Peter Temple | Die Schuld vergangener Tage

Peter Temple | Die Schuld vergangener Tage

Weißt du, welchen Ausdruck ich in den alten Zeiten immer gehasst habe?“, sagte ich. „Insider sein. Nun, ich will nicht wieder Insider sein.“
Berglin zündete sich die Zigarette an, Handfläche vor der Flamme, schmale Augen im Licht. „In diesem Fall sind nur du und ich die Insider, Mac“, sagte er. „Wenn du nicht mitmachst, solltest du dir überlegen, den netten jungen Burschen wegzuschicken, den Hund in Pflege zu geben und dich samt der großen Knarre zum Schlafen unters Bett zu legen. Die alten Zeiten sind noch nicht vorbei.“ (Auszug Seite 235)

Ned Lowey, Nachbar und Freund von Mac Faraday, wird erhängt in seinem Schuppen aufgefunden. Mac nimmt Neds Enkel Lew bei sich auf. Er zweifelt am vermeintlichen Selbstmord seines Freundes. Auch die Polizei ist nicht völlig überzeugt, hat Mac sogar kurzzeitig unter Verdacht. Mac beginnt der Sache auf den Grund zu gehen. Ein Zeitungsartikel in Neds Unterlagen über den Fund einer Mädchenleiche in einem alten Bergwerksschacht und dessen Arbeitsunterlagen bringt ihn auf eine heiße Spur zu einer Erziehungsanstalt für straffällige weibliche Jugendliche.

Bei seinen Nachforschungen stößt Mac auf diverse Ungereimtheiten Mitte der 80er Jahre – ungefähr der Zeitraum, in dem das Mädchen aus dem Schacht zu Tode gekommen sein muss. Schließlich erfährt Mac, dass auch der damalige Arzt der Anstalt, Dr. Ian Barbie, vor kurzem auf gleiche Weise aus dem Leben schied. Es riecht nach alten Missbrauchsfällen und nach Mord.

Peter Temple ist einer der bekanntesten australischen Krimischriftstellern. In Südafrika geboren, lebt er erst seit 1980 in Australien. Ursprünglich Journalist, veröffentlichte er erst 1996 im Alter von 50 Jahren seinen Debütroman. Seitdem ist Temple international erfolgreich, er gewann fünfmal den australischen Ned Kelly Award, einmal den Dagger Award und auch einmal den Deutschen Krimi Preis. Auch für mich war Peter Temple kein Unbekannter: „Kalter August“ und „Shooting Star“ hatte ich bereits von ihm gelesen. Die Schuld vergangener Tage ist übrigens kein neuer Roman, seit Wahrheit (aus dem Jahr 2009) hat Temple nichts Neues mehr veröffentlicht. „An iron rose“ (so der Originaltitel) ist Temples zweiter Roman aus dem Jahr 1998, der nun erstmals ins Deutsche übersetzt wurde.

Ich wechselte das Thema. „Du musst noch jemandem für mich finden“
„Meine Güte, ich halt’s im Kopf nicht aus.“ Pause. „Wen?“
Ich gab ihm die nötigen Infos: Gabriele Elaine Makin, geboren 1967 in Frankston, ehemalige jugendliche Straftäterin, letzter bekannter Wohnort Cairns. Nicht im Telefonbuch.
„Hoffentlich überlebt sie dein Interesse“, sagte Berglin. „Ruf mich nicht an.“ (Seite 103)

Missbrauch in einer Erziehungsanstalt? Darin involviert sogenannte Stützen der Gesellschaft? Zugegeben, das klingt irgendwie als hätte man so etwas schon mehrfach gelesen oder gesehen. Aber ganz so einfach macht es sich Temple nicht, denn es entwickelt sich ein durchaus komplexer Plot, bei dem Mac Faraday von seiner Vergangenheit eingeholt wird.

Ich-Erzähler Mac Faraday arbeitet als Schmied in einer ländlichen Region des Bundesstaates Victoria in der alten Schmiede seines Vaters. Er lebt allein, besucht regelmäßig den lokalen Pub und spielt im örtlichen Club Australian Football. Ein Mann auf der Suche nach Normalität, der aber sein altes Leben nicht abschütteln kann. Denn Mac war mal bei den Feds, der Bundespolizei, als Drogenfahnder tätig. Doch dann ging ein Einsatz richtig schief, eine Informantin und die Zielperson wurden quasi vor seinen Augen liquidiert. Mac war der Sündenbock, einige andere Kollegen profitierten. Wie das damals passieren konnte, wurde nie aufgeklärt, doch Mac erhält über die Nachforschungen zu Neds Selbstmord unerwartet die Gelegenheit, auch seinen alten Fall wieder aufzurollen.

Peter Temple erzählt diese düstere Geschichte mit einem guten Gespür für Tempo und Timing, mit trockenem Humor, präzise und realistisch. Auch wenn zwischen Erstveröffentlichung und Übersetzung ins Deutsche achtzehn Jahre liegen, hat das Buch keinen Schimmel angesetzt – im Gegenteil: Die Schuld vergangener Tage ist richtig gut abgehangen.

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

 

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Die Schuld vergangener Tage | Erschienen am 12. September 2016 im Penguin Verlag
ISBN 978-3-328-10070-6
331 Seiten | 10,- Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmen der Blogkooperative Australien & Neuseeland-Spezial.

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