Ragna Johnsen | Hassreiter
„Aber wenn er Glück hatte und auf dem Display erschien nicht Malins Name und sie hatte ihn nicht angerufen? Wenn er ihr nicht hätte helfen können? Mit einem Ruck schaute er auf das Display und sah sie, die Flut ihrer Anrufe, eine nach der anderen, alle vom 15.11., am Abend vor ihrem Tod, in ihrer Nacht vor ihrem Tod, am Morgen vor ihrem Tod.“ (Auszug Seite 85)
Malin Jonker springt an einem gewöhnlichen Tag vom Schuldach. Sie ist sofort tot. Für die Polizei ist der Selbstmord mehr als offensichtlich. Malins Bruder Malte will das aber nicht so recht glauben. Seine Schwester macht sowas einfach nicht. Und da die zuständigen Ermittler den Fall nicht wieder aufnehmen, nimmt Malte die Sache selbst in die Hand und will herausfinden, was auf dem Schuldach wirklich passiert ist. Er findet an Malins Pinnwand eine Karte mit dem Wort „Hassreiter“ darauf. Außerdem entdeckt er das Foto eines sehr wertvollen Gemäldes, das sie mal besessen hat.
Als Malin vom Dach fällt, wird sie von vielen Schülern gesehen, auch von Miriam. Sie beobachtet außerdem, dass Malin eine Metalldose in ihrer Hand hielt, in dem ein Zettel mit Namen steckte. Miriam glaubt auch nicht so recht, dass Malin Suizid begangen hat. Sie muss doch so glücklich gewesen sein, schließlich gehörte sie zu der geachtetsten Gruppe der ganzen Schule. Miriam beschließt, alles dafür zu tun, um Malin bei den „Dohlen“, wie die Gruppe heimlich genannt wird, zu ersetzen und zu erfahren, warum sie gestorben ist. Die Aufnahme-Rituale sind ziemlich hart und Miriam erkennt schnell, dass ihre drei neuen Freunde nicht nur gut sind. Die „Dohlen“ sind auch in der Organisation „Teens-for-Oldtimers“ tätig, bei der ältere Menschen unterstützt und umsorgt werden. Sie sind aber nicht aus reiner Nächstenliebe dabei, sondern durchaus auch eigennützig. Beim Treffpunkt der „Dohlen“, in einem dunklen Kellerraum, treffen sich die Wege und Ermittlungen von Miriam und Malte.
Malte Jonker ist Journalist bei einer lokalen Zeitung. Er und seine Schwester haben früh ihre Eltern verloren und sobald Malte volljährig war, hat er die gesetzliche Vertretung für seine kleine Schwester übernommen. Seit einiger Zeit haben die beiden nicht mehr so viel miteinander zu tun, es gab nur noch gelegentlichen Kontakt per Telefon oder E-Mail. Malte weiß also gar nicht genau, ob es Malin zuletzt gut ging. Er macht sich auch Vorwürfe, dass Malin nicht seine aktuelle Handynummer hatte und sie ihn vor ihrem Tod mehrmals angerufen und nicht erreicht hat. Was wollte sie so dringend?
Über Malin wird nicht sehr viel gesagt. Sie hatte in den vergangenen Monaten eine „schwarze Phase“, wie sie wohl viele Pubertierende miterleben. Malte finde ich sympathisch. Seine Überlegungen sind nachvollziehbar und bodenständig. Miriam hingegen ist eine Tagträumerin, die mitten am Tag in allen Situationen in die absurdesten Fantasien abtaucht und vergeblich versucht auf alle cool zu wirken. Ihre verrückten Gedanken werden aber nur in wenige Zeilen beschrieben, störten mich also nicht so sehr beim Lesen. Die „Dohlen“ sind alles andere als lieb und nett und ziemlich durchtrieben. Die drei ziehen Miriam ohne Skrupel in ihre Intrigen und illegalen Machenschaften mit rein. Und Miriam möchte einfach nur dazu gehören.
Ich muss zugeben, dass ich erst sehr skeptisch diesem Buch gegenüber war. „Hassreiter“ von Ragna Johnsen ist self-published, also quasi selbst verlegt, ohne Verlag im herkömmlichen Sinne. Mein erster Gedanke dazu war, dass das ja sicher auch einen Grund hat. Den Klappentext fand ich allerdings interessant und ich dachte mir, dass die Autorin eine Chance verdient hat. Völlig zu Recht, wie ich jetzt finde. Die Geschichte ist sehr spannend und kurzweilig, trotz der 500 Seiten. Das Buch liest sich insgesamt sehr flüssig und ich fand es zu keiner Zeit langatmig.
Der Krimi ist sehr ungewöhnlich aufgebaut. Mit Inhaltsverzeichnis, aber ohne Danksagung sowie Kapiteln mit Unterkapiteln. Außerdem wurde Großdruck genutzt. Deshalb kommen wahrscheinlich auch die vielen Seiten zustande und das stolze Gewicht von 884 Gramm.
Am Anfang der Handlung finde ich etwas anstrengend, dass viele Informationen für den Leser kommen, aber die Zusammenhänge und Hintergründe nicht erklärt werden. Es werden Namen genannt, aber nicht aufgelöst wer die Person überhaupt ist. Spät wird auch erst erklärt, was mit den Eltern von Malte und Malin passiert ist, wo sie danach gelebt haben und warum Malte humpelt. Das Leseerlebnis wird leider etwas durch etliche Rechtschreib- und Interpunktionsfehler gemildert.
Ragna Johnsen vermietet eine Ferienwohnung in Oldenburg. Sie hat auf der Leipziger Buchmesse 2016 ein Amazon-Marketing-Paket in Höhe von 10.000 Euro gewonnen. Weitere Angaben habe ich leider nicht recherchieren können.
Rezension und Foto von Andrea Köster.
Hassreiter | Erschienen am 15. Juni 2016 als self-published Taschenbuch im Großdruck
ISBN 978-1-53475-509-3
502 Seiten | 11,99 Euro
One Reply to “Ragna Johnsen | Hassreiter”
Sehr gelungenes Foto!