Sven Koch | Dünenkiller

Sven Koch | Dünenkiller

Ostfriesische Küste: Ein Geisterschiff auf der Nordsee, eine Yacht mit drei Toten und einer Überlebenden an Bord, die kein Wort spricht: Ein mysteriöser Fall für die Sondereinheit des LKA Niedersachen rund um die Ermittler Femke Folkmer und Kriminalhauptkommissar Tjark Wolf. Die Toten scheinen zu einer Gesellschaft zu gehören, die Offshore-Windparks betreibt. Zunächst glaubt die Polizei, die Überlebende sei die Täterin, alles deutet auf ein Eifersuchtsdrama hin. Doch als ein Mordanschlag auf die junge Frau verübt wird, ist klar: Es geht hier um etwas völlig anderes …

Eine havarierte Charteryacht treibt nach einem Feuer an Bord auf der Nordsee, unter Deck drei männliche Leichen, erschossen, sowie eine schwer verwundete Frau, ebenfalls mit Schusswunden. Ein unübersichtliches Szenario, eine rätselhafte Tat: Wer hat auf wen geschossen, in welcher Reihenfolge, aus welchem Grund? Die „fantastic four“ Tjark Wolf, Femke Folkmers, Fred und die Leiterin der Gruppe, Ceylan Özer, vielen Lesern sicher bekannt aus den Vorläufern des aktuellen Romans (siehe auch Rezension zu Dünentod), sind zurückgekehrt als SOK, „Sonderkommission organisierte Kriminalität“. Die vier werden seltsamerweise mit der Aufklärung des vertrackten Falles befasst und beißen sich bei der Suche nach einer Lösung die Zähne aus. Klar ist, die drei toten Männer waren offenbar Geschäftsfreunde, die mit dem Segeltörn als Prämie für ihre erfolgreiche Arbeit an einem Windpark-Großprojekt belohnt wurden. Ob die unbekannte Frau Teil der Belohnung war, eine Prostituierte aus Osteuropa, wie die Ermittler annehmen, kann zunächst nicht geklärt werden. Die traumatisierte Frau versteht offenbar kaum deutsch und spricht mit niemandem.

Daher sind die Polizisten zunächst auf Spekulationen angewiesen und spielen immer wieder neue Varianten des möglichen Geschehens durch, entwickeln absurde Theorien, entwerfen hanebüchene Gedankenspiele und drehen sich ohne greifbare Ergebnisse im Kreis. Diese Versuche der SOK, den Tathergang zu rekonstruieren, sind auch für den Leser anstrengend, weil über viele Seiten und Kapitel hinweg Wiederholungen, Zusammenfassungen, ein Wiederkäuen der immer gleichen Fragen und Antworten und das Ausmalen und Darlegen noch der kleinsten Details den Plot strecken. So wird aus einem an sich recht klug ausgedachten und gut konstruierten Plot, geradlinig, plausibel und daher durchaus auch glaubwürdig, eine Geschichte, die nicht auf den Punkt kommt, die sich häufig in Nebensächlichem und Belanglosem verliert und durch verzögern und verschleppen den Leser ungeduldig werden lässt.

Hinzu kommt, dass es wenige Überraschungen gibt, keine unverhofften Wendungen oder unerwartete Ereignisse, die Geschichte bleibt weitgehend vorhersehbar. Es zeigt sich, dass die Überlegungen der Ermittler zu kurz gegriffen waren und hinter den dramatischen Ereignissen an Bord der Yacht doch mehr steckt als eine Eifersuchts- oder Beziehungstat unter Kollegen und Geschäftspartnern. Die vermeintliche Prostituierte spielt eine völlig andere Rolle in einer letztlich globalen Verstrickung von einflussreichen und mächtigen Wirtschaftsbossen, Bankern, Politikern und Bossen des organisierten Verbrechens in ein ganz großes Ding, bei dem es um Milliarden geht und bei dem die Drahtzieher kein Erbarmen kennen.

Die Mitglieder der SOK sind also letzten Endes doch die richtigen Ermittler, auch wenn man den vier Haudegen plötzlich die Zuständigkeit absprechen will. So kämpfen sie mit zweifelhaften Methoden und mit unkonventioneller Auslegung der Vorschriften und Gesetze gegen skrupellose und übermächtige Gegner. Die Geschichte legt an Tempo und Intensität deutlich zu, je mehr es dem Ende zugeht und je näher die Beteiligten am Geschehen sich kommen. Wenn es bisher viele Längen gab und einige abgedroschene Bilder und Redewendungen, hinkende Vergleiche und Klischees, sperrige und gestelzte Ausdrücke den Lesespaß deutlich dämpften, so entschädigt das toll inszenierte Ende wieder einigermaßen mit dem Autor und seinem dritten Buch um die Küsten-Polizisten.

Das Finale auf einem Offshore-Umspannwerk bietet mit Hubschraubern, Rettungsbooten, jeder Menge Action und Ballerei an einem spektakulären Schauplatz wieder ganz großes Kino wie von Sven Koch gewohnt. Das Gute siegt wieder einmal auf der ganzen Linie, die im Übrigen ausgezeichnet und sehr eindringlich und überzeugend geschilderten Superbösen bekommen ihren gerechten Lohn, und die Guten, die „fantastic four“ bleiben zurück mit ihren persönlichen Sorgen und Nöten. Die kennt der versierte Leser der „Dünen“-Reihe schon zu Genüge, und offensichtlich bleiben sie, so wie man sie kennt erhalten, auch wenn sich im Privatleben der Protagonisten Veränderungen andeuten. Es scheint mit den bewährten Versatzstücken nach bekanntem Muster weiterzugehen, mit der merkwürdigen Vermischung von Dienstlichem und Privaten, mit den teils schwierigen Beziehungen untereinander oder mit dem Partner und mit den Dämonen der Vergangenheit.

So wird wohl auch im kommenden Jahr irgendjemand ins Dünengras beißen müssen und wahrscheinlich werde ich auch ins nächste Buch wieder hineinschauen, in der Hoffnung, dass die Geschichte dann straffer und zügiger erzählt wird und die Szenen aus dem Privatleben der Helden Neues zu bieten haben, nicht den immer gleichen Alltag mit ewigen Stereotypen abbilden, die allmählich langweilen. Für den Dünenkiller jedenfalls wieder nur drei Sterne.

 

Rezension von Kurt Schäfer.

 

Dünenkiller_b

Dünenkiller | Erschienen am 4. Mai 2015 bei Droemer Knaur
ISBN 978-3-426-51633-1
432 Seiten | 8,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Kurts Rezension zu Dünentod, dem zweiten Teil der Reihe.

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