Wolfgang Kaes | Spur 24

Wolfgang Kaes | Spur 24

„Schuhe oder Sandalen oder Socken fand man allerdings keine. Aber sie trug Ohrschmuck. Einen schlichten Stecker mit Perle an einem Ohr und außerdem so ein Gehänge, sieben Zentimeter lang, sehr auffällig.“
„Was schließen Sie daraus?“
„Gar nichts. Ich bin kein Kriminalbeamter, Frau Rausch. Ich war immer nur Schutzpolizist. Aber ich mache mir so meine Gedanken. Über Spur 24.“
„Was ist Spur 24?“ (Auszug Seite 191)

Ellen Rausch bekommt zufällig eine amtliche Bekanntmachung auf ihren Tisch. In dieser Bekanntmachung wird die seit 16 Jahren vermisste Ursula Gersdorff aufgefordert, sich zu melden, denn sonst wird sie für tot erklärt. Ellen arbeitet erst seit kurzem für den lokalen „Eifel-Kurier“ in Lärchtal als Journalistin. Mehr aus der Not heraus ist sie nach 31 Jahren zurück in ihr Heimatdorf in Nordrhein-Westfalen gekommen und mit der Bekanntmachung beginnen die Recherchen für ihren ersten Artikel. Wie kann es sein, dass jemand 16 Jahre lang als verschollen gilt und es kein Lebenszeichen von ihm gibt? Und sich auch keiner darüber wundert, in einem Dorf, in dem jeder jeden kennt?

Mit ihrer Recherche macht sich Ellen in Lärchtal nicht nur Freunde, denn die hohen Tiere der Gesellschaft sehen ihr geplantes Golfresort durch das Aufreißen alter Wunden in Gefahr. Das geht so weit, dass bei Ellen eingebrochen wird und sie Morddrohungen erhält. Und das alles, weil jemand scheinbar freiwillig aus seinem eigenen Leben verschwunden ist? Bei den Befragungen einiger Leute für die Artikel zu dieser Vermisstensache fallen Ellen nach und nach immer mehr Ungereimtheiten auf.

Ellen Rausch ist eine mit Preisen ausgezeichnete Journalistin. Sie wurde bekannt durch die Aufdeckung eines großen Pharmazie-Skandals. Ellen ist 49 Jahre alt und nach der Trennung von ihrem verheirateten Liebhaber zurück in ihre Heimat gekommen. Die Journalistin wohnt jetzt wieder in ihrem ehemaligen Elternhaus. Als Morgenritual macht Ellen häufig eine Einheit Thai-Chi-Qigong und aus ihrem früheren Großstadtleben hat sie fast nur ihre Espresso-Maschine mitgebracht.

Spur 24 von Wolfgang Kaes hat mir gut gefallen. Die Geschichte liest sich flüssig und besteht nicht einfach nur aus der Erzählung der Handlung, sondern wird immer mal wieder unterbrochen durch Zeitungsartikeln von Ellen, Ausdrucken, Briefen oder Definitionen zu Paragraphen. Dadurch wird der Text aufgelockert, was ich als sehr angenehm empfand. Die Protagonistin ist mir sehr sympathisch. Sie lässt sich durch nichts beirren und recherchiert weiter nach der Vermissten. Ich konnte mich gut in Ellen hineinversetzen. Die Sicht der Hinterbliebenen wird meiner Meinung nach gut beschrieben. Wie zermürbend es ist, wenn man als Angehöriger nicht weiß, wo derjenige ist und deshalb auch nicht mit den üblichen Trauer-Prozessen beginnen kann.

Die Spannung in diesem Buch ist überschaubar, aber ohne, dass es langweilig wird. Besonders interessant fand ich, dass der Autor im Nachwort erzählt, bei der Geschichte handelt es sich um eine wahre Begebenheit, die der Autor selbst so erlebt hat. Die Statistik sagt, dass allein in Deutschland 3.000 solcher Langzeitvermissten existieren.

Wolfgang Kaes wurde 1958 in der Eifel geboren. Nach seinem Studium der Politikwissenschaft, Kulturanthropologie und Pädagogik an der Universität Bonn war er zunächst als Polizeireporter für den Kölner Stadt-Anzeiger tätig. Er schrieb Reportagen für den STERN, das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt, das Zeitmagazin und andere. Heute ist er Chefreporter beim Bonner General-Anzeiger. Mit diesem Kriminalroman ist bereits das siebte Buch von Wolfgang Kaes erschienen.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

 

Spur 24 | Erschienen am 28. November 2014 bei Rowohlt
Die gelesene Taschenbuch-Ausgabe erschien am 27. November 2015 bei rororo im Rowohlt Verlag.
ISBN 978-3-49925-176-4
384 Seiten | 9,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

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