Anja Mäderer | Einer flog über die Vogelsburg

Anja Mäderer | Einer flog über die Vogelsburg

Die Handlung dieses Romans ist in der Vogelsburg bei Volkach im unterfränkischen Landkreis Kitzingen angesiedelt, einer ehemaligen Klosteranlage, heute Hotel und Tagungsort. In Anja Mäderers Regionalkrimi ist die Vogelsburg umgewandelt in eine psychosomatische Klinik, hier befindet sich derzeit der Hauptprotagonist Will Klien wegen seiner Zwangsstörung in Therapie.

Protagonist ist der erwähnte Patient Will Klien, Diplom-Bibliothekar, Patient mit (Nomen est Omen) Waschzwang. Außerdem gehören nachfolgend genannte Personen zu einer (Tisch-)Gruppe in der Klinik, die im Verlauf der Handlung nicht nur zu Ermittlern werden, sondern die wir auch mit ihrer jeweiligen Lebensgeschichte näher kennenlernen werden.

  • Irmela, Patientin mit zwanghaftem Harmoniestreben
  • Holger, Patient mit hypochondrischen Zwangsgedanken
  • Anne, Patientin mit zwanghafter Kaufsucht
  • Mäuschen, Patientin mit diversen Angststörungen
  • Marie Patientin mit Depressionen

An seinem Tisch im Speisesaal, den sich Will mit den anderen Zwangs-Patienten teilt, erzählt Irmela, dass sie bei einem Spaziergang am Altmain die Bergung einer Wasserleiche beobachtet hat. Wie sich später herausstellt, handelt es sich ausgerechnet um Herrn Brunner, Bezugstherapeut von Will.

Der Fundort der Leiche in einer Bucht direkt gegenüber der Vogelsburg deutet darauf hin, dass der Täter ein Patient oder Mitarbeiter der Klinik sein könnte. Daher – und weil die Gruppe um Will Klien seit der polizeilichen Befragung kein besonders großes Vertrauen in den ermittelnden Kommissar hat – beschließen sie, selbst als Ermittler tätig zu werden. Leider führt das zu einem weiteren Todesfall. Ausgerechnet Will findet im Schwimmbad die in ihrem Blut liegende Leiche von Mäuschen und bekommt daraufhin eine Panikattacke. Das alleine wäre schon schlimm genug und bringt ihn auch für einige Zeit in die Klinik nach Würzburg, leider schließt jedoch der Kommissar aufgrund der Umstände fälschlicherweise auf Will als Mörder.

Jetzt erst recht

Die Gruppe intensiviert ihre Ermittlungsarbeit, allerdings nicht nur im Hinblick auf die Mördersuche. Hinzu kommen Morddrohungen gegen Holger, der dummerweise Spielschulden in einer in der Klinik stattfindenden geheimen Pokerrunde angehäuft hat. Die Gruppe ist also insgesamt gut beschäftigt und trotz diverser Zwänge letztlich erfolgreich. Die Aufklärung ist allerdings – besonders im Hinblick auf die Morde – auch sehr überraschend.

In weiteren Handlungssträngen dreht es sich auch um Ärzte der Klinik, die sich nicht unbedingt korrekt verhalten und die Folgen davon. Diese Handlungsbereiche werden immer wieder eingewoben und tragen am Ende auch zu der Auflösung bei.

Einer flog über die Vogelsburg ist für mich mehr ein Unterhaltungsroman als ein Krimi, auch wenn die Spannung durchaus vorhanden ist; einen Vergleich mit einem „normalen“ Krimi sollte man aber nicht versuchen.  Das ist auch gar nicht erforderlich, ich finde die Geschichte insgesamt sehr interessant, auch aufgrund der immer wieder eingeflochtenen Werdegänge der Patienten. Gut erkennbar ist, wie sehr die Autorin bestrebt ist, die durch ihre Zwänge beeinflussten Handlungen der Protagonisten zwar humorvoll, aber nie ins Lächerliche abgleitend und durchaus ernsthaft betrachtet zu schildern. Hier sind auch die jeweils zu Beginn der Kapitel aufgeführten Tagebuchseiten von Will erwähnenswert, die uns Lesern seine Person noch näher bringen.

Am Schluss des Buches hat die Autorin auch die für ihre umfangreichen Recherchen verwendeten Quellen aufgeführt. Von mir ein dickes Dankeschön für die intensive Arbeit um dieses doch nicht einfache Thema!

Alles in allem ein sehr lesenswertes Buch, bei dem ich auch die Überschriften der Kapitel noch besonders erwähnen möchte, ich finde sie sehr gelungen – und einige sind es durchaus wert, ab und zu zitiert zu werden!

Anja Mäderer, geboren 1991 in Gunzeshausen, Mittelfranken schrieb bereits mit 15 Jahren ihre ersten Kurzgeschichten, drei davon erschienen 2009 in der Anthologie „Nachtgespinst“. Mit ihren Kurzgeschichten gewann sie Preise in 2012 und 2015. In 2015 erschien dann mit Mainleid der erste Teil ihrer in Würzburg spielenden Krimireihe um die Kommissarin Nadja Gontscharowa, die Fortsetzung kam in 2016 mit dem Titel Mainschatten heraus. Mäderer absolvierte ein Lehramtsstudium in Würzburg und arbeitete als Deutschlehrerin für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Mittlerweile ist sie verheiratet und in einer Flüchtlingsunterkunft in München tätig.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

Einer flog über die Vogelsburg | Erschienen am 22. August 2019 im Emons Verlag
ISBN 978-3-7408-0658-3
352 Seiten | 11.90 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

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