Anna Johannsen | Das Mädchen am Strand
„Der Strandabschnitt war weiträumig abgesperrt und wurde auf jeder Seite von einem Polizisten überwacht. Im Laufen hob Lena ihren Ausweis, der Kollege nickte und hob das Absperrband für sie hoch. Um die Leiche, die in einer windgeschützten Mulde am Rand des Strandes lag, standen Arno Brandt und drei Polizisten der Suchmannschaft. Die Szene wirkte merkwürdig friedlich: Das Mädchen sitzend und leicht zur Seite geneigt, die Augen geschlossen, die Arme locker auf dem Schoß.“ (Auszug Seite 44)
Hauptkommissarin Lena Lorenzen macht eigentlich einen Kurzurlaub auf Amrum, wird dann aber gebeten, die Suche nach einem vermissten Mädchen auf der Nachbarinsel Föhr zu unterstützen. Die 14-jährige Maria ist von zu Hause verschwunden und wird am zweiten Tag der Suchaktion tot am Strand gefunden, mit aufgeschlitzten Pulsadern. Alles deutet also auf einen Suizid hin, auch die Tatsache, dass Marias Familie in einer streng religiösen Glaubensgemeinschaft lebt. Lena bleibt allerdings von Anfang an skeptisch und trifft bei ihren Befragungen auf großes Schweigen. Warum ist Maria weggelaufen? Wollte sie einfach nur den festen Regeln ihrer Religion entkommen oder steckt etwas ganz anderes dahinter?
Das Leben neben dem Beruf
Lena ist Mitte dreißig und arbeitet in Kiel beim LKA. Sie lebt im Moment in einer Fernbeziehung mit Erck, einem Freund aus Schultagen, dem sie vor kurzem wieder begegnet ist und der jetzt auf Amrum lebt. Erck stört es, dass beide sich nicht so oft sehen und wenn, dann trotzdem Lenas Job dazwischen funkt, wie in dieser Vermisstensache. Erck möchte eine Zukunft und Familie, Lena ist sich jedoch unsicher. Und dann ist einer der Flensburger Kollegen, die mit in dem Fall ermitteln, auch noch Ben, mit dem sie nach einem Seminar im Bett gelandet ist… Hier sind Grübeleien vorprogrammiert.
Viel Ermittlungsarbeit
Das Mädchen am Strand von Anna Johannsen ist der zweite Roman um die Kommissarin Lena Lorenzen. Bisher ermittelte die Protagonistin in fünf Fällen. Die Geschichte ist ein klassischer Kriminalroman, in dem es hauptsächlich um die Ermittlungen in dem Todesfall geht. Außer den Kollegen vor Ort bekommt Lena schnell noch weitere Unterstützung aus Flensburg und so koordiniert sie insgesamt drei Teams über die Insel. Es werden viele Befragungen geführt, mit den meisten Personen auch mehrmals, da sich eine Hülle des Schweigens um die Menschen im Umfeld von Maria bildet. Immer wieder zieht Lena sich auch mit Johann, einem Kollegen aus Flensburg, mit dem sie bereits in einem früheren Fall gut zusammengearbeitet hat, zurück und reflektiert die bisherigen Ergebnisse. Es dauert lange, bis es so etwas wie einen Verdächtigen gibt, doch dann kommt alles auf einmal!
Leichter Lesegenuss
Mir hat dieser Krimi Lesefreude bereitet, da eben nicht so sehr viel drum herum erzählt wird, sondern wirklich der Fall im Vordergrund steht. Lena ist für mich als Protagonistin eher flach geblieben, ich kann mich nicht besonders gut mit ihr identifizieren, richtig unsympathisch ist sie mir allerdings auch nicht. Ein bisschen Liebesgeschichte und Familienprobleme geben der Geschichte noch etwas Abwechslung. Das ist nichts wirklich Neues, stört aber auch nicht. Zweimal hatte ich erst das Gefühl, dass doch etwas zu viel Zufall eingewebt wurde, hat sich dann aber doch nicht bestätigt. Beim Ende habe ich ebenfalls erst vermutet, dass der Täter doch recht früh feststeht, aber glücklicherweise änderte sich auch das nochmal und es blieb bis zum Schluss spannend. Insgesamt liest sich die Handlung flüssig und schnell und ich konnte immer gut folgen. Außerdem kommt ein wunderschöner Schauplatz dazu und oftmals sortiert Lena ihre Gedanken im Watt oder im Strandkorb.
Fazit: Leichter, aber keinesfalls langweiliger Krimi mit bester Kulisse!
Anna Johannsen lebt seit ihrer Kindheit in Nordfriesland. Sie liebt die Landschaft und Menschen der Region, besonders verbunden ist sie den nordfriesischen Inseln, auf denen die Krimireihe »Die Inselkommissarin« spielt.
Rezension und Foto von Andrea Köster.
Das Mädchen am Strand | Erschienen am 6. Februar 2018 bei Edition M (Selfpublishing)
ISBN 978-1-50390144-0
350 Seiten | 9.99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe