S.A. Cosby | Blacktop Wasteland

S.A. Cosby | Blacktop Wasteland

Beauregard umklammerte das Lenkrad, als wäre es ein Rettungsring. Er konnte die Vibrationen des Motors durch das Steuer bis zu den Schultern spüren. Sein Herz aber trommelte nicht. Er vermutete, das es nicht mehr als siebzig Mal pro Minute schlug. Dies war sein Platz. Er war in seinem Element. (Auszug S.134)

Beauregard „Bug“ Montage ist vermutlich der beste Fluchtwagenfahrer südlich der Mason-Dixon-Linie. Allerdings hat sich Bug seit längerem zur Ruhe gesetzt und versucht nun, sein Leben als treusorgender Familienvater und Inhaber einer eigenen Autoreparaturwerkstatt zu bestreiten. Doch spätestens seitdem ein Konkurrent mit Dumpungpreisen die Kunden aus Bugs Werkstatt abzieht, mehren sich die Geldprobleme und Bug gute Vorsätze gehen langsam, aber sicher zum Teufel.

Der Roman beginnt mit einem illegalen Autorennen, an dem Bug mit seinem Cousin Kelvin teilnimmt, um wenigstens die wichtigsten Rechnungen bezahlen zu können. Doch obwohl Bug gewinnt, werden sie von Betrügern abgezogen. Bug kann sich zwar einen Teil des Geldes wiederholen, doch der Abend war letztlich ein Fiasko, hat die erhoffte Trendwende nicht gebracht. Da meldet sich mit Ronnie ein Bekannter von Bug und will ihn bei einem todsicheren Überfall auf einen Juwelier dabei haben. Bug zögert. Zum einen, weil Ronnie und sein Kumpel Quan nicht den Eindruck erwecken, die Sache so glatt durchziehen zu können. Zum anderen aufgrund seines schlechten Gewissens gegenüber seiner Frau Kia und den beiden Söhnen. Doch er braucht das Geld und macht mit. Natürlich geht die Sache alles andere als glatt. Es gibt einen Toten bei Überfall. Und die Diamanten im Safe stammten aus illegalen Geschäften, sodass die Cops nun ihr geringstes Problem sind.

Wenn du fährst, als hättest du Angst, wirst du verlieren. Wenn du fährst, als würdet du befürchten, anschließend die ganze Maschine erneuern zu müssen, wirst du verlieren. Du musst fahren, als würde nichts anderes zählen, als so schnell wie möglich diese Linie zu erreichen. Du musst fahren, als wäre der Teufel hinter dir her. (Auszug S.13)

Die Worte seines Vater klingen Bug immer noch oft im Ohr. Generell handelt der Roman von nicht überwundener Vergangenheit. Schon Bugs Vater war eine Legende im Fluchtwagen, schon er hat seine Familie für manch riskanten Job vernachlässigt. Als es eines Tages zum Äußersten kam, war Bug dabei. Der Vater verschwand daraufhin spurlos, Bus selbst musste ins Jugendgefängnis. Diese Geschichte wird in Rückblenden erzählt. Bug hat dies niemals verdaut oder gar damit abgeschlossen. Er eifert seinem Vateridol immer noch hinterher, im Wissen, dass er seine Familie damit genauso zerstören könnte wie sein Vater damals.

Immer wenn Bug „on the road“ ist, spielt der Roman seine Stärken aus: Tempo, Spannung, Adrenalin. Spektakuläre Verfolgungsjagden funktionieren nicht nur auf der Leinwand. Zudem passt auch das Setting des ländlichen Virginias zwischen tiefen Wäldern, Trailerparks, Schrottplätzen und Hinterwäldlerkaffs. Ein kleiner Wermutstropfen für mich war, dass die anderen Momente, insbesondere die familiären diese Intensität immer wieder brechen. Dieses klassische Motiv des vom Leben nicht gerade begünstigten Underdogs, hin und hergerissen zwischen Bad Boy und Familienglück, wird für meinen Geschmack etwas zu sehr ausgereizt.

Was ich bisher noch gar nicht erwähnt hatte: Bug ist schwarz. Ich finde aber, dass das gar nicht so vordergründig von S.A. Cosby ausgespielt wurde. Natürlich kommt der Alltagsrassismus zur Sprache, kommt es hier und da zum Clinch mit Rednecks (Sehr amüsant, als ein Typ Bug nicht in einen Sexclub lassen will, mit den Worten: „Können wir nicht wenigstens einen Ort haben, an dem ihr nicht eure Visage reinsteckt? Verdammt, ihr habt doch schon das Weiße Haus.“ Auszug S. 285) Aber letztlich hätte Bug auch mit wenigen Strichen „White Trash“ sein können – der Plot hätte trotzdem funktioniert. Da bringt beispielsweise die Autorenkollegin Attica Locke mit ihren Kriminalromanen einen viel tieferen afroamerikanischen Blick ein.

Dennoch ist „Blacktop Wasteland“ keine Enttäuschung, eher im Gegenteil. Der Krimiplot ist straff und zeitweise in High Speed erzählt. Da gibt es nichts zu meckern. Aber ein paar Abzüge in der B-Note muss ich machen, da Cosby zu offensiv auf ein Ende zusteuert, das dem gepflegten Noir-Leser etwas widerstrebt. Nichtsdestotrotz eine gut unterhaltende, stellenweise packende Lektüre.

 

Foto & Rezension von Gunnar Wolters.

Blacktop Wasteland | Erschienen am 26.03.2021 im Ars Vivendi Verlag
ISBN 978-3-7472-0220-3
320 Seiten | 22,- €
Originaltitel: Blacktop Wasteland (Übersetzung aus dem Englischen von Jürgen Bürger)
Bibliografische Angaben & Leseprobe

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