Hauke Lindemann | Die Akte Rollmops

Hauke Lindemann | Die Akte Rollmops

„Essen!“, platzte es aus der alten Frau heraus. „Ich wollte was zu essen machen. Mir selbst hatte ich schon ein Glas mit den Rollmöpsen aus dem Kellerhals geholt. Zwei davon mit einem Butterbrot, das reicht mir. Ich hatte zuletzt keinen großen Hunger, das ist mir doch alles ziemlich auf den Magen geschlagen. Aber ich muss ja auch an Walter denken, und der braucht dann doch etwas mehr. Das ist so gemein!“, rief sie und weinte wieder stärker. (Auszug Seite 124)

Malte Reese ist zu Besuch bei seinen Eltern und nach einem Festival nachts nicht wieder ins Elternhaus zurückgekehrt. Luise und Walter Reese haben am darauffolgenden Tag ein leeres und unbenutztes Bett vorgefunden. Sie machen sich große Sorgen um ihren einzigen Sohn und bitten Liane Maschmann um Hilfe. Liane kennt Familie Reese schon seit ihrer frühen Kindheit und hilft natürlich gern, weiß aber auch aus ihrer ehemaligen Polizeitätigkeit, dass man für einen erwachsenen Mann zwar eine Vermisstenanzeige aufgeben kann, diese aber mit unterster Priorität bearbeitet wird, wenn es keine Hinweise auf ein Gewaltverbrechen oder Ähnliches gibt. Und das ist der Fall bei Malte.

Damit will sich das Ehepaar Reese aber nicht zufriedengeben, denn dieses Verhalten ist sehr untypisch für ihren Sohn, und bitten Liane dennoch um Unterstützung. Malte ist vor einigen Jahren von seiner Heimatstadt Friedrichskoog nach Kiel gezogen und dort beruflich jetzt in der Politik tätig. Jüngst kam er mit Friedrichskoog in Berührung, als darüber abgestimmt wurde, ob die Schiffswerft geschlossen wird. Malte hat sich dafür ausgesprochen und damit den Unmut des ganzen Ortes auf sich gezogen. Seitdem bekommen seine Eltern nach jedem Besuch ihres Sohnes Drohbriefe. Einer wurde sogar unterschrieben. Zwar sehr unleserlich, aber doch erkennbar. Als Liane von den Drohbriefen hört, beschließt sie, sich doch mal etwas umzuhören. Während ihrer persönlichen Ermittlung stößt sie auf gleich drei potentielle Tatverdächtige mit schweren Motiven. Mittlerweile glaubt sie auch nicht mehr daran, dass Malte von allein wieder auftauch.

Liane Maschmann ist verheiratet. Ihr Mann ist oft beruflich unterwegs, deshalb sehen sie sich selten. Liane wohnt bereits seit ihrer Kindheit in Friedrichskoog und ihre Eltern waren bis zu ihrem Tod sehr gut mit Familie Reese befreundet. Sogar so sehr, dass Walter und Luise wie Eltern für Liane sind. Liane hat vor drei Jahren den Polizeidienst quittiert und arbeitet seitdem als Masseurin. Seit einem Missgeschick im Haushalt, bei dem sie sich den Handballen verletzt hat, hat sie unfreiwillig frei und viel Zeit für ihre kleinen Nachforschungen im Fall Malte Reese. Liane ist sehr gut mit dem Hauptkommissar der örtlichen Polizei, Jan Saalfeld, befreundet.

Die Akte Rollmops von Hauke Lindemann hat mir sehr gut gefallen. Es ist mit seinen rund 200 Seiten ein relativ kurzer Küsten-Krimi, der sich sehr flüssig und spannend liest. Die Handlung ist plausibel und die Dialoge eher locker und umgangssprachlich, was ich sehr sympathisch finde. Gerade beim letzten Kapitel konnte ich das Buch dann nicht mehr aus der Hand legen, ohne zu wissen, wie es ausgeht. Die Kapitel sind ziemlich lang und ziehen sich schon mal über vierzig Seiten hin mit nur wenigen Absätzen, an denen man das Buch mal zur Seite legen kann. Ich persönlich mag es gar nicht, die Geschichte mitten im Text zu unterbrechen, hatte aber ein ganzes freies Wochenende zum Lesen zur Verfügung und daher war es für mich nicht so schlimm. Die Kapitel sind auch nicht einfach mit Zahlen gekennzeichnet, sondern mit kurzen Stichpunkten, die vorgeben, was im folgenden Text vorkommt.

Liane fand ich als private Ermittlerin sehr überzeugend und ihre Gedanken und Zweifel konnte ich nachvollziehen. Auch Jan hat mich mit seiner generell eher ruhigen und teilweise etwas überkorrekten Art angesprochen. Ab und zu sind in den Gesprächen der Figuren einige Sätze plattdeutsch zu finden, oft von Luise Reese. Ich kann mir vorstellen, dass das in den ländlicheren Gegenden an der Nordsee tatsächlich noch ab und zu gesprochen wird, vor allem von der älteren Generation. Beim Lesen kann man gut erfassen, was gesagt wird, beim Hören stelle ich es mir schon schwieriger vor. Grundsätzlich ist es aber schön, dass diese fast vergessene Sprache hier in Erinnerung gerufen wird.

Hauke Lindemann wurde 1971 in Rendsburg geboren und lebt heute mit Frau und zwei Töchtern in Elmshorn. Wahrscheinlich auch notgedrungen wegen dem „Frauenüberschuss“ in seiner Familie, kann der Autor die weibliche Protagonistin so überzeugend beschreiben. Diese Vermutung steht jedenfalls in seiner Danksagung in diesem Buch. Hauke Lindemann hat vor diesem Küsten-Krimi bereits einen weiteren veröffentlicht (Die Akte Labskaus). Alternativ kann man von ihm auch Fantasy-Romane lesen. Bote ins Jenseits und Wenn Engel morden sind ebenfalls im Emons Verlag erschienen.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

 

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Die Akte Rollmops | Erschienen am 18. August 2016 bei Emons
ISBN 978-3-95451-960-6
208 Seiten | 10,90 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

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