Lesung: Heinz Strunk | Der goldene Handschuh
Nachdem ich sein Opus Magnum Der goldene Handschuh gelesen hatte, war ich Ende Mai in Köln bei der Lesung. Ich war sehr gespannt, wie der mir nur aus seinen Gastauftritten bei extra 3 bekannte fahrige Typ live wirkt. Eine Lesung eines Schnellnuschlers mit Entertainerqualitäten, darauf war ich eingestellt.
Das Gloria Köln ist ein überschaubarer Theatersaal mit einer hübschen Theke im Rücken der Zuschauer, gegenüber der Bühne. Auftritt Heinz Strunk: rasender Applaus. Er kommt direkt mit seiner Querflöte – hat er studiert – und man darf sich also schon darauf einstellen, dass es keine normale Lesung wird. Das betont er dann auch gleich, als er seinen Zettelstapel erklärt, denn nur schlechte Autoren läsen aus ihren Büchern, die guten vom Zettel. Wieder was gelernt, oder auch nicht.
Mathias Halfpape, so der bürgerliche Name Heinz Strunks, startet mit einem Überblick über den Fall Honka und erzählt etwas zur Entstehung und zum Aufbau des Buches. Im Grunde alles sehr interessant und informativ, doch ich hatte im Vorfeld ein Video von ihm gesehen, er zu Gast bei Willkommen Österreich. Nachdem ich die dritte Pointe auch schon kannte, war ich etwas enttäuscht. Klar, nicht jeder Gag wird erst auf den Lesungen erfunden, doch die Formulierungen waren so 1:1, dass meine Hoffnung schwand, noch mehr über den Serienmörder Fritz Honka zu erfahren, als ich bisher aus Dokumentationen, Texten und natürlich Strunks True Crime Roman wusste. Denn auch was er an Fakten brachte, kannte ich schon.
Ein bisschen kam noch, dann wurde mit viel Tamtam eine meiner unliebsamsten Stellen des Buches in Szene gesetzt vorgetragen – ausgerechnet die Bootszene, auf der Fiete dem sabbelden Touristenführer an den Lippen hängt – und schlussendlich spielte Strunk Fietes Lieblingslied auf der Querflöte. Das war gar nicht mal so übel. Doch dass ich fast alle Pointen schon kannte, ohne wirklich viel vorher gesehen zu haben, hat mich doch enttäuscht.
Nach einer Lesung strömt man entweder nach Hause oder wartet darauf, dass der Künstler sich noch die Ehre und den Fans Autogramme gibt. Hat er gemacht, etwas erschöpft und ausgelaugt. Überhaupt, dieser klare Blick auf die Person Mathias Halfpape hat mich in dem bestätigt, was ich schon immer geahnt habe: Der Typ ist ganz schön ambivalent. Sein Outfit sitzt tadellos und die schnieken Stiefeletten und das sauber gebügelte weiße Hemd mit den glänzenden Manschettenknöpfen zeigen den guten Geschmack des Trägers. Andererseits trägt er sein Hemd „oben offen“, sodass seine verwaschenen Tattoos zu sehen sind. Die passen zu seinem müden Gesicht, das mir doch noch ein Lächeln schenkte, als ich ihm einen schönen Abend wünschte.
Weiterlesen: Rezension zu Heinz Strunks Der goldene Handschuh
3 Replies to “Lesung: Heinz Strunk | Der goldene Handschuh”
………denn nur schlechte Autoren läsen aus ihren Büchern, die guten vom Zettel.
Als Gag gebracht: gut. Wenn nicht, dann hat er keine Ahnung von dem Terrain, auf dem er sich bewegt.
Das weiß nur er und der liebe Gott;-) Kann ich wirklich nicht sagen. Dass er aber keine Ahnung hat, wage ich ein klein wenig anzuzweifeln.
Liebe Nora, ich möchte dem Spruch nicht allzu viel Bedeutung beimessen – der Begriff „Terrain“ bezog sich auf Autorenlesungen.
Das aber sei erwähnt. Seit 1964/5 habe ich viele Lesungen erlebt – an eine der ersten – Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein – kann ich mich noch sehr genau erinnern, auch an die vieler anderer Autor*innen. Ich erlebte dabei Eloquente, Verklemmte und Arrogante, Leser*innen, die nur an ihrem gedruckten Text klebten, andere, die überwiegend von den Meerschweinchen ihrer Kinder und den Reitkünsten der Gattin erzählten. Geniale Nobelpreisträger und Teilnehmer, die ihren missglückten Versuch aus dem letzten Kurses für kreatives Schreiben vorstellten. Hochgejubelte, Unterschätzte, viele „Normalos“. Eine gewisse Bandbreite also.
Zurückblickend erkenne ich nicht, dass die Form des Papiers, von dem gelesen wurde, in Zusammenhang mit der Qualität des Textes und dem Können der Autor*innen gestanden hat.