Dietmar Lykk | Totenufer
„Er war offen für jedes Gespräch, gleichzeitig verspürte man aber auch seine Verschlossenheit. Dieses Lächeln, das ich oft an ihm beobachtet habe, war nicht Ausdruck von Lebensfreude, sondern das war die Gewissheit, dass er ein Leid in sich trug, das niemals jemand ermessen, geschweige denn erahnen könnte. Da er nie etwas Fröhliches, Erheiterndes von sich gegeben hat, fühlte ich mich bestätigt. Er trug ein ganz persönliches Geheimnis, das er mit niemandem teilen konnte.“ (Auszug Seite 263, eine der Nachbarinnen über Bertold Stein)
Kriminalhauptkommissar a. D. Bertold Stein wird tot in seinem Auto am Stadtrand von Kiel gefunden. Offensichtlich mit einem spitzen Gegenstand ermordet. Für die Ermittlungen werden die Herren Malbek, Vehrs, Lüthje und Frau Herning eingeteilt. Zuerst wird die Wohnung des Toten und das ehemalige Arbeitsumfeld beleuchtet. In seiner Matratze findet die Spurensicherung ein Bündel mit Einzahlungsbelegen, die Eintragungen sind leider schlecht zu lesen. Außerdem hat Stein an zwei ungelösten Fällen gearbeitet. In beiden Fällen ging es um ein Haus in Krattenbek. Bei der ersten Anklage hatte man eine beachtliche Waffensammlung im Keller gefunden und als das Haus Jahre später abgerissen werden sollte, fand sich in dem Kriegskeller nebenan eine Leiche, die damals nicht identifiziert werden konnte.
Zu den Ermittlungen um Stein werden außerdem seine Nachbarn befragt. Zwei Damen im Ruhestand, die jeweils auch eine Wohnung in dem Haus gekauft haben, in dem Stein wohnte, kannten ihn recht gut. Die beiden gehören zu einer Frauengruppe, die sie selbst gegründet haben. Sie nennen sich „das Kleeblatt“. Die anderen beiden Frauen dieser Gruppe wohnen außerhalb. Und so langsam ergeben sich Zusammenhänge. Die eine aus der Frauengruppe war Lehrerin und hat den Jungen im Gefängnis zu seinem Abitur verholfen, der damals wegen dem Waffenfund verhaftet wurde. Eine andere ist pensionierte Bilanzbuchhalterin und einer ihrer Mandanten war der Immobilien-Investor, der das Grundstück mit dem Leichenfund in Krattenbek gekauft hat. Und der verhaftete Junge ist der Sohn des Immobilien-Investors. Wie hängen die vier Damen, die beiden ungelösten Fälle und der Tod von Stein zusammen?
Totenufer von Dietmar Lykk hat mir sehr gut gefallen. Es ist bisher der beste Küsten-Krimi, den ich aus dem Emons-Verlag gelesen habe. Es handelt sich um einen typischen Kriminalroman, der sich ausschließlich auf die Ermittlungen konzentriert. Es wird sehr wenig Privates der Ermittler erzählt, das finde ich etwas schade. Der rote Faden wird hier definitiv nicht aus den Augen verloren und es wird nichts Nebensächliches geschildert. Das finde ich einerseits gut, da der Roman dadurch nicht langatmig wird, aber andererseits können Lebensumstände der Ermittler auch interessant sein. Außerdem kann der Leser sich dann noch etwas mehr in die Kommissare hineinversetzen und sie werden meist sympathischer. Die Todesursachen sind nicht brutal und auch der Obduktionsbericht ist nicht sehr blutig. Der Krimi ist also eher „leichte Kost“. Die Spannungskurve ist sehr erträglich, aber die Geschichte ist keineswegs langweilig. Ich konnte das Buch aber zu jeder Zeit aus der Hand legen, ohne dass ich verrückt geworden wäre, weil ich nicht weiß, wie es weitergeht. Die Kapitel sind also in sich abgeschlossen. Mit dem Ende habe ich aber so nicht gerechnet.
Dietmar Lykk wurde 1949 in Kiel geboren und studierte dort und in Hamburg Rechtswissenschaften, Soziologie und Philosophie. Jetzt lebt und arbeitet er in Flensburg. Vor fünf Jahren hat der Autor die Reihe um den Kommissar Eric Lüthje gestartet. Mittlerweile sind davon sieben Bücher erschienen. Dieser Roman gehört nicht dazu. Lüthje ist hier lediglich ein hinzugezogener Ermittler.
Mir stellt sich nach jedem Buch die Frage, warum trägt der Roman diesen Titel. In diesem Fall wohl, um den Bezug zum Küsten-Krimi zu schaffen und außerdem, weil jeder Roman des Autors mit „Toten“ anfängt. Sehr passend finde ich den Titel zu dieser Geschichte allerdings nicht.
Rezension und Foto von Andrea Köster.
Totenufer | Erschienen am 21. Juli 2016 bei Emons
ISBN 978-3-95451-949-1
336 Seiten | 11,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe
One Reply to “Dietmar Lykk | Totenufer”
Auch wenn es ein ruhiger Krimi ist (irgendwann brauch man auch mal so etwas) lockt mich das Buch. Vor allem „das Kleeblatt“ hat mich neugierig gemacht. So eine Idee hatte ich noch nicht und deine Bemerkung, dass es dich trotz einiger kleine Kritikpunkte sehr gut unterhalten hat.
Ich merks mir mal vor 😀