Lesung: Mord am Hellweg „Finnische Nacht“ mit Antti Tuomainen und Jan Costin Wagner

Lesung: Mord am Hellweg „Finnische Nacht“ mit Antti Tuomainen und Jan Costin Wagner

Es war zwar noch nicht wirklich dunkel, trotzdem luden die Veranstalter von Mord am Hellweg am 21. Oktober 2018 zur Finnischen Nacht in den Alten Schlachthof in Soest. Durch den Abend führte Hörfunkredakteurin und -moderatorin Lore Kleinert, aber die eigentlichen Protagonisten waren Antti Tuomainen und Jan Costin Wagner. Ersterer erfolgreicher finnischer Autor aus Helsinki, zweiterer erfolgreicher Autor von Krimis mit dem Schauplatz Finnland und seit dem letzten Werk auch Übersetzer von Tuomainen.

Zunächst begann Jan Costin Wagner. Er verriet seine Verbindung zu Finnland: Vor 26 Jahren war er das erste Mal dort. Kurz zuvor hatte er seine spätere Frau auf einer Interrailreise kennengelernt. Dann war er das erste Mal in Finnland, fühlte sich direkt heimisch. Das Land wurde zu seiner zweiten Heimat. Als er die Idee zu seinem Protagonisten Kimmo Joentaa hatte, verortete er diese Figur aufgrund dessen Eigenschaften direkt in Finnland. Joentaa ist ein empathischer Ermittler, fast ein Seelsorger. Ein Mensch, der Halt gibt. Für Joentaa liegt ein erfolgreicher Abschluss eines Falles nicht unbedingt in den Ermittlungsergebnissen, sondern er möchte auch, dass er den beteiligten Menschen helfen. Wagner beschreibt Joentaa als seinen Begleiter im Schreiben. Neben der Schriftstellerei ist Jan Costin Wagner auch Musiker. Für ihn seien Musik und Schreiben eng verwandt, er suche in seinem Schreiben nach einer Melodie, nach einem perfekten Satz.

Sein aktuellster Roman Sakari lernt, durch Wände zu gehen beginnt mit dem Tod eines jungen Mannes. Der junge Sakari steigt auf dem Marktplatz in Turku in einen Brunnen, nackt, offenbar verwirrt und mit einem Messer. Der Polizist Petri Grönholm steigt ebenfalls in den Brunnen. Durch eine merkwürdige Bewegung des Jungen erschreckt, fühlt sich Petri bedroht und schießt. Sakari stirbt an seinen Verletzungen. Kimmo Joentaa besucht die Familie von Sakari und stößt auf eine große Tragödie, in der zwei Nachbarsfamilien miteinander verbunden sind.

Ein äußerst melancholischer Roman, gleichzeitig auch sehr poetisch. Damit bewegt sich Wagner am äußersten Rand des Krimigenres. Der Autor gab im Gespräch mit Lore Kleinert zu, seiner Hauptfigur bislang in dieser Reihe auch viel zugemutet zu haben. In diesem Band allerdings durchlebt Joentaa eine Phase großen Glücks mit seiner heranwachsenden Tochter Sanna. Dies sei auch der Ansatzpunkt des Romans gewesen, das Glück des Kommissars stünde im Kontrast zum Unglück der anderen Familie und die entscheidende Frage sei: Wie gelingt ein Weiterleben? .
Anschließend war Antti Tuomainen an der Reihe, wobei zunächst Jan Costin Wagner zur Übersetzung gefragt wurde. Tatsächlich kannten sich beide Autoren bis vor einigen Wochen nicht. Wagner und seine Frau Niina Kathariina wurden vom Rowohlt Verlag gefragt und haben sich sehr gefreut. Sie hatten direkt das Gefühl, eine ähnliche Wellenlänge wie Tuomainen zu haben und Wagner glaubt daher, dass es Ihnen gut gelungen sei,den Wortwitz zu übertragen. Er bemerkte, dass ein Übersetzer immer freien Raum benötigt, etwas Eigenes fließe immer ein, aber in diesem Fall sei man nicht weit auseinander gewesen.

Die letzten Meter bis zum Friedhof hatte ich im März bereits besprochen. Darin wird Pilz-Fabrikant Jaakko Kaunismaa nicht nur von einem neuen aggressiven Konkurrenzunternehmen bedroht und von seiner Frau betrogen, sondern er erfährt von seinem Arzt, dass er aufgrund einer schleichenden Vergiftung nicht mehr lange zu leben hat. Jaakko beschließt, in der ihm noch verbleibenden Zeit die Dinge zu ordnen, herauszufinden, wer ihn vergiftet hat und seine Firma zu retten. Doch dabei geschehen einige merkwürdige und unerwartete Dinge. Der Roman ist eine angenehme Mischung aus viel schwarzem Humor, aber auch Ernst und Melancholie mit einer ordentlichen Prise Spannung und einigen ungewöhnlichen Einfällen im Plot.

Tuomainen las auch eine Passage aus seinem Buch auf finnisch und fasste den Roman mit „mushroom business is a bloody business“ lakonisch zusammen. Er bezeichnete diesen Roman als „turning point“ seiner Schriftstellerkarriere. Seine fünf bis dahin geschriebenen Bücher waren alle düster und ernsthaft. Er wollte etwas einbringen, was auch ihn als Person ausmacht und was bislang in seinen Büchern gefehlt hat: Humor. Toumainen beschreibt es selbst als typisch finnisch, die Extreme in der Story und den Charakteren auszuloten. Das trifft auch auf seinen Protagonisten zu. Der Autor mochte an seiner Hauptfigur aber gerade diesen Aspekt, dass er sich vielen verschiedenen Herausforderungen stellen muss, da alle Aspekte seines Lebens behandeln. Tuomainen versprach, dass sein nächster Roman Palm Beach Finland, der im Januar 2019 in deutscher Übersetzung erscheint, ähnlich schwarzhumorig daherkommt. Hinter dem Titel verbirgt sich eine geniale, typisch finnische Geschäftsidee: „tropical holiday without the heat“.

Beide Autoren waren sympathisch. Jan Costin Wagner war zurückhaltender, war aber sehr engagiert bei den Vorleseparts. Antti Toumainen wirkte immer ein wenig verschmitzt und humorvoll. In der Pause und am Ende standen sie für Autogramme und Widmungen zur Verfügung. Leider habe ich es versäumt, Antti Toumainen zu fragen, was er mir da auf finnisch hinterlassen hat. Insgesamt war diese Finnische Nacht ein gelungener, unterhaltsamer Abend.

 

Text und Fotos von Gunnar Wolters.

Sakari lernt durch Wände zu laufen | Erschienen am 9. November 2017 im Galiani Verlag
ISBN 978-3-86971-018-1
240 Seiten | 20.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Die letzten Meter bis zum Friedhof | Erschienen am 24. Januar 2018 im Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-498-06552-2
320 Seiten | 19.95 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Auch bei uns: Gunnars Rezension zum Roman Die letzten Meter bis zum Friedhof von Antti Tuomainen.

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