem Kaff am Barrier Highway. Tiverton. Einmal geblinzelt, schon war man durch. (Seite 8)

Hirsch kommt in diese Einöde quasi als Geächteter. Sein vorheriges Revier war ein einziger Ort der Korruption. Hirsch hat sich daran nicht beteiligt, hat niemanden verraten, er hat lediglich, nachdem die Internen alles auseinander genommen haben, gegen die beteiligten Kollegen ausgesagt, die ihn reinzureiten versucht hatten. Dennoch ist er ein Nestbeschmutzer, Paria für den Großteil seiner Kollegen. Dies bekommt Hirsch direkt zu spüren, die Kollegen in der übergeordneten Dienststelle des nächstgrößeren Ortes Redruth, beleidigen und mobben ihn, wobei er allerdings nicht der einzige in der Gegend zu sein scheint. Vorwürfe von Sexismus, Rassismus und böswilliger Schikane machen gegen Constables der Dienststelle die Runde. Auch der Sergeant ist alles andere als begeistert, dass Hirsch außerdem die wichtigsten Persönlichkeiten, mit denen er per du ist, bei seinen Nachforschungen belästigt. Dann deponiert auch noch jemand heimlich Geld und ein Smartphone in seinem Wagen, Sachen, die offenbar bei einer Kontrollen der internen Ermittlungen gefunden werden sollen. Schließlich meldet sich auch wieder die Interne bei Hirsch, nicht nur wegen der alten Sache, sondern man benötigt seine Hilfe: Bei Sexpartys mit Minderjährigen waren vermutlich auch Polizeibeamte beteiligt.

Irgendwie kam mir der Plot ziemlich skandinavisch vor (Einöde, Korruption, gesellschaftliche Abgründe), aber er funktioniert auch hervorragend im australischen Outback. Dishers personaler Erzähler begleitet permanent seine Hauptfigur. Hirsch ist ein Polizist in den Dreißigern, einsam, isoliert. Dennoch ist er weiterhin untadelig und rechtschaffen, trotz aller Behinderungen und Anfeindungen versucht er, seine Ermittlungen zu beenden. Zudem entwickelt er nach und nach eine gewisse Beziehung zu den Einwohnern dieses Landstrichs.

Die Stunden zogen sich hin. Das Funkgerät knisterte von Wagen zu Wagen, von Wagen zu Revier, von Revier zu Wagen. Hirsch sah ab und zu die andere Streife vor einem Pub stehen oder eine Straße entlangstreichen. Dazwischen döste er. Er war seit Sonnenaufgang wach, und der Magen war ihm schwer von all dem Frittierten, das er sich unterwegs geschnappt hatte. Er machte es sich bequem. Er hatte genug von alldem, von der Nachtluft, die alles bedeckte, vom Tau, von dem trügerischen Halblicht. Irgendetwas machte ihn nervös – nicht hier im Streifenwagen, sondern draußen in den Schatten außerhalb der Reichweite. Er schien auf Gewalt zu warten. (Seite 156)

Obwohl der Plot jetzt nicht übermäßig innovativ ist, stimmen absolut alle Zutaten: Das Setting im rauen australischen Hinterland, die authentische Hauptfigur, die interessanten Nebenfiguren, starke Dialoge, die gesellschaftlichen Hintergründe. Hinzu kommt der allgemein exzellente Stil Dishers (Übersetzung mit eingeschlossen). All das macht Bitter Wash Road zu einem hervorragenden Kriminalroman.

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

 

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Bitter Wash Road | Erschienen am 15. Februar 2016 im Unionsverlag
ISBN 978-3-293-00500-6
352 Seiten | 21,95 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

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