Christian von Ditfurth | Giftflut

Christian von Ditfurth | Giftflut

„Wenn jemand den Westen zerstören will, würde er dieses Programm fahren“, sagte de Bodt.
„Aber wer will den Westen zerstören? Davon quatschen die in der Glotze dauernd.“
„Die Chinesen nicht, die Russen nicht. Die Islamisten natürlich. Aber die können es nicht. Wer will den Westen zerstören, und wer kann es auch?“
Salinger schwieg eine Weile. „Was heißt eigentlich den Westen zerstören?“
„Bomben zerstören Menschen und Gebäude. Aber nicht die Demokratie. Was oder wer die hiesige Demokratie zerstört, das sind eher die Regierungen. Maßnahmen, die die Sicherheit nicht erhöhen, aber Rechte aushöhlen.“
[…] „Wir drehen uns im Kreis. Wir sollten uns darauf konzentrieren, wer so eine Operation durchziehen kann“, sagte de Bodt. (Auszug Seiten 184-185)


In Berlin wird die Oberbaumbrücke Ziel eines Spengstoffanschlags, wenig später auch eine Seinebrücke in Paris und die Tower Bridge in London in die Luft gejagt. Sehr planmäßig durchgeführte Anschläge, die Hunderte von Todesopfern fordern. Das Seltsame: Den Anschlägen gingen jeweils Doppelmorde an leitenden Angestellten der städtischen Wasserwerke voraus. Hauptkommissar de Bodt versucht unter großem Einsatz, die Verbindung zwischen den Taten zu ziehen, um weitere Anschläge zu verhindern.

De Bodt scheut sich nicht, auch den von ihm inhaftierten Supergangster Robert Wedenstein um Rat zu fragen und ihm einen Deal anzubieten. Zudem kommt es zu einer engen Zusammenarbeit mit dem französischen Kollegen Lebranc, der in seiner Behörde ähnlich isoliert ist wie de Bodt. Er selbst legt sich wieder mit der gesamten Riege der Sicherheitsbehörden an und doch scheint er diesmal an seine Grenzen zu gelangen, denn der Gegner verfügt über schier unglaubliche Ressourcen. Die Anschläge stoßen die betroffene Länder in große Krisen, die Angst in der Bevölkerung wächst, die Wirtschaft bricht ein, die Zeit der Populisten bricht an. Wer könnte von diesen Entwicklungen profitieren?

Giftflut ist der dritte Teil der Reihe um den LKA-Hauptkommissar Eugen de Bodt und sein Team Silvia Salinger und Ali Yussuf. De Bodt habe ich schon bei einer vorherigen Rezension als „Laus im Pelz des Beamtenapparates“ bezeichnet. Er ist ein exzellenter Polizist, der unkonventionelle Methoden verfolgt und damit großen Erfolg hat. Damit zieht er natürlich Neider auf sich. Durch seine selbstbewusst-arrogante Art wird dies natürlich noch verstärkt. De Both ist nicht gewillt, sich den üblichen Gepflogenheiten des Systems zu unterwerfen, hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg und stößt Vorgesetzten vor den Kopf. Er weiß aber nur zu gut, dass sie hinter seinem Rücken die Messer wetzen und nur auf einen Misserfolg von ihm warten. Privat knistert es immer noch zwischen de Bodt und seiner Oberkommissarin Salinger, aber sie kommen auch dieses Mal nicht zusammen. Was auch daran liegt, dass de Both sich dieses Mal einer Venusfalle erwehren muss. Erfreulich fand ich das Wiedersehen mit Konstantin Merkow, dem russischen Spezialagenten aus dem zweiten Band Zwei Sekunden.

Christian v. Ditfurth schreibt diesen Thriller in einem hohen Tempo. Die Kapitel sind kurz, die Perspektiven wechseln rasch, der Stil ist extrem verknappt, die Dialoge knackig, der Ton teilweise ironisch-spöttisch. Das macht wirklich Spaß. Zudem sind die Thematiken höchst aktuell. Giftflut ist ein rasanter Thriller, der zwar dick aufträgt und überspitzt, der aber keinesfalls als Verschwörungstheorie abgehakt werden sollte. Vielmehr zeigt von Difurth hier überzeugend auf, aus welcher Richtung wirkliche Gefahr für das Gemeinwesen und soziale Miteinander droht. Vorsicht vor allzu schnellen Vermutungen! Der IS ist es nicht, die Russen nicht und die Flüchtlinge auch nicht.

Noch am Abend fuhren sie zum neuen EZB-Hochhaus im Ostend. De Bodt blickte die Stahl-Glas-Silhouette hoch. Da saßen die Herren, die die Sparer mit Minuszinsen ausnahmen, um die Banken zu retten. Die sich selbst in den Abgrund gezockt hatten. Sie versenkten jetzt die kleinen Leute. Für die Boni-Zauberer. Und des Finanzministers schwarze Null. Den neuen Fetisch. „Es ist pervers“, sagte Yussuf. „Von mir aus können die den Laden in den Main sprengen.“ (Seite 338)

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

 

Giftflut | Erschienen am 4. September 2017 bei Carl’s Books
ISBN 978-3-570-58565-8
480 Seiten | 15.- Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Gunnars Rezension zu Christian von Ditfurths Roman Zwei Sekunden.

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