Emily Elgar | Schweige nun still

Emily Elgar | Schweige nun still

Sie hält sich mit beiden Händen am Ende meines Betts fest und sagt ein leises Mantra: „Sie wird dafür bezahlen, sie wird dafür bezahlen.“ Mit geschlossenen Augen schüttelt sie den Kopf. „Niemand hat es gesehen, niemand weiß es. Es war nicht seine Schuld.“ (Auszug Seite 396)

Alice ist Stationsschwester auf der Intensivstation des St. Catherine’s Hospital und in ihrer Obhut sind gerade Frank, der nach einem Schlaganfall am Locked-In-Syndrom leidet, und seit kurzem Cassie, die nach einem Unfall mit Fahrerflucht im Koma liegt. Frank bekommt alles mit, was in seiner Umgebung passiert, kann sich aber nicht mitteilen. Und irgendetwas ist mit Cassies Unfall nicht so, wie alle vermuten. Mit aller Macht muss er versuchen, Alice mitzuteilen, was er über Cassie mit angehört hat…

Hätte ich den Klappentext nicht gekannt und einfach begonnen zu lesen, hätte ich mich wahrscheinlich gefragt, worauf diese Geschichte hinaus läuft. Im ersten Drittel werden vor allem die drei Protagonisten ausführlich vorgestellt, was durchaus interessant ist, aber eben für den Leser nicht beschreibt, worum es eigentlich geht.

Schweige nun still von Emily Elgar wird abwechselnd von Alice und Frank im Jetzt geschildert und von Cassie in der Zeit vor ihrem Unfall. Franks Krankengeschichte wird sehr ausführlich beleuchtet, was ich ziemlich informativ finde und auch emotional. Seine Diagnose empfand ich als beängstigend: Man bekommt alles um sich herum bei klarem Verstand mit, jede Berührung und jedes Wort, kann sich aber nicht bewegen oder sprechen. Besonders ergriffen hat mich, wenn Frank Schmerzen oder Beschwerden hatte und nichts dagegen tun konnte, es einfach nur aushalten.

Alice ist mir sehr sympathisch, denn sie identifiziert sich zu einhundert Prozent mit ihrer Arbeit und nimmt sich Zeit für die Patienten. Frank sieht sie als eine Art Therapeut, dem sie alles anvertraut. Seit einigen Jahren ist sie mit David verheiratet und beide versuchen schon lange Eltern zu werden. Bis jetzt erlitt Alice acht Fehlgeburten, was sie verständlicherweise sehr deprimiert. Auch ihre Erfahrungen fand ich sehr bewegend und habe sie gern gelesen.

Dreiviertel des Buches sind meiner Meinung nach eher typisches Drama und kein Psychothriller. Für einen Psychothriller habe ich mehr Spannung und Nervenkitzel erwartet und keine seichte und emotionale Geschichte. Das, was auf dem Buchrücken angekündigt wird, kommt erst ziemlich zum Schluss, aber auch eher seicht. Das Ende kann nicht überraschen, nicht mal mit einem Happy End, oder nur mit einem kleinen. Die Themen dieses Romans sind gut gewählt und keine, die in vielen Büchern behandelt werden, die Umsetzung liegt aber unter meinen Erwartungen.

Nach ihren Studienjahren in Edinburgh verbrachte die in Südengland geborene und aufgewachsene Emily Elgar mehrere Jahre als Reiseschriftstellerin in Südafrika. Später arbeitete sie von New York und Istanbul aus für eine internationale Nichtregierungsorganisation. Inzwischen ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von London, wo sie für eine Wohltätigkeitsorganisation tätig ist, die sich für Frauen in Not einsetzt. Dieses Buch ist der Debütroman der Autorin.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Schweige nun still | Erschienen am 19. Februar 2018 bei Goldmann
ISBN 978-3-442-48686-1
448 Seiten | 10.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

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