A. D. Garrett | Schnittmuster

A. D. Garrett | Schnittmuster

In Manchester tauchen die Leichen mehrerer Drogensüchtiger auf. Junkies, an irgendeiner Designerdroge gestorben – nichts Besonderes. DI Kate Simms’ Vorgesetze geben den Fall gerne an ihre nicht sonderlich geschätzte Mitarbeiterin weiter.

Als aber eine Prominente am gleichen Stoff stirbt, werden die Medien aufmerksam. Dann wird eine weitere Frauenleiche gefunden: grausam zugerichtet, mit einem merkwürdigen Zickzackmuster auf dem Rücken.

Simms braucht dringend Hilfe in diesem bizarren Fall. Und es gibt nur einem Menschen, dem sie blind vertraut: Forensik-Professor Nick Fennimore. Simms und Fennimore ermitteln – und ahnen nicht, dass sie selbst längst am Abgrund stehen …

»Schnittmuster« ist die erste Zusammenarbeit der preisgekrönten Krimiautorin Margaret Murphy mit dem renommierten Forensik-Professor David Barclay (alias A. D. Garrett). Dessen Pendant findet sich im Roman mit Nick Fennimore, der an der Robert-Gordon-University in Aberdeen lehrt. Er hat sich nach Schottland zurückgezogen, seit er vor Jahren der Crime Faculty in London den Rücken gekehrt hat, wo er als forensischer Berater für die Polizei arbeitete. Fennimore musste gehen, weil er seinerzeit erhebliche Mittel aus dem Budget seiner Behörde für mehr oder weniger private Ermittlungen ausgegeben hatte. Seine Frau und seine Tochter waren verschwunden, wenig später wurde seine Frau tot aufgefunden, die Tochter blieb verschollen und Fennimore hatte alles darangesetzt, sie aufzuspüren und den Mörder seiner Frau zu fassen. Dabei wurde er von Kate Simms unterstütz, die ihm gegen alle Vorschriften Einblick in die laufenden Ermittlungen und Zugang zu Beweismitteln verschaffte. Das bedeutete für sie einen Karriereknick und einen Neuanfang bei der Greater Manchester Police, wo sie sich mittlerweile zum Chief Inspector heraufgedient hat.

Und nun taucht Kate plötzlich wieder im Leben von Nick auf: Sie braucht seine Hilfe bei ihrem aktuellen Fall. Nick fühlt sich schuldig, glaubt Kate damals beeinflusst und ihre Karriere ruiniert zu haben. Die hat aber selbst die Entscheidung getroffen, Nick zu unterstützen, auch wenn sie dabei ihren Job riskierte. Warum, wissen wir nicht, aber von Anfang an ist klar, dass es zwischen den beiden eine besondere Verbindung gibt, brüchig, schwierig und sehr emotional. Diese spannende Geschichte (und die nicht zu Ende erzählte Vorgeschichte ihrer besonderen Beziehung) zieht sich neben dem Kriminalfall durch den gesamten Roman. Sie macht neugierig und lässt uns mit den beiden sympathischen Helden mitfiebern, rückt aber andere, durchaus schillernde Figuren etwas in den Hintergrund.

Kate soll eine auffällig hohe Zahl von Drogentoten untersuchen, aber als sich unter den Opfern eine bekannte Sängerin findet, bekommen die Ermittlungen Brisanz. Es zeigt sich, dass ihre Vorgesetzten Bürokraten sind, die vor allem ihren Etat verwalten und politische Kontakte pflegen, sie würden den heiklen Fall am liebsten ohne Aufsehen sofort abschließen. Deshalb rudern die höheren Dienstgrade zurück und torpedieren Kates Arbeit, je mehr sich herausstellt, dass es um mehr geht als um ein paar Junkies, die an einer Überdosis gestorben sind. Als Verbindungsglied zwischen den Fällen mehrerer toter Prostituierten stellt sich ein „Schnittmuster“ heraus: Striemen auf dem Hinterteil der Mädchen, die vor ihrer Ermordung mit einer Reitgerte malträtiert wurden.

Zu Beginn wechseln die Perspektiven, das Geschehen wird beleuchtet aus Sicht der Prostituierten, der Zuhälter und Dealer sowie der beiden Hauptakteure. Die Figuren aus dem Milieu sind wenig zimperlich und so werden sie auch geschildert, hinterhältig, brutal, obszön. Für meinen Geschmack fallen einige Gewalt- und Folterszenen zu drastisch aus – manche sadistische, grausame Einzelheit hätten die Autoren getrost auslassen dürfen. Neben diese harten, schockierenden Details setzen die Autoren mitunter auch zarte, fast poetische Bilder, aber die Grundstimmung ist düster, die Kulissen sind entsprechend ausgesucht und eindrucksvoll in Szene gesetzt: dreckige Hinterhöfe, schäbige Absteigen, verfallene Fabrikgebäude und heruntergekommene Bordelle – das alles bei winterlichem Schmuddelwetter schafft die passende Atmosphäre für eine wirklichkeitsnahe Großstadt-Verbrecherszene.

David Barclays Beitrag an diesem ersten gemeinsamen Projekt fällt recht umfangreich aus. Seine Beschreibungen zur Vorgehensweise des Forensiker-Teams sind ausgesprochen detailliert, die sehr tiefgehenden Erläuterungen der unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, in denen Fennimore brilliert, sind in ihrer Weitschweifigkeit und Ausführlichkeit schon etwas anstrengend zu lesen und hemmen zeitweise den Erzählfluss. Endlose Videokonferenzen und langatmige Lagebesprechungen fordern viel Geduld und Konzentration. Diese Längen spart das Autorenduo in der zweiten Romanhälfte weitgehend aus, die Kapitel jenseits der Vorträge in Forensik und Profiling sind flott und farbig geschrieben, die Dialoge pointiert und bildhaft, sehr angenehm zu lesen. Hier konzentriert sich die Erzählung auch zunehmend auf die Polizeiarbeit, wird immer geradliniger und spannender und bietet einige schockierende Wahrheiten und unerwartete Offenbarungen. Diese intensive Spannung mit toller Action und überraschenden Wendungen fesselt bis zum unerwarteten Ende. Aber noch ist nicht alles erzählt:

Nick hat nach wie vor die verzweifelte Hoffnung, seine Tochter doch noch wiederzufinden, Kate hingegen hat sich über die grausamen Tatsachen, die sie hören und sehen musste, derart in den Fall verbissen, dass sie die Familie vernachlässigt hat. Mit ihrem Mann gibt es immer öfter Streit, ihrem kleinen Sohn gegenüber hat sie Schuldgefühle.

Der Epilog verrät bereits etwas von der schon erschienenen Fortsetzung »Believe no one«: Kate begibt sich für ein Sabbatjahr in die USA, um Abstand zu gewinnen und in Saint Louis neue Erfahrungen zu sammeln. Und Nick wird ihr folgen …

Ich werde diese Fortsetzung jedenfalls auch lesen, weil ich mir von der weiteren Zusammenarbeit der beiden Autoren einiges verspreche. Für ihr Debüt gibt es aber wegen des etwas holprigen und schleppenden Beginns nur viereinhalb von fünf Sternen.

 

Rezension von Kurt.

 

Schnittmuster von AD GarrettSchnittmuster | Erschienen am 19. Mai 2014 bei Goldmann
544 Seiten | 9,99 Euro
Leseprobe

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