Ross Thomas | Porkchoppers
Kensington nickte. „Naja, das ist gut, ich meine, es ist gut, daß sie es wissen. Aber es gibt eine Sache an Ihnen, die mir gefällt, Al.“
Etheridge bewegte sich mittlerweile Richtung Tür. „Was?“
„Sie haben mir keinen Vortrag darüber gehalten, daß das Weiße Haus sich nicht in so etwas Mieses verwickeln lassen könnte, wie ich es Ihnen gerade erzählt habe.“
„Nein.“
„Wissen Sie, warum mir das gefällt?“
„Warum?“, sagte Etheridge, die Hand am Türknauf.
„Weil ich gerade ein verdammt gutes Frühstück zu mir genommen habe, und ich wollte nicht alles auf den Boden kotzen.“ (Auszug Seite 127)
Bei einer der größten amerikanischen Gewerkschaften stehen die Zeichen auf Wahlkampf. Der amtierende Präsident Donald Cubbin hat erstmals einen ernstzunehmenden Herausforderer, den Schatzmeister Sammy Hanks. Beide sammeln ihre Truppen und Ränkespieler hinter sich und rüsten sich für einen harten, erbarmungslosen Wahlkampf. Und irgendjemand hat einen Killer auf Cubbin angesetzt.
Bei der Fülle an Büchern, die ich so lese, kann ich gar nicht zu allen eine Rezension schreiben. So hatte ich eigentlich auch zu Porkchoppers keine geplant. Im Nachhinein war ich aber so angetan, dass ich es schade gefunden hätte, wenn ich gar nichts dazu geschrieben hätte. Porkchoppers erschien erstmals 1972, ein Jahr später um die Hälfte verstümmelt auf Deutsch und nun erstmals komplett im Rahmen des Ross-Thomas-Gesamtwerks beim Alexander Verlag Berlin. Der Begriff „Porkchopper“ kommt übrigens aus dem Gewerkschaftsslang und bezeichnet einen Funktionär, der hauptsächlich vom Eigennutz angetrieben wird.
Thomas erzählt die Geschichte eines Präsidentschaftswahlkampfes einer großen amerikanischen Industriegewerkschaft. Ein alternder Präsident, Alkoholiker, aber immer noch ein exzellenter Schauspieler und Redner und sein jüngerer, manisch-depressiver Herausforderer und ehemaliger Zögling, der dem Alten vorwirft, sich zu weit von der Basis entfernt zu haben. Doch vom Malocher am Band sind hier alle Gestalten Lichtjahre entfernt. Es entwickelt sich ein Wahlkampf der schmutzigsten Sorte. Im Nachwort wird erläutert, dass der Autor hier in seinem zehnten Buch zum ersten Mal die Perspektive des Ich-Erzählers verlässt und einen allwissenden, auktorialen Erzähler anwendet. Dadurch wird der Zynismus, die Abgefeimtheit der Figuren nur all zu sehr deutlich: Hier wird auf jede schmutzige Wäsche der Gegenseite nochmal eine Schippe draufgelegt, jeder und alles ist korrumpierbar und Gesetze sind dazu da, um übertreten zu werden. Eigentlich wäre das Buch die ideale Lektüre während des letztjährigen US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes gewesen. Wunderbar lakonisch, mit trockenem Witz und mit brillanten Dialogen seziert der Autor den amerikanischen Politbetrieb.
Ross Thomas war übrigens selbst mal Politikberater und Gewerkschaftsfunktionär – man darf annehmen, dass Porkchoppers nicht nur fiktional ist. Der Plot ist durchaus komplex und voller Nebenfiguren (ohne Personenregister), das heißt, eher was für Politthriller-Profis. Aber die dürften ihre helle Freude daran haben.
Rezension und Foto Gunnar Wolters.
Porkchoppers | Erstmals erschienen 1972 | Als neu übersetzte, erstmals vollständige Ausgabe erschienen am 1. Februar 2016 im Alexander Verlag Berlin
ISBN 978-3-89581-403-7
309 Seiten | 14,90 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe
5 Replies to “Ross Thomas | Porkchoppers”
Ach, so geht es mir öfters – bei Porkchoppers war es auch so. Ich hab hierzu auch keine Rezension geschrieben, aber im Nachhinein wäre es schon gut gewesen. Na – irgendwie muss man halt auch Abstriche machen, solange man fürs Lesen und Rezensieren nicht bezahlt wird.
Aber mir hat das Buch auch gut gefallen und ich find’s gut, dass Du eine Rezi dazu geschrieben hast!
Du hast schon recht. Manchmal ist es auch wohltuend, keine Rezension schreiben zu müssen. Aber bei manchen Büchern juckt’s einen dann doch.
Da fallen mir wieder all meine Sünden ein. Habe mir die Thomas-Bände immer schön fleißig gekauft, aber schon ewig lang keinen mehr gelesen. (Zuletzt „Fette Ernte“) Und bei mir ist zudem das Problem, dass ich schlichtweg nicht lesen kann, wenn ich nicht auch eine Rezension dazu schreibe. Das hat schon was von zwanghaftem Verhalten, ich weiß. 😉 Aber irgendwie möchte ich später nochmal nachlesen können, wie der Eindruck genau war, weil die Erinnerung dann doch ab einem gewissen Zeitpuntk trügt.
Schließe mich jedenfalls „Dunkles Schaf“. Gut, dass du ne Rezension dazu geschrieben hast. Das Wirken vom Alexander Verlag sollte ebenfalls alle Werbung bekommen, die sie kriegen können.
Bei schwachen und durchschnittlichen Büchern fällt es mir aber nicht allzu schwer, wenn ich mal keine Rezension schreiben muss. Bei guten Büchern wie hier allerdings schon…;-)
Zu Ross Thomas: Ich hatte von ihm bislang nur „Kälter als der kalte Krieg“ gelesen. Das fand ich ganz gut, aber nicht so überragend, so dass es etwas gedauert hat, bis ich mir den nächsten Thomas genommen habe. Aber jetzt werde ich bestimmt dranbleiben.
Ja, es kostet zudem jedes Mal ne Menge Zeit. Irgendwie raffe ich mich aber selbst bei Durchschnitt oder Grütze noch auf und schreib was dazu. Bei letzterem kann man dann manchmal sogar noch herrlich Spaß haben. 😉 – Ich freue mich jedenfalls auf weitere Rezis von Dir zu Thomas!