Kino: Erlösung nach Jussi Adler-Olsen
Auf dem Schreibtisch vom Sonderdezernat Q landet mal wieder ein alter Fall, in Form einer Flaschenpost. Diese enthält einen mit Blut geschriebenen Hilferuf eines vor Jahren entführten Jungen. Carl Mørck, sein syrisch-stämmiger Kollege Assad und die neue Kollegin Rose, die immer noch im Keller abgeschoben für die ‚toten Fälle‘ zuständig sind, nehmen die Sache ernst. Sie finden heraus, dass von den damals gekidnappten Brüdern nur einer wieder lebend auftauchte. Die Eltern des Jungen aber, Mitglieder einer christlichen Sekte, hatten ihn seltsamerweise gar nicht als vermisst gemeldet. Während das Sonderdezernat Q noch recherchiert, gehen Hinweise auf eine neue Kindesentführung in Jütland ein, wieder im Umfeld einer Sekte. Im Gegensatz zu den Ermittlern weiß man als Zuschauer von vornherein, wer hinter den Entführungen steckt. Die Spannung zieht der Film vielmehr aus dem Wettlauf mit der Zeit, da man hofft das jüngst entführte Geschwisterpaar noch lebend zu finden. Auch die erst allmählich enthüllten Motive des selbsternannten Missionars Johannes, der es auf Kinder aus tief religiösen Familien abgesehen hat, halten den Zuschauer in diesem temporeichen Katz- und Maus-Spiel bei der Stange.
Erlösung ist die dritte Leinwandadaption aus der Reihe um Carl Mørck des dänischen Schriftstellers Jussi Adler-Olsen. Sechs Bände gibt es bis jetzt der besonders in Deutschland beliebten Serie, und so verwundert es nicht, dass sich hier eine europäische Co-Produktion von Zentropa und ZDF um die Verfilmung bemüht. Grade noch im Urlaub in dem idyllischen Jütland war ich sehr gespannt auf die Umsetzung.
Erlösung – Flaschenpost von P wurde wie auch die anderen beiden Teile größtenteils in Hamburg gedreht. Allerdings führt diesmal der Norweger Hans Petter Moland Regie und löst damit den Dänen Mikkel Nøgaard ab, der die ersten beiden Teile inszenierte. Drehbuchautor Nikolaj Arcel kürzt die fast 600 Seiten lange Romanfassung um das Sonderdezernat Q erheblich und das ist meiner Meinung nach dramaturgisch sinnvoll. Der gelähmte Kollege Hardy sowie Mørcks Stiefsohn Jesper tauchen zum Beispiel nicht auf. Der Handlungsstrang um die Brandanschläge in Kopenhagen fehlt genauso wie die Schizophrenie von Assistentin Rose, die im Buch als ihre eigene Zwillingsschwester Yrsa im Präsidium auftaucht. Das fand ich im Roman schon etwas zu verwirrend.
Erlösung ist eine ganze Ecke brutaler als seine Vorgänger. Der Kindermörder Johannes tötet am liebsten mit einer Schere, die er genüsslich im Leib seiner Opfer aufschnappen lässt. Auch die Szene, als er einen kleinen Jungen minutenlang mit dem Kopf unter Wasser drückt, war für mich harter Tobak. Herausheben möchte ich hier den norwegischen Schauspieler Pål Sverre Hagen, der den wahnsinnigen Serienkiller großartig spielt. Er gibt den Teufel in Menschengestalt so diabolisch, dass sich mir oft die Nackenhaare aufstellten. In kurzen Flashbacks erfahren wir von seiner unglücklichen, religiös geprägten Kindheit, in der er schwer traumatisiert wurde.
Anfangs hatte ich meine Schwierigkeiten mit dem Schauspieler Nikolaj Lie Kaas, da ich mir Mørck im Buch optisch ganz anders, vor allen Dingen älter vorgestellt habe. Aber seine Darstellung des schroffen, verbitterten Kommissars, der seinen Glauben verloren hat, ist besonders im Zusammenspiel mit Fares Fares stimmig und glänzend besetzt. Zwischen den beiden stimmt die Chemie und sie geben ein großartiges Buddy-Duo ab. Der Film funktioniert durch die Beziehungsdynamik der beiden unterschiedlichen Ermittler. Hier die Frohnatur und Menschenfreund Assad und dort der depressive Schweiger Carl, die diesmal neben einigen wenigen Lachern auch ernsthafte, weltanschauliche Fragen diskutieren. Der Humor wird, dem düsteren Thema religiöser Fanatismus geschuldet, nur sehr knapp eingesetzt.
In einem einsamen Bootshaus am Wattenmeer kommt es zum Showdown zwischen dem diabolischen Psychopathen und dem schwermütigen Kommissar. Und es ist grade der teuflische Serienkiller, der Mørck vor Augen führt, dass er eben doch an etwas glaubt, nämlich dass er das Leben Unschuldiger retten kann. Diese Begegnung wird Mørck verändern.
Ein düsterer unglaublich spannender Thriller, typisch für einen skandinavischen Kinofilm, in dem neben vielen gelben Rapsfelder nicht mit Grausamkeiten gespart wird. Dank eines klug gestrafften Drehbuches und der herausragenden Leistung von Pål Sverre Hagen für mich der beste Teil der Filmreihe.
Nichts für schwache Nerven!
Rezension von Andy Ruhr.
Erlösung | Erscheinungsjahr 2016, Kinostart Deutschland: 9. Juni 2016
Drehbuch: Nicolaj Arcel
Vorlage: Jussi Adler-Olsen | Erlösung
Regisseur: Hans Petter Moland
Darsteller: Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Pål Sverre Hagen, Jakob Oftebro, Armin Rohde u. a.
Produktionsländer: Dänemark, Deutschland, Norwegen und Schweden
Laufzeit: 112 Minuten
FSK 16
Trailer
DVD und Blu-ray erscheinen voraussichtlich am 24. November 2016 bei Warner Home Video.
Danke an Der Audio Verlag für die Kinokarten!