Kategorie: Sonderermittler

Adventsspezial Österreich | Geistbeitrag der Autorin Ellen Dunne

Adventsspezial Österreich | Geistbeitrag der Autorin Ellen Dunne

4 spannende österreichische Autorinnen, die Sie vielleicht noch nicht kennen (aber kennenlernen sollten)

Unlängst also die Einladung vom geschätzten Gunnar Wolters von Kaliber 17, beim Blog-Special Österreich einen Gastbeitrag zu schreiben. Thema? Egal, solange es um Österreich und Kriminalliteratur geht. Erster Gedanke: Eh klar, schreib ich. Zweiter Gedanke: Ehm, was weiß ich als Quasi-Exilautorin eigentlich über die österreichische Krimilandschaft? Dritter Gedanke: Warum fallen mir auf Anhieb mal wieder fast nur die üblichen Verdächtigen und kaum Autorinnen ein?

Also hab ich beschlossen, die für mich weitgehend unentdeckte Landschaft der österreichischen Spannungs-Autorinnen etwas näher zu erforschen. Natürlich habe ich nicht alle Autorinnen geschafft, die ich mir vorgenommen hatte (sorry, liebe Judith Taschler, aber ich bin noch dran!), und natürlich konnte ich teilweise nur ein gelesenes Buch als Grundlage für den Artikel verwenden.

Nehmt ihn also als Anstoß, selbst aufzubrechen, um die kriminalliterarischen Schätze Österreichs für euch zu entdecken. Denn zwischen Berg und Tal, Hauptstadt und Provinz, Krieg und Frieden gibt es äußerst vielfältige, spannende weibliche Stimmen, die es verdienen, dass man auch über die Landesgrenzen hinweg von ihnen hört.

Unbequem mit Stil: Gudrun Lerchbaum

“Was glaubst du, was wir uns jetzt wünschen?” Er melkt seinen gekrümmten Schwanz. Ich glaube, ich soll ihm einen blasen, doch das bringt mich nicht weiter. Ich würde kotzen, er würde schießen. (aus Lügenland)

Warum lesen? Gudrun Lerchbaums knapper, aber gleichzeitig bildhafter, origineller Stil und die kantigen Figuren sind für mich ihre großen Stärken. Ich lese sie einfach unheimlich gern, dazu kommt ein bissiger Humor, den ich liebe. Ihre Hauptcharaktere sind ausnahmslos unbequeme, vielschichtige Frauen, die eine klare Haltung haben, widrigen Umständen kämpferisch begegnen und die einem ans Herz wachsen, auch wenn sie nicht immer die Liebe auf den ersten Blick sind. Das Interesse der Autorin gilt vor allem feministischen, sozialkritischen und politischen Themen.

Mehr zur Autorin: Gudrun Lerchbaum ist studierte Philosophin und Architektin und lebt in Wien. Ihr dystopischer Polit-Thriller “Lügenland” ist bei Pendragon, ihr sozialkritischer Krimi “Wo Rauch ist” im Ariadne-Verlag erschienen.

Very Vienna: Edith Kneifl

“Es fielen einige unschöne Worte. Sie warf mir Verrat vor, bezichtigte mich der Falschheit und Hinterhältigkeit. Selbstverständlich nahm ich ihre Worte nicht ernst. Betrunkene sagen, im Gegenteil zu dem blöden Sprichwort, nur selten die Wahrheit.” (aus Der Tod ist ein Wiener)

Warum lesen? Schwer, Edith Kneifl auf einen Punkt zu bringen, denn sie hat bereits unzählige Krimireihen, Anthologien und Erzählungen veröffentlicht. Der Tod ist ein Wiener ist Teil einer Serie von drei Freundinnen, die in Wien ermitteln. Zur Sprache kommen Architektur, Geschichte und vor allem die Atmosphäre. Für mich war es das “österreichischste” aller Bücher, aber mit einem sehr ernsten Fall um die Unterdrückung und den Missbrauch von Frauen sowie schmutzigen Geheimnissen in “ehrenwerten Häusern”. Auch wenn der Stil oft etwas oldschool für meinen Geschmack ist – Edith Kneifl hat feministische Themen in den 80ern und 90ern angepackt, und sie tut es immer noch. Sollte man sie – so wie ich – bisher also noch nicht gekannt haben, dann wird es höchste Zeit.

Mehr zur Autorin: Edith Kneifl erhielt 1992 als erste weibliche Autorin den Friedrich-Glauser-Preis und noch einmal 2018 den Ehren-Glauser, sowie weitere Literaturpreise. Aufgewachsen in Oberösterreich, lebt sie in Wien.

Heiße Eisen: Eva Rossmann

“Wir haben uns in einer netten Bar in der Wiener Innenstadt getroffen. Rundherum Aperol-Sprizz für die, die nicht gleich jede Mode mitkriegen. Für die Checkerinnen der Großstadt ist heuer “Hugo” angesagt. (aus Männerfallen)

Warum lesen? Die Krimireihe um die Journalistin Mira Valensky ist bereits 20 Romane lang. Und Rossmann packt wirklich jedes heiße Eisen an – von Schönheitschirurgie (Unterm Messer) bis zum radikalen Veganismus (Gut aber tot) und der Klimakrise (Heißzeit 51). Im von mir gelesenen Männerfallen z.B. den Backlash gegen den Feminismus. Was mir daran sehr gefällt, sind die differenzierten, gut recherchierten Betrachtungen der jeweiligen Problematik. Valenskys innerer Monolog macht das Lesen oft stakkatohaft, aber leicht. Und auch wenn mir die Ausführungen über die Kochleidenschaft der Autorin, äh Hauptfigur, persönlich oft zu lang sind und die Handlung ohne Not unterbrechen, machen sie mir einen unheimlichen Appetit. Wer sich also aktuelle gesellschaftliche und politische Themen mundgerecht (aber nicht flach!) verpackt geben will, ist hier an der richtigen Adresse.

Mehr zur Autorin: Politjournalistin, Autorin, Köchin, Feministin, Verfassungsjuristin. 1997 war Eva Rossmann Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens zur Gleichstellung von Mann und Frau im Bundesverfassungsgesetz.

Abgründig gut: Michaela Kastel

“Wir nennen es Sonntentor – das dunkle Loch mitten im Felsen, in das Papa uns wirft, wenn wir nicht artig waren.” (aus So dunkel der Wald)

Warum lesen? Kann ein Buch fesselnder beginnen? Mit Thrillern habe ich ja oft so meine Probleme, was Glaubwürdigkeit angeht, aber bei diesem mitreißenden und gleichzeitig poetischen Schreibstil und der inneren Spannung im Text war mir das über weite Strecken egal. Das inzwischen schon hinreichend bearbeitete Thema der entführten und missbrauchten Kinder und Jugendlichen im abgeschiedenen Wald ist eigentlich ebenfalls ein no-no für mich. Aber der Blick in die (abgründige) Psyche der Opfer und die unheilvolle Dynamik zwischen ihnen, als der gemeinsame Feind plötzlich wegfällt, macht das Buch so spannend und atmosphärisch. Diese Geschichte könnte überall, nicht nur in Österreich spielen. Das meine ich im besten Sinne. Michaela Kastel ist eine sehr spannende Newcomerin, auf deren nächste Bücher ich mich schon freue.

Mehr zur Autorin: Michaela Kastel ist nicht nur Autorin sondern auch Buchhändlerin. Ihr zweiter Roman Worüber wir schweigen ist bereits bei emons erschienen.

 

Wir danken der Autorin Ellen Dunne herzlich für diesen Gastbeitrag und verweisen sehr gerne auf Ihre Buchtitel, die zum Teil auch von uns auf krimirezensionen.de besprochen wurden.

Weiterlesen: Rezensionen zu Wie du mirHarte Landung (Bd. 1) und Schwarze Seele (Bd. 2) von Ellen Dunne.

 

Dieser Gastbeitrag erscheint im Rahmen unseres .17special Blogkooperative: Adventsspezial Österreich.

Nikos Milonás | Kretische Feindschaft

Nikos Milonás | Kretische Feindschaft

Wenn der Sommer vor der Tür steht, haben Urlaubskrimis bei deutschen Lesern Konjunktur. Sie bedienen Sehnsüchte. Sei es, weil die Handlung am zukünftigen Urlaubsziel verortet ist, oder man Erinnerungen an Gegenden zurückholen möchte, in denen man bereits schöne Urlaubstage verbracht hat. Mittlerweile deckt dieses Genre fast alle europäischen Urlaubsziele ab, in der Regel von deutschen Autoren unter jeweiligem landestypischen Pseudonym geschrieben. Ein cleverer Schachzug, soll dies doch suggerieren, dass hier jemand schreibt, der Land und Leute wie seine Westentasche kennt.

In diese Kategorie fällt auch Nikos Milonás, wobei dies das offene Pseudonym des Fernsehschaffenden Frank D. Müller ist. Dieser ist Kreta-Fan und schließt mit seinem Erstling Kretische Feindschaft eine Lücke, denn die griechische Insel war bisher ein weißer Fleck auf der Karte der Urlaubskrimis.

Ausgangspunkt der Handlung ist der vermisste Bürgermeister von Kolymbari. Und da die Polizei vor Ort offenbar weder willens noch in der Lage ist, sich angemessen und engagiert um den Fall zu kümmern, werden Michalis Charisteas und sein Kollege Koronaios (beide Mordkommission Chania) auf Anweisung des Gouverneurs mit dem Fall betraut. Der Vermisste wird gefunden, tot. Offenbar ist er mit seinem Auto von der Straße abgekommen und einen Abhang hinabgestürzt. Fall abgeschlossen, obwohl Michalis große Zweifel an der Version der Kollegen aus Kolymbari hat, weshalb er die Ermittlungen auf eigene Faust und entgegen jeder Anweisung weiterführt. Und schnell wird ihm klar, dass dieser Fall weitaus komplexer als angenommen ist und weit in die Vergangenheit reicht.

Keine Frage, die Story ist spannend und schlüssig aufgebaut, überrascht mit unvorhersehbaren Wendungen. Hier gibt es nichts zu meckern, auch wenn mir zum Ende hin die eine oder andere Erklärung/ Motivation nicht schlüssig erscheint und eher lapidar in einem Nebensatz oder gar nicht abgehandelt wird.

Die Personen haben Potenzial, wobei hier Michalis Kollege Koronaios wesentlich interessanter und mit mehr Konturen als dieser daherkommt. Die Love-Story zwischen Michalis und seiner deutschen Freundin Hannah ist unaufdringlich, hätte ich jetzt aber nicht unbedingt benötigt. Sie dient letztendlich nur dazu, die Gegensätze zwischen Kretern und Deutschen aufzuzeigen. Und damit habe ich meine Probleme, denn damit werden Vorurteile zementiert. Kretischer Schlendrian, Mauscheleien in Behörden, Vorteilnahme im Amt…und…und…und.

Chania und Umgebung als Handlungsorte, speziell die Nordküste, scheint mir nicht die beste Wahl, da dieser Teil der Insel mittlerweile viel von seinem Charme und seiner Ursprünglichkeit verloren hat. Was Kreta wirklich ausmacht, findet man eher in den abgelegenen Gegenden.

Der Autor arbeitet in seinen Beschreibungen mit sehr vielen Stereotypen, ganz so, wie der deutsche Urlauber sich die Insel und ihre Menschen vorstellt: der venezianische Hafen (zugegeben, der ist wunderschön), Meeresrauschen, Olivenhaine, wilden Thymian, Orangenbäume und, weil jeder Kreta-Urlauber zum Schluchtenwandern dorthin möchte, die Samaria. Die Kreter trinken jede Menge Frappé, Ellinikós und Raki und essen die köstlichen Gerichte ihrer Heimat (hier bekommt der deutsche Leser natürlich die Übersetzung geliefert) rauf und runter. Ein bisschen zu viel von allem, aber dennoch unterhaltsam mit guten Ansätzen.

Wie es scheint ist Kretische Feindschaft der Auftakt einer Reihe mit Michalis Charisteas, dessen Entwicklung, gerade wenn man Kreta kennt und liebt, im Auge behalten sollte. Luft nach oben ist allemal. Und vielleicht gibt es ja auch einmal einen Ausflug in die kretisch-deutsche Geschichte. Ein Verhältnis, das jede Menge Krimistoff bietet.

 

Wir bedanken uns für diese schöne Gastrezension und das Foto bei Elke Heid-Paulus. Weitere Rezensionen von Elke findet ihr auf ihrem Instagram-Account satzbehaelter.

Kretische Feindschaft | Erschienen am 17. April 2019 bei Scherz im Fischer Verlag
ISBN 978-3-651-02580-6
400 Seiten | 14.99 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Schleswig Holsteinischer Zeitungsverlag | Die besten Kurzkrimis von der Waterkant

Schleswig Holsteinischer Zeitungsverlag | Die besten Kurzkrimis von der Waterkant

Im Rahmen des Festivals „KrimiNordica“ wird alle zwei Jahre der einzige Krimipreis Schleswig-Holsteins verliehen. Die sechsköpfige Jury besteht aus so bekannten Künstlern und Experten wie dem Satiriker Manfred Degen, der OLG-Präsidentin Uta Fölster und dem Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Über 400 Einsendungen hat der Award – und es wird in allen Winkeln des Landes und nach allen Regeln der (Mord)Kunst gemeuchelt, geleugnet und überführt.

Die besten Kurzkrimis von der Waterkant ist eine Auslese der 21 besten Geschichten von insgesamt mehr als 400 Einsendungen der Zusammenarbeit des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages und dem Itzehoer Festival KrimiNordica, welche alle zwei Jahre die besten Kurzkrimis zwischen Nord- und Ostsee suchen.

Waterkant bedeutet im übertragenen Sinn Küste, wörtlich eher Wasserrand oder Meeresrandgebiet. 

Read More Read More

Andreas Winkelmann | Die Zucht

Andreas Winkelmann | Die Zucht

Nur fünf Minuten hat Helga Schwabe ihren Sohn aus den Augen gelassen. Einen unaufmerksamen Moment lang. Und in diesem Moment ist er verschwunden.

Als fielen Hauptkommissar Henry Conroy die Ermittlungen in diesem Fall mutmaßlicher Kindesentführung nicht schon schwer genug, muss er sich auch noch mit einer neuen Kollegin herumschlagen. Vorlaut, frech, selbstbestimmt – das ist Manuela Sperling. Aber sie hat einen guten Riecher. Und bald stoßen die beiden auf eine Spur, die zu einem einsamen, verfallenen Gehöft im Niemandsland an der Grenze zu Tschechien führt, auf dem illegal Hunde gezüchtet werden …

In Kürze: Ein kleiner Junge der entführt wird. Hunde, die illegal gezüchtet werden. Prostituierte die spurlos verschwinden.

Nichts passt zusammen in Henry Conroys neuem Fall. Zu allem Überfluss muss sich der Hauptkommissar auch noch mit der neuen Kollegin Manuela Sperling zusammenraufen, die ihm gehörig auf die Nerven geht. Aber dann stoßen die beiden auf eine Spur, die die Fälle auf grausige Weise verbindet …

Read More Read More