Alan Parks | Die April-Toten (Band 4)

Alan Parks | Die April-Toten (Band 4)

Im Jahr 2017 startete der ehemalige Creative Director eines Musiklabels, Alan Parks, sein ambitioniertes Projekt einer Krimireihe mit Schauplatz Glasgow in den 1970ern. 12 Bände sind geplant, für jeden Monat einer. Schon Band 1 „Bloody January“ wurde von Kritik und Lesern sehr gelobt (auch von uns). Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung des Originals began Heyne Hardcore mit der Veröffentlichung der deutschen Übersetzung und kam bis zu Band 3 „Bobby March Forever“. Danach war der immer für außergewöhnliche Genreliteratur bekannte Verlag innerhalb des Großkonzerns Penguin Randomhouse Geschichte. Und die Reihe in deutscher Übersetzung erstmal vakant, im Original veröffentlicht Parks fleißig weitere Bände. Doch zum Glück nahm sich jetzt der Polar Verlag dieser Reihe an, die hervorragende Übersetzerin Conny Lösch ist weiterhin dabei und so heißt es: Vorhang auf für Harry McCoys Glasgow, Band 4.

„Ich bin an dieses Bett gefesselt, durchs Fenster sehe ich Glasgow, eine Stadt, die ich nie wirklich gemocht habe. Hier gibt es pro Kopf mehr Säufer als sonst irgendwo. Überall die Kathedralen der Papisten. Die Stadt suhlt sich in ihrem eigenen Dreck, die Menschen rutschen auf Knien, halten die Hand auf, haben ihr kulturelles Erbe billig an die Engländer verscherbelt.“ (Auszug S.373)

Willkommen in Glasgow 1974. Im Gegensatz zu den hippen Metropole heute damals eine Stadt im Niedergang, voller Arbeitslosigkeit, Armut, Alkohol und Kriminalität. Detective Harry McCoy wird zu einem ungewöhnlichen Tatort gerufen. In einem schäbigen Haus mit Sozialwohnungen ist eine Bombe losgegangen, offenbar während der Herstellung, und hat den Bomberleger selbst getötet. Bei Bomben wird man auch in Schottland hellhörig, spitzt sich doch der Konflikt im benachbarten Nordirland gerade richtig zu. Doch eine Verbindung zu den Troubles lässt sich nicht herstellen, auch nicht, als in der Glasgow Cathedrale eine weitere Bombe hochgeht, ohne jemanden zu verletzen. Doch irgendjemand zündet in Glasgow Bomben und McCoy sucht verzweifelt einen Ansatzpunkt. Ein zweiter Fall ergibt sich aus einer privaten Begegnung in einem Pub: Der Amerikaner Andrew Stewart, ehemaliger Navy-Officer, spricht McCoy an und bittet ihn um Hilfe bei der Suche nach seinem Sohn Donny. Dieser ist in der amerikanischen U-Boot-Basis stationiert und seit Tagen spurlos verschwunden. Zunächst widerwillig willigt McCoy ein, Donny zu suchen. Doch je mehr er über dessen Verschwinden erfährt, desto mehr mehren sich Hinweise auf ein Verbrechen und einen Zusammenhang zu Bombenserie.

Währenddessen hat McCoy aber noch andere Sorgen. Sein Jugendfreund aus gemeinsamen harten Tagen in einem Kinderheim, Stevie Cooper, ist – wie aus den Vorgängerbänden wohlbekannt – ein einflussreicher und gnadenloser Gangsterboss in Glasgow. Er hat eine Fehde im Gangstermilieu angezettelt und wird kurz nach Entlassung aus einer kurzen Haftstrafe öffentlich mit einem Messer attackiert. Am frühen Morgen wird der Angreifer dann ermordet aufgefunden und natürlich ist Cooper Hauptverdächtiger. Doch er hat – dank McCoy – ein Alibi.

Sie sah ihn durch den Türspalt an. Nahm einen tiefen Zug von ihrer Capstan und blies ihm den Rauch ins Gesicht. „Du hältst dich wohl für ´ne große Nummer, McCoy. Du denkst, du bist ein großer Bulle, aber du bist genauso einer wie wir alle, wir leben alle auf dem Rücken von Stevie Cooper und tanzen nach seiner Pfeife. Der einzige Unterschied ist, dass du´s nicht zugeben willst.“ (Auszug S.124)

Diese Verbindung zwischen dem Bullen und dem Gangsterboss macht auch den großen Reiz dieser Reihe aus. Harry McCoy ist ein rechtschaffender Polizist mit intaktem Moralverständnis. Natürlich ist er mit den Dienstvorschriften manchmal aufs Kriegsfuss und schlägt über die Stränge, doch die nicht geringe Anzahl an käuflichen Kollegen sind ihm ein Graus. Seine Verbindung zu Cooper ist allerdings seine große Archillesferse, sein Chef weiß, was er an McCoy hat und sieht über die Verbindung hinweg. Doch diese ist und bleibt grenzwertig, denn Cooper reizt die Verbindung gerne aus und stellt McCoy auf die Probe. Er ist ein knallharter und brutaler Gangster. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Es knallt zwischen beiden, doch die Bande zwischen beiden ist tief.

Der Plot verwebt geschickt verschiedene Handlungsstränge und Thematiken. Es geht um schottischen Nationalismus, Hippies, Militaristen, fahrendes Volk, Bandenkriminalität, den Nordirlandkonflikt und die Präsenz amerikanischer Atom-U-Boote in Schottland sowie ein besonders dunkles Thema, das sich erst zuletzt offenbart. Dabei bleibt der Erzähler die ganze Zeit bei der Perspektive der Hauptfigur McCoy, vermag es aber auch den weiteren Figuren und vor allem auch Glasgow und Umgebung Leben einzuhauchen. Musikalisch ist im April 1974 vor allem Abbas „Waterloo“ allgegenwärtig, sehr zum Verdruss McCoys.

Alan Parks macht mit seiner Reihe eigentlich nahtlos weiter, wo er aufgehört hat. Ein hartgesottener Bulle in den düsteren Straßen Glasgows, staubtrockene Dialoge, ein straffer, temporeicher Stil, immer wieder auch mit schwarzem Humor garniert – alles Zutaten für eine kurzweilige Lektüre. Insgesamt eine wirklich gelungene Fortsetzung. Gratulation und Dank an den Polar Verlag für die Übernahme der Reihe.

 

Foto und Rezension von Gunnar Wolters.

Die April-Toten | Erschienen am 16.09.2024 im Polar Verlag
ISBN 978-3-910918-06-1
444 Seiten | 26,- €
Originaltitel: The April Dead | Übersetzung aus dem schottischen Englisch von Conny Lösch
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Gunnars Rezension zu Band 1 „Blutiger Januar“

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