Judith Winter | Finsterwald

Judith Winter | Finsterwald

„Und das stimmte! Trotz aller Strapazen fühlte sich Em mit einem Mal hellwach und so frisch, als sei sie gerade erst aus der Dusche gestiegen. Endlich gab es sie, die heiß ersehnte Spur! Endlich hatten sie etwas, wo sie ansetzen konnten! Endlich…“ (Auszug Seite 444)

In einem abgelegenen Wald wird eine ermordete Prostituierte gefunden. Emilia Capelli und Mai Zhou haben noch gar nicht ganz mit den Ermittlungen dazu begonnen, als es eine zweite Tote gibt: Eine Lehrerin, die in ihrem Bett erstochen wurde. Das auffällige an dem zweiten Opfer ist, dass der Mörder ein Zeichen auf ihrem Bauch hinterlassen hat, das zu einer Mordserie gehörte, deren Täter seit vielen Jahren verurteilt und auch immer noch in einer psychiatrischen Klinik untergebracht ist. Ein Nachahmungstäter? Und gehören beide Morde zusammen, obwohl sie so unterschiedlich sind?

Das vierte Buch der Serie

„Finsterwald“ von Judith Winter ist der vierte Fall der Ermittlerinnen Capelli und Zhou. In dieser Reihe ist es das erste Buch, das ich lese und man kann problemlos mittendrin starten. Auf die vorangegangen Fälle wird in dieser Geschichte nur minimal eingegangen und der Leser benötigt keine „Vorkenntnisse“, denn der Fall ist in sich abgeschlossen.

Wissensvorsprung für den Leser

Die Geschichte liest sich sehr flüssig und ist in Kapitel und kurze Unterkapitel gegliedert. In den ersten zwei Dritteln des Buches geht es hauptsächlich um die klassische Ermittlungsarbeit, also Zeugenbefragungen, Recherche und Zusammenhänge erkennen und herstellen. Dabei kommen aber nicht nur die beiden Protagonisten und ihr Team zu Wort, sondern immer wieder gibt es auch Kapitel aus Sicht von Opfern und Tätern, was dem Leser einen Wissensvorsprung verschafft und die Handlung zusätzlich spannend macht.

Lange kein roter Faden

Im Grunde tappen Capelli und Zhou ziemlich lange sehr im Dunkeln und die einzige Verbindung ist, dass unmöglich zwei so brutale Morde in so kurzer Zeit ohne Zusammenhang sein können. Ansonsten finden die beiden noch eine Tat in den Akten, die auch dazu passen könnte und es gibt einen zusätzlichen Vermisstenfall. Alles hat scheinbar nichts miteinander zu tun, es gibt keine Parallelen, außer dass es sich bei allen Opfern um brünette Frauen handelt. Ich habe mich wirklich lange gefragt, wo hier der rote Faden zu finden sein soll und wie sich die Ermittlungen am Ende auflösen, aber auf den letzten einhundert Seiten gibt es dann endlich den entscheidenden Hinweis und auch mir ging gemeinsam mit den Kriminalhauptkommissarinnen ein Licht auf.

Zwei unterschiedliche Kommissarinnen

Zhou und Capelli sind grundverschieden, arbeiten aber sehr gut miteinander, was laut Kontext allerdings nicht immer der Fall war. Mai Zhou ist Halbchinesin, hat einen Freund, von dem sie sich aber selbst nicht ganz sicher ist, dass sie ihm wirklich so viel Platz in ihrem Leben gewähren will, macht Karate und Ballett und ist in ihrer Arbeitsweise akribisch gründlich. Emilia Capelli hat italienisch-sizilianische Wurzeln und ist entsprechend temperamentvoll und aufbrausend. Beide Charaktere werden aber nicht bis zur Vollendung stilisiert, bei Befragungen beispielsweise kommt es eher unterschwellig zum Vorschein. Aus dem Privatleben der beiden Protagonisten wird auch nicht übermäßig viel preisgegeben, es wird eher etwas angerissen, was dann in sich aber nicht abgeschlossen ist und vielleicht im nächsten Buch weiter geschildert wird. Ich bin ehrlich gesagt mit beiden nicht so richtig warm geworden, was meinem Lesevergnügen aber keinen Abbruch tat.

Fazit: Ein gut zu lesender und gerade zum Ende hin wirklich packender Thriller mit nicht ganz so sympathischen Ermittlerinnen.

Judith Winter, 1969 in Frankfurt am Main geboren, studierte Germanistik und Psychologie in Berlin und Wien und arbeitete viele Jahre in einem renommierten wissenschaftlichen Institut, bevor sie sich selbständig machte. Nach Aufenthalten in Mailand und Paris lebt sie heute mit ihrer Familie in Konstanz.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Finsterwald | Erschienen am 31. Januar 2019 bei dtv
ISBN 978-3-423-21748-4
496 Seiten | 9.95 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Anmerkung: Wir verlinken in jeder Rezension auf die Verlagsseite zu dem jeweiligen Titel und zu den Autoreninformationen. Leider scheint der Titel schon jetzt (1. Mai 2019) nicht mehr beim Verlag gelistet zu sein, denn wir bekamen nur den Hinweis, der Titel sei nicht mehr lieferbar.

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