Matt Burgess | Cops

Matt Burgess | Cops

Und drüben im eigentlichen Haus der Lügen am Police Plaza in Downtown Manhattan erzählten die Hohen Tiere des NYPD jungen, ambitionierten Bullen, die wie Janice einer Minderheit angehörten, dass sie automatisch zum Detective befördert würden, sollten sie achtzehn Monate als Undercover-Ermittler im Drogenmilieu durchstehen. Dass sie zusehen können, wie ihre silberne Dienstmarke golden wurde… Aber das sei noch nicht alles! Handeln Sie jetzt, bewähren Sie sich weitere achtzehn Monate, ohne getötet zu werden, und Sie zu den Drogen-Ermittlern wechseln, nicht bloß ein Job, der sicherer ist, sondern gleichzeitig ein Riesensprung in Richtung obere Etagen der Dezernate Kapitalverbrechen, Sexualdelikte, Mord und Terrorismusbekämpfung – Einheiten, die jene Sorte Geschichte schreiben, aus denen Filme gemacht werden. (Auszug Seite 28)

Janice Itwaru ist ein sogenannter „uncle“, ein Undercover-Cop, der sich als Junkie ausgibt, um Dealer hochgehen zu lassen. Der Job auf der Straße ist hart und gefährlich, doch es winkt nach achtzehn Monaten die Beförderung. Janice und ihre Kollegen werden von ihren Vorgesetzten stark unter Druck gesetzt. Vier Käufe (und anschließende Festnahmen) soll Janice diesen Monat verbuchen, sonst kann sie sich direkt wieder beim Streifendienst melden.

Queens, New York: Ein lebhafter, heterogener Stadtbezirk. Selbst für New Yorker Verhältnisse leben hier sehr viele verschiedene Ethnien zusammen, Afroamerikaner, Weiße, Latinos, aber auch viele Asiaten. Die Hauptschlagader ist die Roosevelt Avenue (Janice würde Ruhs-ah-welt sagen), vor allem in kulinarischer Hinsicht. Die Subway Nr. 7 rauscht als Hochbahn durch weite Teile des Stadtteils. Der Autor Matt Burgess wuchs in Jackson Heights, Queens, auf und nimmt den Leser mit auf eine authentische Tour durch die Straßen seiner Heimat.

Naturgemäß werden hier auch eine Menge Drogen vertickt und so setzt das Drogendezernat verdeckte Ermittler als Scheinkäufer ein, die „uncles“. Als Schutz ist immer ein Kollege als „Schatten“ in Sichtweite, weitere Detectives sind über Funk direkt erreichbar, um den Zugriff zu machen. Dennoch ist das Risiko für den „uncle“ extrem groß, denn es gibt immer wieder brenzlige Situationen, in denen die Enttarnung droht. Zudem müssen die Undercover-Cops immer wieder ihr Revier wechseln, denn irgendwann sind sie „verbrannt“ und können so kaum Käufe anbandeln. Gleichzeitig werden die Polizisten intern massiv unter Druck gesetzt. Es wird sogar ein „Käufetafel“ installiert, um Erfolg und Misserfolg zu dokumentieren. Auch läuft nicht immer alles sauber im Dezernat, so dass täglich eine Ermittlung der Innenrevision befürchtet wird.

Protagonistin Janice Atwaru ist eine junge Polizistin Mitte Zwanzig, die die harte Schule des Drogendezernats durchläuft. Sie wohnt in Queens und ist genauso bunt wie der Bezirk: Vater Afroamerikaner, Mutter Guyanerin indischer Abstammung. Janice ist eine taffe, kluge, aber auch ungestüme und verletzliche junge Frau. Sie hat nicht nur Druck auf der Arbeit, sondern vor allem auch familiär. Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen, bei der in relativ jungen Jahren schon die Demenz einsetzt. Zudem hat sie sich seit Jahren nicht mit ihrem Vater ausgesöhnt, der damals betrunken seine Frau geschlagen und schließlich die Familie für eine andere verlassen hat.

Grimes kam barfuss und gähnend in die Teeküche geschlurft, in seinem weißen Pyjama und schlaff herabhängender Schlafmütze. Seine Augen waren halb geschlossen. […] Grimes schüttete neun dieser Kondensmilch-Döschen – neun, Janice zählte mit – in den Becher, den er dann für exakt 21 Sekunden in die Mikrowelle stellte. […]
„Wir arbeiten schon mit einem ganzen Haufen Arschlöcher zusammen, oder, Sarge?“, fragte Gonz.
„Mal nicht immer alles so schwarz“, ermahnte ihn Hart. (Seite 337 bis 338)

Eigentlich stimmen die Zutaten zu diesem Polizeiroman und dennoch konnte mich die Umsetzung nicht so richtig überzeugen. So stimmig der Autor die Atmosphäre in Queens auch rüberbringt – ansonsten gibt es aus meiner Sicht ziemlich viel Leerlauf. Spannung kommt nur rudimentär auf, im Gegenteil: Janices Vaterkomplex sorgte bei mir oft für gepflegte Langeweile. Und als schließlich doch noch die Innenrevision auftaucht und Janice in Bedrängnis bringt, sind nur noch 60 Seiten übrig. Was zudem auf die Dauer nervte: Die Beamten des als „Affenstall“ bekannten Drogendezernats machen dem Spitznamen alle Ehre. Natürlich entwickeln Polizeireviere in Romanen oft ein merkwürdiges Eigenleben, aber die Polizisten hier benehmen sich teilweise extrem infantil. Trauriger Höhepunkt ist eine absurde Slapstick-Nummer, als fünf Zivilpolizisten in einem Auto unter großem Zeitdruck durch die Gegend rasen, ein Cop in eine Tüte pinkelt und diese sich dann bei der versuchten Entsorgung auf Janices Schoß entleert.

Cops – ein Coproman aus New York, der meine Erwartungen nicht erfüllen konnte. Zu oft werden die gelungenen Schilderungen des täglichen Kampfes eines Drogenermittler auf den Straßen von Queens von pubertärem Gerangel auf der Dienststelle und den in die Länge gezogenen Familienproblemen der Hauptfigur unterbrochen.

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

 

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Cops | Erschienen am 24. Oktober 2015 im Suhrkamp Verlag
ISBN 978-3-518-46629-2
392 Seiten | 15,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmen des Mini-Spezials Ein langes Wochenende mit … Cops aus New York.

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