Frank Goldammer | Roter Rabe ♬

Frank Goldammer | Roter Rabe ♬

Im Sommer 1951 werden in der noch jungen DDR zwei Mitglieder der Wachturmgesellschaft wegen Spionageverdacht in Polizeigewahrsam genommen. Kurz nach der Verhaftung werden die beiden Zeugen Jehovas tot in ihren Untersuchungszellen aufgefunden. Sie sollen auf ziemlich ungewöhnliche Art Suizid begangen haben. Oberkommissar Max Heller zweifelt an den vermeintlichen Selbstmorden in getrennten Zellen, stößt aber während seinen Ermittlungen bei den misstrauischen Sektenmitgliedern auf Widerstände. Die Untersuchung der Todesfälle gestaltet sich auch so schwierig, denn die verschiedenen Geheimdienste scheinen ihre Finger im Spiel zu haben. Heller darf ermitteln, wird aber immer wieder zurückgepfiffen und vieles soll auch unter den Teppich gekehrt werden.

Angst vor der Atombombe

Max Heller trifft auf einen alten Bekannten, den jungen Russen Alexej Saizev, der mittlerweile für den russischen Geheimdienst tätig ist. Einst ein Freund, hat dieser sich total verändert, wirkt zynisch und verbittert und seine Handlungen sind für Heller nicht nachvollziehbar. Saizev ist auf der Suche nach einem amerikanischen Topspion und er warnt Heller eindringlich, ihm nicht in die Quere zu kommen. Der gefährliche Geheimagent, auch Der Rabe genannt, soll für den Westen spionieren und Sabotage betreiben. Es kursieren Gerüchte, die Amis wollen die Atombombe in Dresden einsetzen, um die Russen zu entmachten.

Heller und seine Mitarbeiter Werner Oldenbusch und Peter Salbach stoßen auf mysteriöse Zeitungsannoncen, in denen offenbar chiffrierte Nachrichten übermittelt werden und eine weitere Spur führt zu einem jugendlichen Schmugglerpärchen. Aufgrund einer Explosion in einem Kraftwerk wenige Monate zuvor, zieht Heller einen Zusammenhang mit dem Schmuggel von Uranerz. Dieses spezielle Erz wird für den Bau einer Atombombe benötigt. Die Angst vor einem Bombenattentat in Dresden ist allgegenwärtig. Nach und nach kommen alle Zeugen auf merkwürdige Weise zu Tode. Und zwar so viele, dass ich irgendwann aufhörte, zu zählen.

Kein Telegramm von Karin

Der Oberkommissar muss zeitgleich auch noch sein Privatleben organisieren. Er kehrte grade mit seiner Familie aus dem Ostseeurlaub zurück. Und während seine Frau Karin mit einer Ausreisegenehmigung gleich weiterreist, um zum ersten Mal den gemeinsamen Sohn Erwin und dessen kleine Familie im Westen zu besuchen, bleibt Heller schweren Herzens alleine mit der kleinen Pflegetochter Annie zu Hause. Sie wohnen bei Frau Marquardt und dass die alte Dame immer verwirrter wird, bedeutet eine weitere Sorge für Max. Er wartet sehnsüchtig auf ein Lebenszeichen seiner Frau und weist brüsk alle Andeutungen zurück, dass Karin nicht vereinbarungsgemäß nach 14 Tagen zurückkommt. Er vertraut seiner Frau, doch auch an ihm nagen Zweifel, als das vereinbarte Telegramm nicht kommt. Dann taucht eine junge Frau namens Edeltraud Hermann auf, die sich als entfernte Verwandte von Frau Marquardt ausgibt und sich auch noch in der Wohnung einquartiert. Heller empfindet ihr Verhalten als merkwürdig.

Die Zeugen Jehovas

In der DDR waren die Zeugen Jehovas erst als Opfer des Faschismus anerkannt und als kleine Religionsgemeinschaft eingetragen. Doch schnell wurde die Glaubensgemeinschaft verboten und bis zum Ende der DDR standen die Mitglieder unter intensiver Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und lebten in ständiger Furcht vor staatlichen Repressionen. Als Staatsfeinde agierten sie im Untergrund, wurden verfolgt und verhaftet.

Diese Thematik arbeitet Frank Goldammer in dem 4. Teil der Krimireihe um den Dresdner Oberkommissar Max Heller ein. Dabei gelingt es ihm sehr eindrücklich, die Atmosphäre von Misstrauen und Angst aufzuzeigen, denn die junge DDR stand unter permanenter Beobachtung durch die Sowjetunion. Bespitzelung und Denunziation bestimmten den Alltag der Menschen und das Vertrauen zwischen Freunden oder sogar innerhalb der Familie wurde häufig auf eine harte Probe gestellt. Das wird am Beispiel von Hellers Kollege sehr anschaulich dargestellt. Oldenbusch wird durch das MfS drangsaliert, nachdem sich seine Verlobte in den Westen abgesetzt hat. Neu im Team ist der ehemalige Polizist Peter Salbach, dem Oldenbusch mit Misstrauen begegnet, da er ihn für einen Spion hält. Heller ist entsetzt über das paranoide Klima in den eigenen Reihen und attestiert Oldenbusch Verfolgungswahn. Die Versorgungslage hat sich nach Kriegsende verbessert, ist aber längst nicht so gut wie in der BRD. Des weiteren leben die Menschen mit der ständigen Befürchtung, der Spionage verdächtigt zu werden, dazu reichte es schon, wenn man dabei erwischt wird, westliche Radiosender zu hören.

Verworrener Plot und grundanständiger Protagonist

Während der Autor den einzelnen Figuren sehr viel Sorgfalt widmet und die Zeit stimmig eingefangen wird, war mir der Plot zu komplex und verworren. Ich hatte Mühe, allenVerdächtigungen und Geschehnissen zu folgen. Irgendwann habe ich den Faden verloren, und auch die Auflösung zum Schluss ist nicht wirklich gelungen, da einige Fragen nicht schlüssig beantwortet werden. Vielleicht habe ich sie auch überhört und hier wäre das Printmedium besser gewesen, um noch mal zurückzublättern. Obwohl der Schauspieler und bekannte Hörbuchsprecher Heikko Deutschmann mit sonorer Stimme seine Sache wirklich sehr gut macht. Für mich wurde die Handlung mit zu vielen unnötigen Todesfällen überfrachtet.

Als Hörer weiß man nie mehr als Heller, da aus seiner Sicht erzählt wird. So ist man der Gedanken- und Gefühlswelt des sympathischen Protagonisten immer sehr nah. Und der unbestechliche Max Heller ist wirklich ein grundanständiger aber auch ziemlich dröger Zeitgenosse mit hohen Moralvorstellungen. Er hält an seinen Prinzipien fest und will soweit wie möglich unpolitisch bleiben. Die Begegnungen zwischen dem stocksteifen Max Heller und der übergriffigen Edeltraud Hermann haben mich jedenfalls sehr amüsiert.

 

Rezension und Foto von Andy Ruhr.

Roter Rabe | Das Hörbuch erschien am 21. Dezember 2018 bei Der Audio Verlag
ISBN 978-3-7424-0643-9
1 mp3-CD | 19.99 Euro
Laufzeit: 11 Stunden 9 Minuten
ungekürzte Lesung von Heikko Deutschmann
Bibliografische Angaben & Hörprobe

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