Dirk Rühmann | Der Richter und sein Mörder
Für den pensionierten Richter Grünberg war Sylt schon immer mehr als bloß eine Urlaubsinsel. Nach dem Hauskauf ist sie nun sein ersehntes Altersrefugium. Allein die Vermietung von Gästezimmern soll ein wenig Abwechslung bringen. Mit dem Auftauchen der ersten Gäste bricht jedoch Unheil über das Haus in Morsum herein. Plötzlich haben Grünberg und seine Frau keine ruhige Minute mehr: Sie werden zu Gejagten in den eigenen vier Wänden.
Der Spannung versprechende Klappentext zu Dirk Rühmanns Sylt-Krimi »Der Richter und sein Mörder« sowie der Zusatz, dass es sich um ein Kammerspiel handele, machte mich neugierig. Zugegeben, ich bin nicht der typische Regionalkrimi-Leser, doch nach meinem Umzug nach Flensburg, also in die Nähe der „Königin der Nordseeinseln“ erschien mir dieser Krimi eine schöne Abwechslung zu meiner sonstigen Auswahl zu sein.
Peter Grünberg, Richter a.D., lebt seit seiner Pensionierung mit seiner Frau Anneliese im Eigenheim auf Sylt. Noch vor dem Hauskauf hatten sich beide überlegt, dass es eine gute Idee sei, Feriengäste aufzunehmen, um so die Pensionszahlungen etwas aufzustocken und gleichzeitig etwas Leben im Haus zu haben. Diesen Vorsatz setzen sie rasch um und befinden sich zu Beginn des Romans in Erwartung der ersten beiden Pensionsgäste, einer jungen Frau und einem ebenso allein reisenden Mann mittleren Alters. Voller Vorfreude auf diese neue Aufgabe bereiten sie alles liebevoll vor.
Kurz nach der Ankunft des ersten Gastes, der jungen Sonja Maybach, stellen sie ihre Idee allerdings schon in Frage, denn diese Frau Maybach macht einen doch zu lockeren Eindruck, als dass es für den Ruf ihres Hauses gut sein könnte. Peter stört sich weniger an dem frivolen Auftreten von Sonja Maybach – nun, das überraschte nicht wirklich.
Bald nach Sonja Maybach reist Ulrich Hahne, ein Nachtclubbetreiber aus Helmstedt, an. Auch er sorgt für Wirbel im Hause Grünberg, denn er macht weder aus seiner beruflichen Tätigkeit noch aus seinem achtzehnjährigen Gefängnisaufenthalt wegen zweifachen Mordes einen Hehl. Angeblich zu Unrecht wegen den Morden an seiner Ehefrau und Tochter verurteilt, bleibt er diesem Schwur treu.
Doch Anneliese Grünberg dämmert, dass es sich um mehr als Urlaubsaufenthalte handeln muss, denn zufälligerweise stammt ihr Gast Frau Maybach aus dem Umkreis von Hahnes Wohnort. Dazu liegt es für sie nah, dass die beiden Gäste – anders als vorgegeben – längst miteinander bekannt sind. Das frivole Auftreten von Frau Maybach passt aus Annelieses Sicht ganz gut zu dieser These, denn immerhin betreibt Ulrich Hahne einen Nachtclub, wo sich solche Damen bevorzugt betätigen.
Doch da ist noch etwas anderes, das sich schnell offenbart: Ulrich Hahne wurde einst von Peter Grünberg verurteilt. Dieser hält nach wie vor an der Richtigkeit des Urteilspruchs fest. Womit nun zwei Fronten – der Richter und sein Mörder – auf der beschaulichen Nordseeinsel Sylt erneut zusammentreffen. Doch wie passt Sonja Maybach ins Bild? Was führt Ulrich Hahne im Schilde? Daran, dass sich dieser zufällig bei „seinem Richter“ eingemietet hat, glaubt bald niemand mehr.
Dirk Rühmann nimmt den Leser mit nach Sylt – oder gefühlt – auf eine Insel. Denn leider ist es ihm trotz mehrfacher Landschafts- und Standortschilderungen nicht gelungen, ein charakteristisches Inselgefühl zu transportieren. Da ich nun kein Sylt-Fan bin, war das für mich nebensächlich. Die vielen bestätigten Vorurteile, die der Autor streut, fand ich hingegen etwas merkwürdig; hier sei zum Beispiel der FlipFlop tragendende Kommissar vom Festland genannt. Vollkommen überflüssig fand ich den detailreich beschriebenen Teil zum Sexualleben von Sonja Maybach. Ich verstehe die Zusammenhänge, die den Autor bewegt haben, dies einzuflechten, doch: Der Krimi wirkt im Nachhinein wie von vorne statt von hinten aufgezogen, als hätte er keine Geschichte gehabt, die er mit Leben füllt, sondern als hätte er sich Figuren erdacht und die Geschichte drauf los geschrieben.
Zugegeben, diese Kritik mag schwer wiegen, doch nichtsdestotrotz hat mich Dirk Rühmann relativ gut unterhalten. Die Rahmengeschichte finde ich gut, die Umsetzung gefiel mir hingegen nicht. Die Charaktere bleiben schwammig, die Handlungen sind zum Teil absurd und die Schlussfolgerungen des Kommissars hanebüchen. Dabei ist Dirk Rühmann stets um ein schönes und auch gutes Deutsch bemüht. Zu viele innere Monologe in Form von Gedankenspielen und Fragesätzen sind jedoch für einen erfahrenen Krimileser kein Genuss.
Fazit: Eine gute Urlaubslektüre für einen Kurztrip nach Sylt, mehr leider nicht.
Der Richter und sein Mörder | Erschienen im Juni 2014 im Schardt Verlag
184 Seiten | 12,80 Euro
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