Louise Welsh | Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar
Für Jane Logan ist Berlin ein Ort voller Versprechen. Sie ist schwanger und glücklich, endlich mit ihrer Freundin Petra zusammenzuziehen.
Alles ist neu; die Sprache, die Straßen, die Leute. Sie versucht, während ihre Partnerin arbeitet, sich einzuleben, die Gegend zu erkunden, die Nachbarn kennenzulernen.
Aber in diesem trüben Berliner Winter fühlt sie sich immer einsamer und eigenartig angezogen von dem verfallenen Hinterhaus, in dem nachts ein Licht flackert und manchmal ein Schatten über die Treppe huscht. Ist das Anna, die dreizehnjährige Tochter ihres Nachbarn?
Der Verdacht, dass mit dem jungen Mädchen etwas nicht stimmt, lässt Jane nicht mehr los. Wieso takelt sie sich so auf? Woher kommen die blauen Flecken in ihrem Gesicht? Warum streitet sie so heftig mit ihrem Vater, dass man es gar nicht überhören kann? Für Jane gibt es nur eine Erklärung und eine Reaktion: Das Mädchen muss beschützt werden, vor allem vor ihrem Vater.
So mischt sie sich ein, immer mehr, und völlig obsessiv, als sie erfährt, dass Annas Mutter unter mysteriösen Umständen verschwunden ist. Allein und verstört befürchtet Jane das Schlimmste, aber das Schlimmste kommt erst noch.
Mitten im eisigen Berliner Winter der Gegenwart beginnt für Jane ein neuer Lebensabschnitt. Hochschwanger zieht sie von London nach Berlin zu ihrer Lebensgefährtin Petra – und damit in eine komplett neue Welt. Petras Wohnung ist groß und nüchtern, das genaue Gegenteil zu ihrer gemütlichen Londoner Dachgeschosswohnung. Die Wohnung befindet sich in einem Mehrparteienhaus mit Blick auf den örtlichen Friedhof und die angeschlossene katholische Kirche.
Louise Welsh zeichnet mit diesem Wohnbezirk eine gespenstige Gegend, die als Wohnort für eine moderne Jungfamilie nicht schauriger sein könnte. Die wenigen Nachbarn scheinen Phantome und im Hinterhaus, auf welches Jane aus dem Kinderzimmer blickt, ereignen sich merkwürdige Dinge. Genau in dieses Zimmer zieht es sie immer wieder, in den ersten Tagen, in denen sie alleine in dieser fremden Wohnung, dieser fremden Stadt lebt, denn Petra musste überraschend zu einem Geschäftstermin nach Wien. Spärlicher Telefonkontakt ist in dieser Zeit die einzige Verbindung.
Die Autorin spielt mit dem Leser – so wie ich es mir von einem Thriller wünsche! Die peu à peu auftretenden Nachbarn, der geheimnisvolle Pfarrer, den sie um Hilfe bittet, und natürlich besonders die Gerüchte, die sich um das Verschwinden der Nachbarin, der Mutter der dreizehnjährigen Anna, ranken, lassen ein Szenario aufkommen, dass der Leser sich fragt: Was hält Jane in dieser Wohnung? Wieso ist sie derart getrieben?
Eine besonders beunruhigende Rolle nimmt Dr. Mann, Annas Vater, und Nachbar von Jane und Petra, in diesem Roman ein. Jane hegt rastlos den Verdacht, dass Dr. Mann nicht der ist, der er zu sein scheint. Und auch der Leser wird sehr geschickt auf diese Spur gelenk, denn aus plakativen Ereignissen entstehen immer mehr verworrene Situationen. Im Einklang dazu immer das raue Wetter und Janes Ängste und Ruhelosigkeit.
Mich hat Louise Welsh nach vielen Jahren wieder für das zertretene Genre Thriller begeistert! Die Geschichte spielt mit unseren Ängsten, ohne dabei zu früh konkret zu werden, ähnlich wie ein gut gemachter Film. Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar – unbedingt lesen!
Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar | Erschienen am 12. März 2014 im Antje Kunstmann Verlag
275 Seiten | 19,95 Euro
Leseprobe
4 Replies to “Louise Welsh | Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar”
Ui, das klingt ja schon nach Horror …
Ohne zu viel zu verraten würde ich sagen, unterscheidet sich dieser Thriller insofern von einem Horrorroman, als dass die Autorin mit dem Leser spielt und sich nicht alles tatsächlich so zuträgt, wie der Leser und auch die Protagonistin glauben.
Das klingt schon sehr spannend.
Wenn man als Leser akzeptiert, dass Jane in der Situation bleibt und gegen unser Bauchgefühl handelt, ist die Geschichte definitiv spannend.