Deon Meyer | Die Stunde des Löwen (Band 9)
„Wem gehört das Geld?“ „Das ist ja das Interessante daran! Wir schaden niemandem. Es ist ein Teil des Geldes, dass die Chandas dem Staat gestohlen haben. Sie konnten es nicht außer Landes bringen.“ Natürlich wusste Christina über die drei indischen Geschäftsleute Bescheid, Brüder, die angeblich dabei geholfen hatten, ihr Heimatland Hand in Hand mit dem ehemaligen Präsidenten gewissenlos auszuplündern. (Auszug E-Book Pos. 310 von 8292)
Im 9. Band der Reihe um die Kapstädter Polizisten Bennie Griessel und Vaughn Cupido ist von beiden Protagonisten erst mal nicht die Rede. Stattdessen verfolgen wir Christina „Chrissie“ Jaeger, die im Okavango-Delta seit einigen Jahren als Safari-Guide wohlhabende Touristen betreut. Als Igen Rousseau ihr einen gut bezahlten Job in Pretoria anbietet, kann sie aufgrund ihrer Verbundenheit zu dem ehemaligen Militärkameraden ihres verstorbenen Vaters nicht absagen.
Die Honigfalle und der Zwanzig-Millionen-Dollar-Raub
Geplant ist ein Überfall auf ein Lagerhaus, in dem rund 20 Millionen Dollar deponiert sind. Chrissie soll als sogenannte Honigfalle mit kühlem Kopf die Wärter ablenken und ihre Kontakte am Kap aktivieren, um nachher die Dollar zu wechseln. Auf den nächsten Seiten lesen wir detailliert, aber auch rasant und packend, wie der Raubzug geplant und vorbereitet wird. Es handelt sich dabei um Geld und Gold, welches vom ehemaligen Präsidenten Südafrikas und seinen engsten Vertrauten widerrechtlich beiseitegeschafft wurde. Und als Leser bangt man mit Chrissie und den anderen Vier, die den Coup durchziehen. Doch was so todsicher geplant war, endet in einer regelrechten Katastrophe.
In einem weiteren Handlungsstrang leiden Griessel und Cupido immer noch unter der Strafversetzung aus der Sondereinheit Valke nach Stellenbosch, besonders weil sie hier nur mit routinemäßiger Polizeiarbeit beschäftigt werden. Während Vince Cupido alles dransetzt, sich zu rehabilitieren, um sowohl den alten Rang wie auch den alten Arbeitsplatz zurückzuerobern, hat Bennie Griessel die Arbeit in Stellenbosch zu schätzen gelernt. Weniger Stress, geregelte Arbeitszeiten und geringere Gewaltverbrechen. Am meisten stresst ihn momentan die bevorstehende Heirat mit seiner großen Liebe Alexa. Die geplante Hochzeit erlebt er eher als Kette lästiger Termine, die er im Stress der Ermittlungen nur mühsam einhalten kann.
Als eine junge Mountainbikerin tot neben ihrem Fahrrad aufgefunden wird, ist wieder ganz altmodisch Laufarbeit angesagt. Die Spuren deuten darauf hin, dass sie von Hunden angefallen wurde und dabei unglücklich stürzte. Ein in der Nähe wohnender Hundebesitzer, der als Täter in Frage käme, streitet vehement alles ab. Noch bevor ihm nachgewiesen werden kann, dass seine Rottweiler die Schuld am Tod der Studentin tragen, wird Basie Small grausam ermordet in seinem Haus aufgefunden. Die Tiere wurden erschossen und bei Small deuten Folterspuren darauf hin, dass man ein Zeichen setzen wollte. Im Haus finden die Ermittler auch eine große Sammlung von Sturmgewehren. Sie wundern sich auch über den üppigen Lebensstil, den der ehemalige Elitesoldat und Ausbilder im Ruhestand pflegte.
„Die Katze ist aus dem Sack, Colonel. Vielleicht weiß jemand da draußen etwas. Über das, was Small getrieben hat. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit kann also nicht schaden.“ „Ein Elitesoldat weiß, wie man Spuren verwischt“, bemerkte Griessel. „Allerdings“, sagte Cupido. „Das wird einen Shitstorm geben“, unkte Jansen. „Ein Elitesoldat. Der Leibrandt-Fall, die Hunde, der Bauschaum. Ich darf gar nicht daran denken!“ (Auszug E-Book Pos. 2794 von 8292)
Auf den Mord an Small folgt ein weiterer ziemlich ähnlich gelagerter Todesfall. Mit den Ermittlungen zu den möglicherweise zusammenhängenden Morden haben Griessel und Cupido offensichtlich höchste Stellen aufgeschreckt, denn sie werden von den Ermittlungen abgezogen. Obwohl ihnen die Fälle entzogen wurden, sorgt Mbali Kaleni, ihre frühere, integre Chefin bei der Valke für eine Versetzung der beiden an die neugegründete NPA (National Prosecuting Authority), um unter dem Radar weiter nachzuforschen. Auch wenn sie es noch nicht ahnen können, haben unsere beiden Helden gewissermaßen unbemerkt in ein Wespennest gestochen.
Südafrikas Realität
Deon Meyer schreibt nicht nur fiktive Thriller, sondern nutzt seine Romane auch dafür, den Zustand seiner Heimat Südafrika offenzulegen. Dabei inspirierten ihn die Gerüchte über den früheren libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, der angeblich riesige Geld- und Goldmengen bei seinem Präsidentenfreund in Südafrika verstecken ließ. Der Thriller ist eine ungeschminkte Kritik an den Zuständen in Südafrika und dennoch spürt man zwischen den Zeilen, wie sehr der Autor seine Heimat liebt und die Plünderung des Landes einschließlich der Korruption bis in die höchsten Kreise verabscheut.
„Die Stunde des Löwen“ beinhaltet wieder alles, was ich an der Reihe so liebe. Den Dialogwitz zwischen dem melancholischen Griessel und seinem Partner. Filmreife Action-Szenen, wie zum Beispiel im rasanten Showdown unter dem Einsatz von Flugzeugen, Motorrädern und einem rasendem Bennie, der pünktlich zu seiner Hochzeit erscheinen muss. Ein komplexer Plot, bei dem die beiden Erzählstränge fast bis zum Schluss nebeneinander herlaufen und man keine Ahnung hat, wie sie zusammenhängen. Und natürlich die Spannung von der ersten Seite an, wenn die Durchführung des abenteuerlichen Raubzuges geplant wird und ich den stimmungsvollen Thriller nicht aus der Hand legen konnte.
Foto und Rezension von Andy Ruhr.
Die Stunde des Löwen | Erschienen am 17. September 2024 bei Rütten & Loening
ISBN 978-3-352-01006-4
605 Seiten | 22,00 Euro
Originaltitel: Leo | Übersetzung aus dem Afrikaans von Stefanie Schäfer
Bibliografische Angaben & Leseprobe
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