Dominique Manotti | Schwarzes Gold
Daquin streckt die Beine aus, schließt die Augen. Zampa, das Erbe der Guérinis, Pieris Ermordung, Nizza, Casino im Palais de la Méditerranée. Kein Zufall. Aber welcher Zusammenhang? Er seufzt.
„Marseille ist eine furchterregende Stadt. Alle kenne sich, alle überwachen einander, nichts bleibt verborgen und nichts kommt ans Licht.“
„Ich sag’s mal anders: Es ist eine bemerkenswerte Stadt, was die Dichte des Geflechts ihrer sozialen Beziehungen angeht.“ (Auszug Seite 66)
Commissaire Duquin kommt gerade frisch im Kommissariat in Marseille zu seiner ersten richtigen Stelle an, als ihm der Mord am Reeder Pieri zugeteilt wird. Pieri wurde vor einem Casino in Nizza professionell hingerichtet. Der Tote war vorher eine Zeit lang auch für den ehemaligen Unterweltkönig Guérini tätig und ist nun Geschäftsführer der Somar, einer erfolgreichen Reederei. Die Tat riecht nach einer alten Abrechnung im Milieu und doch ist Duquin davon nicht überzeugt. Kurz darauf wird auch die Nummer Zwei bei Somar ermordet und in Istanbul stirbt der Kapitän eines Somar-Frachters auf merkwürdige Weise. Fünfzehn Tage haben Duquin und sein Team Zeit, eine Anklage auf die Beine zu stellen, sonst wird der Fall als Mord im Milieu zu den Akten gelegt.
Duquin (den Manotti bereits in ihren frühen Romanen benutzt hat) hat zwei Anhaltspunkte: Wie hat Pieris Firma Somar diesen enormen Höhenflug hingelegt und das bei der allgemeinen Marseiller Rezession? Und welche Rolle spielt der Rohstofftrader Michael Frickx, dessen Frau Emily Begleitung von Pieri bei dessen Ermordung war und der beim Mord an Pieris Stellvertreter Simon am Flughafen Nizza kurz zuvor dort gelandet war? Duquin hat zudem als Neuankömmling in Marseille einige Schwierigkeiten, sich in diesem Moloch und den undurchsichtigen Netzwerken aus Amtsträgern, Polizei, Geschäfts- und Unterwelt zurechtfinden. Hinzu kommt, dass er seine Homosexualität in dieser Stadt der Machos nicht offen ausleben kann.
„In der Unternehmenswelt gibt es nur ein einziges unumstößliches Gesetz: Geld zu verdienen. Die durch die Gesetzgebung gezogenen Grenzen sind sehr viel vager. Sie variieren je nach Land, je nachdem, welche Mehrheit an der Macht ist. Das Risiko, das man bei ihrer Übertretung eingeht, wird kalkuliert wie jedes andere Geschäftsrisiko, nicht mehr und nicht weniger. Und die Entscheidung, sie zu übertreten oder nicht, hängt von dieser Kalkulation ab, nicht von moralischen Prinzipien. Dabei kann man sich vertun, aber das ist dann ein Rechenfehler, keine moralische Verfehlung.“ (Seite 129-130)
Da habe ich gerade meine Ambler-Lesezeit hinter mir und die geballte Ladung Kapitalismuskritik abbekommen und wer läuft mir da über den Weg? Dominique Manotti. Die Französin ist zwar ungekrönte Königin des Roman noir, hat aber erst relativ spät mit dem Schreiben begonnen. Manotti ist nämlich auch Historikerin, lehrte Wirtschaftsgeschichte und war Gewerkschafterin. Das macht verständlich, dass Manotti gern (wie Ambler) die unheilvolle Allianz von Politik, Wirtschaft und Verbrechen in ihren tiefschwarzen Krimis beschreibt. Manotti schreibt wie gewohnt kühl und präzise. Wo andere sich in Nebensätzen verlieren, schreibt sie kein Wort zu viel. Ganz stringent treibt sie die Geschichte im Präsens voran.
In Schwarzes Gold geht es, wie der Titel schon sagt, ums Erdöl. Wir schreiben das Frühjahr 1973, noch vor der ersten Ölkrise im Herbst 1973. Das Kartell der Sieben Schwestern, die größten Ölkonzerne, beherrscht den Weltmarkt, diktiert die Preise und hat das Verkaufsmonopol. Mit der OPEC hat sich allerdings ein Gegengewicht in Stellung gebracht. Doch auch innerhalb der OPEC gibt es verschiedene Lager. Der Iran versucht beispielsweise, Erdöl „illegal“ und in Eigenregie zu verkaufen. Doch dafür braucht man findige Logistiker. Da trifft es sich gut, dass in Marseille gerade die „French Connection“, der Heroinschmuggel in die USA, zerschlagen wurde. Noch liegt der Ölpreis bei knapp drei Dollar pro Barrel, aber da ist noch eine Menge Luft nach oben. Ein Milliardengeschäft. Eigentlich zwangsläufig, dass da irgendwann die ersten Leichen anfallen.
Gibt es eigentlich auch schwache Bücher von Dominique Manotti? Mir ist jedenfalls noch keins begegnet. Auch Schwarzes Gold ist wieder ein starkes Stück Kriminalliteratur, spannend, politisch, intelligent n und natürlich „noir“.
Rezension und Foto von Gunnar Wolters.
Schwarzes Gold | Erschienen am 18.04.2016 im Argument Verlag
ISBN 978-3-86754-213-5
384 Seiten | 19,- Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe
3 Replies to “Dominique Manotti | Schwarzes Gold”
Allein der Titel würde mich in einer Buchhandlung nicht unbedingt sofort zugreifen lassen, aber diese Rezension hinterlässt einen interessanten Eindruck.
Danke. Ich finde allerdings, dass das minimalistische Cover in diesem Fall ein echter Hingucker ist.
Ich finde die Art der Covers im Argumentverlag sowieso sehr gelungen. Ich war fast schon ein wenig enttäuscht, als „Tal des Schweigens“ von Malla Nunn anders aussah und aus dem Schema heraustritt.
Ich kann den üblichen Krimicovern aber auch nicht mehr sehr viel abgewinnen – zum Glück gibt es einige Verlage, die das auch so sehen und hier wirklich tolle Ideen präsentieren.
Ich hab auch noch kein schlechtes Buch von Manotti gelesen – aber ich kenn auch noch nicht alle. 🙂
Wobei ich mal vermute, dass die Qualität hier durchgängig gut ist. Bei mir folgt auch bald „Schwarzes Gold“ – jetzt bin ich noch mehr gespannt!