Kategorie: Aktenzeichen

Fred Vargas | Der Zorn der Einsiedlerin

Fred Vargas | Der Zorn der Einsiedlerin

„Nehmen wir an, unser Mörder hat sich eine kleine Sammlung von Einsiedlerspinnen zugelegt. Er packt zwei oder vier davon in einen Schuh, in eine Hose – Hose ist gut, denn da bleiben sie hängen -, in eine Socke oder in das Bett des Alten, und es gibt große Chancen, dass der Mann sie quetscht und sie ihn beißen.“
„Das Problem ist nur“, sagte Adamsberg, „dass man bei zwei von den Todesfällen weiß, dass der Biss der Spinne draußen im Freien erfolgte.“ „Scheiße“, sagte Voisenet. (Auszug Seite 172)

Mord durch Spinnenbisse

Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg genießt eine Auszeit in Island und es passt ihm gar nicht, als er offiziell nach Paris zurück beordert wird. Ein ungeklärter Mordfall, bei dem eine Frau überfahren wurde, wird dann auch ziemlich schnell im Vorbeigehen geklärt. Vielmehr interessiert den Kommissar die zufällig aufgeschnappte Nachricht vom Tode mehrerer Senioren in Südfrankreich. Dass die alten Männer aufgrund von Spinnenbissen der braunen Einsiedlerspinne verstarben, lässt ihn nicht mehr los. Ja es packt den verschrobenen Kommissar eigenartigerweise am Nacken und versetzt ihn in unerklärliche Unruhe. Der wunderbar versponnene Adamsberg, der statt rational lieber mit psychologischem Gespür an die Fälle herangeht, beobachtet noch kleinste Details, ermittelt hauptsächlich intuitiv und zieht daraus die richtigen Schlüsse. Er vermutet eine Mordserie mittels Spinnenbissen. Dabei ist das schon rein statistisch gar nicht möglich. Außerdem ist die braune Einsiedlerspinne, wie der Name schon vermuten lässt, ein sehr scheues Wesen, das sich in dunklen Ecken versteckt.

Adamsberg gegen die Brigade

Adamsberg recherchiert die Umstände erst mal hinter den Kulissen, da er von den Mitarbeitern der Brigade criminelle im 13. Arrondissement von Paris kaum Unterstützung erfährt. Er kann nur einige wenige Kollegen, wie Louis Veyrenc mit den rostroten Haarspitzen, der wie Adamsberg aus einem kleinen Pyrenäendorf stammt und ihn noch am besten versteht, auf seine Seite ziehen. Ausgerechnet sein Stellvertreter Adrien Danglard versucht einen Keil ins Team zu treiben, in dem er immer wieder die Ermittlungen blockiert und seinen Chef der Lächerlichkeit preisgibt. Die Stimmung im Kommissariat ist in diesem elften Band dadurch sehr angespannt. Die Zwietracht zwischen Adamsberg und seinem Freund und engstem Vertrauten Commandant Danglard mit dem enzyklopädischen Wissen fand ich sehr betrüblich, sorgt aber auch für einen realistischen Anstrich und bringt einen weiteren spannenden Aspekt ins Spiel.

Mobbing mit schlimmen Folgen

Während im Internet hitzige Diskussionen um die zunehmende Gefährlichkeit von Spinnen entbrennen und man beunruhigt über die Häufung der Todesfälle spekuliert, nimmt Adamsberg Kontakt zu einem Arachnologen auf. Er verbeißt sich in den Fall, gräbt immer tiefer und muss sich auch seiner eigenen Vergangenheit stellen. Die Spur führt in ein längst geschlossenes Waisenhaus in der Nähe von Nîmes, in dem in den 40er Jahren eine Bande grausamer Jugendlicher andere Kinder mit sadistischen Spielchen quälte, die lebenslange Schäden zur Folge hatten. Doch die Spur einer verspäteten Rache entpuppt sich als Sackgasse.

„1944 bis 1947. Das heißt zweiundsiebzig Spinnengenerationen vor den heutigen.“ „ Rechnen wir die Zeit jetzt in Spinnengenerationen?“, fragte Danglard. „ Und warum nicht?“ (Seite 226)

Als Lieutenant Froissy, die Computerexpertin der Brigade von einem Nachbarn sexuell belästigt wird, aber aus Scham keine Anzeige erstattet, zieht Adamsberg den Vergewaltiger aus dem Verkehr. Mit welcher Lässigkeit er diesen zur Strecke bringt und dass es ihm so wichtig ist, dass Froissy davon nichts mitbekommt, hat mich sehr berührt und für ihn eingenommen. Überhaupt die Brigade. Die schrulligen Gestalten werden so liebenswert mit allerlei Skurrilitäten gezeichnet, ich hatte das Gefühl alte und liebgewonnene Bekannte wiederzutreffen. Das hat mit der Realität natürlich nicht viel zu tun. Ich kann mir jedenfalls keine Dienststelle vorstellen, in dem das Maskottchen der Brigade, ein lebensuntüchtiger fetter Kater namens Die Kugel ständig auf dem Kopierer liegt, in dem eine Kollegin unverhältnismäßig viel Nahrung hortet oder ein anderer alle paar Stunden in den Tiefschlaf fällt. Aber alle haben auch ihre Stärken und werden genau dort eingesetzt, wo sie diese am besten entfalten können.

Und wenn dann die Ermittlungen stocken, und das tun sie oft, dann geht man ins Restaurant und isst erst mal Gabure, ein traditionelles Arme-Leute-Eintopfgericht aus den Pyrenäen und wenn dann noch mit einer Ernsthaftigkeit eine Amselfamilie gerettet wird, würde ich in jedem anderen Kriminalroman die Augen verdrehen. Aber hier ist alles stimmig, wird mit so viel absurdem Charme erzählt und ich kann nur jubilieren und Beifall klatschen!

Bis zum zugegeben etwas konstruierten Schluss wirft die französischen Autorin noch mit verschiedenen Nebelkerzen und führt den Leser sowie Adamsberg auf Irrwege während seines unkonventionellen Weges der Ermittlung.

Mystik und Zoologie

Wer einen realistischen Polizeiroman lesen will und viel Wert auf Plausibilität und Logik legt, ist mit der Schriftstellerin Fred Vargas nicht gut bedient. Aber wer ein Faible für phantasievolle Fabulierlust fernab vom Mainstream und Dutzendware mit wunderbar pointierten Dialogen hat, der sollte zugreifen. Vargas hat einen ganz eigenen literarischen Schreibstil. Die Historikerin, Mittelalterarchäologin und Archäozoologin verbindet den spannenden Kriminalfall mit mystischen Elementen und in diesem speziellen Fall auch noch mit Zoologie, denn es kommen außer Spinnen auch noch Totenkäfer, Tauben und Amseln vor. Sie bietet dem Leser einige Details zur Historie in dem sie die Geschichte der Einsiedlerinnen im Mittelalter streift. Dabei verliert sie nie ihren scharfen Blick auf die gesellschaftliche Realität, denn es geht um Gewalt gegen Frauen, um Vergewaltigung, um Kindesmissbrauch und die damit zusammenhängende Sprachlosigkeit, alles ohne große Effekthascherei geschildert.

Vargas unterhält mit poetischer Sprache und nicht zuletzt mit augenzwinkerndem Humor, der oft in den schrägen Dialogen aufblitzt.

 

Rezension und Foto von Andy Ruhr.

Der Zorn der Einsiedlerin | Erschienen am 29. Oktober 2018 bei Limes
ISBN 978-3-8090-2693-8
512 Seiten | 23.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Auch bei uns: Kurzrezension zu Fred Vargas Roman Das barmherzige Fallbeil

Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt | Die Opfer, die man bringt

Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt | Die Opfer, die man bringt

(…) Aber heute Nacht hast du mich angefleht, dich zu retten. Euch beide zu retten. Doch ich konnte es nicht. Nicht einmal im Traum konnte ich es. Also tue ich stattdessen das, was ich kann. Und ich habe vor, es wieder zu tun. Heute Abend. Die fünfte. (…) (Auszug Seite 7)

Die Polizei in Uppsala ermittelt in einer brutalen Vergewaltigungsserie und bittet die Reichsmordkommission und den Kriminalpsychologen Sebastian Bergman um Hilfe. Schnell ergeben sich Hinweise, dass die Opfer keineswegs zufällig ausgewählt wurden und der Täter einen Plan verfolgt. Die Lösung des Falles scheint in der Vergangenheit zu liegen. Kann das Team weitere Opfer vermeiden und den Täter fassen?

Vanja hat vorher ebenfalls bei der Reichsmordkommission gearbeitet, sich nach dem letzten Fall aber nach Uppsala versetzen lassen, um aus persönlichen Gründen nicht mehr mit Sebastian zusammenarbeiten zu müssen. Jetzt bittet ausgerechnet ihre neue Chefin Sebastian um Mithilfe und Vanja muss sich doch wieder arrangieren. Sebastian hingegen freut sich auf diesen Einsatz, da er die Gelegenheit nutzen möchte, um Vanjas Vertrauen zurückzugewinnen.

Der sechste Fall

Die Opfer, die man bringt von Michael Hjorth und Hans Rosenfeld ist der sechste Fall um Sebastian Bergman. Einen Vorgeschmack auf Band drei und vier gibt es ebenfalls auf dem Blog. Ich persönlich habe auch bereits zwei Bücher dieser Reihe gelesen und habe mich auf das neue gefreut. Zu meiner Freude wurden meine Erwartungen nicht enttäuscht, denn es handelt sich wieder um einen spannenden Kriminalroman, bei dem anfangs nichts so scheint, wie es wirklich ist.

Klassische Ermittlung und private Einblicke

Der Hauptteil der über fünfhundert Seiten besteht also aus klassischer Ermittlungsarbeit, wobei viele Personen zu Wort kommen: Der Täter, die Ermittler, einige Opfer. Zusätzliche Spannung wird durch kryptisches Täterwissen zu Beginn einiger Kapitel und immer wieder heiße Spuren, die dann doch im Sande verlaufen, erzeugt. Zwischendurch gibt es viele private Einblicke in das Leben aller Ermittler der Reichsmordkommission: Vanja hat mit ihrer Familie gebrochen und sich nun verliebt, Ursula möchte sich verlieben und datet einen Mann, den sie im Internet kennengelernt hat, Torkel und Billy sind glücklich gebunden, wobei Billy sich gerade ganz andere Gedanken macht und Sebastian ist nach wie vor traumatisiert vom Verlust von Frau und Kind, kann seinen Hosenstall nur schwer geschlossen halten und versucht Vanja wieder auf seine Seite zu ziehen. Es wird also auch außerhalb der Arbeit nie langweilig.

Fazit

Mich hat die Geschichte gut unterhalten und ich kam flüssig durch die Seiten. Den Fall an sich fand ich spannend, mir waren die persönlichen Sorgen und Nöte der Ermittler allerdings fast etwas zu viel, da es sich nicht unbedingt um alltägliche Probleme handelt, sondern einige von ihnen schon recht „kaputt“ sind. Das Ende des Buches hat den berühmten Cliffhanger, so dass ich als Leser das neue Buch natürlich kaum erwarten kann.

Michael Hjorth ist ein bekannter Regisseur, Produzent und Drehbuchschreiber. Hans Rosenfeldt arbeitet als Schauspieler, Drehbuchautor, Schriftsteller und Moderator.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Die Opfer, die man bringt | Erschienen am 11. Oktober bei Wunderlich im Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-8052-5088-7
560 Seiten | 22.95 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Auch bei uns: Nors Rezensionen zu den Romanen Die Toten, die niemand vermisst und Das Mädchen, das verstummte des Autorenduos Hjorth & Rosenfeldt

Abgehakt | Dezember 2018

Abgehakt | Dezember 2018

Zum Jahresende 2018 haben wir noch ein paar Kurzrezensionen des vergangenen Quartals für euch. Mit diesem Beitrag beenden wir unser Blogjahr, wir melden uns im Januar mit frischen Texten zurück. Dankeschön fürs Lesen und Kommentieren, hier und auf den drei Social Media Kanälen Facebook, Instagram und Twitter!

Kommt gut ins neue Jahr und bleibt uns auch in 2019 treu; das würde uns sehr freuen!

Kurzrezensionen des 4. Quartals 2018

Wolfgang Schorlau | Der große Plan

Ein neuer Auftrag führt Privatdetektiv Georg Dengler ins Auswärtige Amt: Eine hochrangige Mitarbeiterin ist spurlos verschwunden und Dengler soll sie finden. Anna Hartmann arbeitete für die Troika bei der Griechenland-Rettung, möglicherweise ist dies ein Ansatz. Doch es gibt keine Lösegeldforderung, nur ein Überwachungsvideo deutet eine Entführung an. Eventuell liegt die Lösung auch im Privaten. Oder ist Anna Hartmann gar aus freien Stücken untergetaucht? Dengler macht sich auf die Suche und wie immer fördert er politischen Sprengstoff zu Tage.

Die äußerst erfolgreiche Reihe um Georg Dengler ist inzwischen beim neunten Fall angelangt. Autor Wolfgang Schorlau sucht sich immer wieder brisante politische Themen als Fälle für seinen Ermittler aus. Dieses Mal ist es das große Thema Euro-Krise, Griechenland-Rettung, aber auch deutsche Kriegsverbrechen in Griechenland während des zweiten Weltkriegs.

Schorlau hat in seinen Krimis immer auch einen pädagogischen Auftrag. Seine Gesellschaftskritik oder Kritik an der Politik kommt selten subtil, sondern meist offen und oft auch dozierend daher. Ich lese diese Reihe gerne, aber stilistisch gelingt der Spagat zwischen Krimi und journalistischem Aufsatz manchmal nur bedingt. So sehr ich auch mit der Meinung des Autors übereinstimme, dass Griechenland übel mitgespielt wurde, so bin ich aber auch nur bedingt zufrieden, dass er volkswirtschaftliche Proseminare als Teamsitzungen seines Detektivs tarnt. Das wäre doch auch geschmeidiger gegangen. Ansonsten ist Der große Plan ein temporeicher Krimi zwischen Stuttgart, Berlin und Athen, bei dem sich für mich das Motiv aber schon früh abzeichnete. Insgesamt ordentlich, aber sicher nicht der Beste der Reihe.

Der große Plan | Erschienen am 8. März 2018 bei Kiepenheuer & Witsch
ISBN 978-3-462-04667-0
448 Seiten | 14.99 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe
Genre: gesellschaftskritischer Krimi
Wertung: 3.0 von 5.0

Auch bei uns: Gunnars Rezension zu Die schützende Hand des Autors Wolfgang Schorlau.

 

Olivier Guez | Das Verschwinden des Josef Mengele

Josef Mengele, der Todesarzt von Auschwitz, in den letzten Monaten des Krieges untergetaucht, emigriert unter falschem Namen nach Argentinien. Dort kann er sich auf ein funktionierendes Netzwerk alter Nazis und auf die Protektion der peronistischen Regierung verlassen. Auch die Familie hält Kontakt. Doch die Zeiten ändern sich, es wird irgendwann doch noch nach den Verbrechern gesucht. Der Mossad entführt Eichmann. So beginnt eine jahrzehntelange Flucht durch Südamerika, in der Mengele zunehmend isoliert, aber dennoch nicht gefunden wird.

Autor Olivier Guez hat mit Das Verschwinden des Josef Mengele einen Zwitter geschrieben, einen Tatsachenroman, beginnend mit der Ankunft Mengeles in Argentinien 1949 bis zu seinem Tod an einem brasilianischen Strand dreißig Jahre später. Der Autor hat brillant recherchiert, zeichnet das Leben des SS-Arztes präzise nach. Das Buch ist an vielen Stellen hochinformativ: Die Rattenlinien und die alten Seilschaften, die Untätigkeit deutscher und einheimischer Behörden, die vergebliche Suche des Mossad und das Porträt eines unbeirrbaren, fanatischen Rassisten, der bis zuletzt an die Richtigkeit seiner verbrecherischen Taten glaubte.

Das Problem für mich war nur: Es funktioniert nicht als Roman. Guez erzählt dreißig Jahre teilweise zeitraffend, verharrt zu selten im Moment, verzichtet im Wesentlichen auf Dialoge. Das alles macht das Buch nicht mitreißend, nicht spannend, sondern es bleibt eher dokumentarisch. Gleichzeitig verharrt der Autor beim lamentierenden, selbstmitleidigen Mengele und es wird nicht ganz klar, was am Ende davon vielleicht doch nur Fiktion war.

Das Verschwinden des Josef Mengele | Erschienen am 10. August 2018 im Aufbau Verlag
ISBN 978-3-351-03728-4
224 Seiten | 20.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe
Genre: True Crime
Wertung: 2.5 von 5.0

 

Martin Krist | Freak City 1: Hexenkessel

New York City: Patsy und Milo haben einen todsicheren Tipp bekommen, wo bei einem Einbruch eine Menge zu holen ist. Doch plötzlich steht nicht nur der Hausbesitzer im Raum, sondern auch ein Mörder, der schon seit Wochen die Stadt in Angst versetzt. Gleichzeitig bekommt Pearl, ein freischaffender Ermittler, einen neuen Auftrag: Er soll eine vermisste aufstrebende Theaterschauspielerin suchen. Und wie es so kommt, werden sich irgendwann die Wege der Beteiligten kreuzen.

Martin Krist ist ein vielschreibender Thrillerautor und Verfechter des Sulfpublishing. Stetig und sympathisch im Netz präsent, außerdem ein Krimiliebhaber mit beeindruckender Bibliothek. Von daher hatte ich mir schon längst vorgenommen, ein Buch des Autors zu lesen. Dieser hat sich nach eigenen Angaben mit seiner neuen Serie Freak City einen Lebenstraum erfüllt, eine Thrillerserie mit Schauplatz New York zu schreiben.

Eine durchaus interessante Hauptfigur hat dieser Roman auf jeden Fall. Pearl, ein Halbblut, Geldeintreiber und Spürhund, trägt seine Narben mit sich herum, äußerlich wie innerlich. Was dieser erste Thriller der Reihe – Hexenkessel – ebenfalls erfüllt: Tempo, Tempo, Tempo. Keine Atempause, es geht immer voran. Die erzählte Zeit beträgt noch nicht mal 24 Stunden. Das müsste mir eigentlich gefallen, allerdings hatte ich das Gefühl, dass hier doch zu sehr aufs Gaspedal gedrückt wurde. Der Plot wirkt noch nicht rund, Wendungen sind auf Zufall aufgebaut, weitere Figuren, selbst Patsy, bleiben für mich etwas blass. So ziehe ich ein zwiespältiges Fazit, aber habe durchaus die Hoffnung auf eine Steigerung in dieser Reihe.

 

Freak City 1: Hexenkessel | Erschienen am 14. November 2018 als Selfpublisher im Verlag R&K
ISBN 978-3-746-77975-1
220 Seiten | 9.99 Euro (als E-Book 0.99 Euro)
Bibliografische Angaben & Leseprobe
Genre: Thriller
Wertung: 2.5 von 5.0

Auch bei uns: Monikas Rezension zu Martin Krists Thriller Märchenwald.

 

Tom Franklin | Krumme Type, krumme Type

Larry Ott fristet ein Dasein als Verstoßener in Chabot, Mississippi. Vor 25 Jahren hatte er ein Mädchen mit auf ein Date genommen, das hinterher spurlos verschwand. Larry beteuerte seine Unschuld, ihm konnte auch nie etwas nachgewiesen werden, so dass er nicht verurteilt wurde. Fortan war er ein Paria, lebte allein im abgelegenen Elternhaus. Nun wird erneut eine 19-Jährige vermisst und Larry steht natürlich sofort unter Verdacht. Er wird eines Abends mit schweren Schussverletzungen aufgefunden, liegt seitdem im Koma. Der ermittelnde Detective ist sich relativ sicher, dass Ott sich aus Schuldgefühlen die Verletzungen selbst zugefügt hat. Doch der schwarze Constable Silas Jones ist sich dessen nicht so sicher. Was niemand im Ort weiß, ist, dass Silas und Larry eine gemeinsame Vergangenheit verbindet.

Krumme Type, krumme Type ist eine absolut sensationelle Südstaatengeschichte, die abwechselnd aus der Sicht von Larry und Silas erzählt wird und regelmäßig in Rückblicken die Vergangenheit aufrollt. Denn die Geschichte von damals spielt natürlich in die Gegenwart hinein: Eine Freundschaft zweier ungleicher Jungen, die unter keinem guten Stern steht und nur einen Sommer lang überdauert. Es ist ein pralle Geschichte, in der alles steckt: Crime, Coming of Age, Freundschaft, Verrat, Schuld, Reue, Rassismus, Gewalt. Ein intensives Porträt des ländlichen amerikanischen Südens und dazu zwei wunderbar beschriebene, tragische Hauptfiguren.

Und allen, die meinen, dass ich da wieder einen düsteren Noir empfehlen will, denen sei gesagt, dies ist mitnichten ein Noir, denn man spürt die Sympathie des Autors Tom Franklin für seine Figuren, so dass er diese nicht ohne Hoffnung aus der Geschichte entlassen will. Eigentlich hätte dieses Buch eine viel ausführliche Besprechung verdient, aber es gibt bereits die ultimative Lobhudelei. Die Besprechung von Philly auf ihrem Blog Wortgestalt ist absolut umwerfend, ich kann mich da nur anschließen!

 

Krumme Type, krumme Type | Erschienen am 27. Juli 2018 bei Pulp Master
ISBN 978-3-927734-99-9
406 Seiten | 15.80 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe
Genre: Spannungsroman
Wertung: 5.0 von 5.0

Auch bei uns: Gunnars Rezension zu Tom Franklins Roman Die Gefürchteten.

Weiterlesen: Philly’s Rezension zu Krumme Type, krumme Type

 

Rezensionen 1 bis 4 sowie die dazugehörigen Fotos von Gunnar Wolters.

 

Klara Holm | Krähennest

In einem Krähennest, also einer Aussichtsplattform auf einem Schiff, wird der abgetrennte Kopf eines Mannes gefunden. Luka Kroczek übernimmt die Ermittlungen und findet schnell heraus, dass der Tote ein Kollege seiner Freundin Teresa ist. Als eine zweite Leiche auftaucht, wird der Fall immer undurchsichtiger und auch Teresa gerät in Gefahr.

Krähennest von Klara Holm ist ein flüssig zu lesender Küsten-Krimi, der auf der Insel Rügen spielt und mit echten Schauplätzen punktet. Die typische Ermittlungsarbeit steht im Vordergrund, aber auch einige Anekdoten aus dem Privatleben der Protagonisten kommen nicht zu kurz. Zum Ende hin wird es dann nochmal spannend und für mich war das Ende nicht vorhersehbar. Durchaus eine Empfehlung als leichten Krimi für zwischendurch.

 

Kurzrezension und Foto von Andrea Köster.

Krähennest | Erschienen am 26. März 2016 bei rororo im Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-499-27071-0
352 Seiten | 9.99 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe
Genre: Regionalkrimi
Wertung: ausstehend

 

Hier geht es zu den bisherigen Beiträgen der Kategorie: Abgehakt – Krimis kurz besprochen

Dennis Lehane | Ein letzter Drink

Dennis Lehane | Ein letzter Drink

Seit ich meinen ersten Roman von Dennis Lehane gelesen habe, bin ich begeistert von seinem flüssigen, homogenen Erzählstil, der charakteristisch ist für seine Bücher. Bei nachfolgenden Geschichten habe ich dies neben seinen besonderen Figuren sehr geschätzt.

Auch in seinem Erstling, dem Detektivroman Ein letzter Drink ist dies schon seine Basis, allerdings ging er die Patrick Kenzie/Angela Gennaro-Krimis anders an. Lehane hat den Detektiv Kenzie als Ich-Erzähler installiert, den wir dadurch auf eine andere Art kennenlernen, was aber auch Rückblicke persönlicher Natur aus seiner eigenen Sicht schlüssiger ermöglicht.

Patrick Kenzie betreibt gemeinsam mit seiner Partnerin Angela Gennaro eine Detektei in South Bosten, deren Büro sich im Glockenturm einer Kirche befindet, mehr aus praktischen Gesichtspunkten, denn aus Glaubensgründen. Denn damit ist es bei Patrick Kenzie nicht weit her. Er ist ein rauher Kerl, der Prügel kassiert und nicht davor zurückscheut, selbst auszuteilen, Schnauze um Schnauze! Dabei hat er auch eine durchaus gefühlvolle Seite, insbesondere seiner Partnerin Angie gegenüber, die er – nicht nur heimlich – anhimmelt. Ihren Mann, von dem sie regelmäßig Schläge kassiert, verflucht er, doch Angie bindet ihm die Hände.

In ihrem aktuellen Fall, sollen die beiden eine verschwundene Person finden. Bei einem Treffen mit seinem Klienten im Ritz, trifft er auf seinen Abgeordneten, den seiner Stadt Dorchester, der ihn in Gegenwart weiterer, ranghöherer Politiker, engagiert, seine Putzfrau ausfindig zu machen. Sie soll mit brisanten Unterlagen verschwunden sein, die eine wichtige bevorstehende Abstimmung gefährden könnten.

Ein easy Job, wie die beiden denken. Aber für einen hardboiled Lehane wohl weitaus zu easy, als dass das alles wäre. Kenzie und Angie machen Jenna, die Putzfrau, relativ rasch ausfindig, allerdings hat diese keine Dokumente mitgehen lassen, sondern hochbrisante Fotografien, an denen noch weitere Personenen größtes Interesse haben. Bei der Übergabe eines der Fotos wird Jenna erschossen. Das Bild bietet zwar Ansätze, aber was die beiden Detektive bei den Ermittlungen noch ausgraben werden, hatten sie nicht erahnt.

Dennis Lehane hat insgesamt sechs Kenzie-Fälle geschrieben und veröffentlicht. Ein letzter Drink war sowohl sein Debüt als auch sein erster Kenzie-Roman. Mir liegen seine anderen Romane sehr, hier hat mich die deutlich distanziertere Beziehung zu den Romanfiguren gestört. Der Erzählstil ist flüssig, ist gleichbleibend gut, aber eben ein anderer als zum Beispiel in Mystic River oder In der Nacht. Die Kapitel sind recht kurz, was in Kombination mit der Sprache des Detektivs als Ich-Erzähler ein Stakkato erzeugt. Dadurch habe ich mich weder der Geschichte noch den Protagonisten nahe gefühlt. Wer Detektivromane mag, sollte die von Dennis Lehane unbedingt lesen, aber ich habe für mich durch diesen Titel gelernt, dass dieses Subgenre nicht mein Fall ist. Leider, muss ich sagen, denn ich finde ihn ja großartig! Wie ich mich kenne, lese ich irgendwann den 2. Kenzie-Fall und dann platzt der Knoten vielleicht.

 

Ein letzter Drink | Erstveröffentlichung 1994
Die aktuelle Ausgabe erschien am 24. August 2016 bei Diogenes
ISBN 978-3-257-30030-7
368 Seiten | 16.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmen unseres .17special Adventsspezials Privatdetektive.

Dashiell Hammett | Der Malteser Falke

Dashiell Hammett | Der Malteser Falke

Unter Schmerzen preßte Cairo durch die Zähne: „Ich hätte Sie erschießen können, Mr. Spade!“ „Sie hätten es versuchen können“, räumte Spade ein. „Ich habe es nicht versucht.“ „Ich weiß.“ „Warum haben Sie mich dann geschlagen, nachdem ich entwaffnet war?“ „Tut mir leid“, sagte Spade mit einem wölfischen Grinsen, das seine Backenzähne sehen ließ, „aber stellen Sie sich meine Bestürzung vor, als ich feststellen mußte, daß ihr Fünftausend-Dollar-Angebot nur aus Luft besteht.“ „Da irren Sie sich, Mr. Spade. Das war und ist weiterhin ein ehrliches Angebot.“ (Auszug Seite 55)

Ende der 20er Jahre betreibt Samuel Spade zusammen mit seinem Partner Miles Archer in San Francisco eine Privatdetektei. Eines Tages werden sie von der attraktiven Miss Wonderley konsultiert, die sich Sorgen um ihre Schwester macht, da diese angeblich mit einem ziemlich windigen Typen namens Fred Thursby durchgebrannt sei. Das hört sich nach einem harmlosen aber gut bezahlten Routinefall an und so übernimmt Archer noch am gleichen Abend die Observierung von Thursby. Mitten in der Nacht erfährt Sam Spade durch die Polizei, dass sein Partner erschossen wurde. Noch während Spade am Fundort der Leiche eintrifft, wird auch Thursby ermordet aufgefunden.

Was führt die schöne Rothaarige im Schilde?

Sam verärgert die Polizei, da er nicht kooperieren und den Namen der Auftraggeberin verraten will. Währenddessen befürchtet Miles‘ Witwe Iva Archer, mit der Sam hinter Miles Rücken ein Verhältnis hatte, er habe Miles umgebracht, um mit ihr zusammen sein zu können.

Spade sucht seine Klientin im Hotel auf, die ihm sofort gesteht, die Geschichte mit ihrer Schwester erfunden zu haben. Ihr richtiger Name wäre Brigid O’Shaughnessy und sie wäre vor kurzem mit Thursby aus Hongkong gekommen. Die attraktive Rothaarige scheint vor irgendetwas Angst zu haben, rückt aber nicht richtig mit der Sprache raus und macht Spade schöne Augen, damit er ihr hilft.

In seinem Büro erhält Spade Besuch von dem geheimnisvollen, halbseidenen Joel Cairo. Dieser bietet ihm 5.000 US-Dollar für die Beschaffung einer gestohlenen circa 30 cm großen Figur eines schwarzen Vogels an, die Cairo im Besitz von Brigid O’Shaughnessy vermutet.

Wo ist der Vogel ?

Spade wird schon seit einiger Zeit von einem jungen Mann beschattet. Er stellt den Verfolger zur Rede und wird kurz darauf von dessen Boss angerufen und um ein Treffen ins Hotel Alexandria gebeten. Caspar „ G“ Gutman ist ebenfalls hinter der offenbar sehr wertvollen Vogelstatuette her. Nach kurzem Zögern verrät G ihm die Geschichte hinter dem Falken. Es handelt sich um ein Geschenk des Malteserordens im 16. Jahrhundert an den damaligen König von Schweden. Die mit kostbaren Edelsteinen und Juwelen verzierte Goldstatue wurde mit schwarzer Emailleschicht bedeckt, um den Wert zu verbergen. Gutman jagt schon seit 17 Jahren wie besessen hinter dem Malteser Falken her und verspricht Spade die hohe Summe von 10.000,00 US-Dollar für das Auftreiben des Falken. Und der gewiefte Detektiv blufft, spielt mit und lässt sich nicht in die Karten schauen.

Während aus einer anfangs harmlos scheinenden Observation eine mörderische Jagd nach einer wertvollen Statue wird, verirrt sich der Erzählfaden teilweise im Gewirr der undurchschaubaren Figuren. Am Schluss kommt es bei der Aufklärung der Morde noch zu einigen Überraschungen.

Der unterhaltsame Krimi ist kurzweilig aber nicht rasend spannend, dafür fehlt es an Dramatik. Er lebt von dem kontroversen Aufeinandertreffen seiner Figuren und der Fokussierung auf seine Hauptfigur. Die trockenen, sprachlich knappen Dialoge ziehen sich teilweise in die Länge. Obwohl Hammett sich nicht in ausschweifenden Beschreibungen verliert, wird die Atmosphäre der 30er Jahre gut eingefangen.

Wer ist Sam Spade?

Dashiell Hammett erzählt die Geschichte komplett aus der Perspektive seines Helden Sam Spade. Trotzdem wird dem Leser kein Einblick in die Gefühlswelt des Detektivs präsentiert, so dass man dem Protagonisten nie wirklich nahe kommt. Man weiß nicht, was man von ihm halten soll. Die Ermordung seines Partners scheint ihn nicht zu kümmern, mit Miss O’Shaughnessy beginnt er eine Affäre, aber ob er ihr glaubt, kann man nur vermuten. Dagegen nimmt die Beschreibung der äußerlichen Kennzeichen wie zum Beispiel Gestik und Mimik übertrieben viel Raum ein. Sam wird als umgänglicher, blonder Satan beschrieben, dessen Gesicht aus lauter V’s besteht und der mit gelbgrauen Augen ein wölfisches Lächeln zeigt, dagegen wechselt seine Hautfarbe ins Gelbliche, wenn er wütend wird. Ich hatte beim Lesen die ganze Zeit Humphrey Bogart vor Augen. Dabei ist die kongeniale Kinoversion von John Huston aus dem Jahre 1931 bereits die dritte Verfilmung des Stoffes. Und für Bogart war es die Rolle, die ihn zum Kultstar machte.

Mit der Figur des Samuel Spade hat Dashiell Hammett eine unvergessliche Figur erschaffen, praktisch den Archetyp des hartgesottenen, coolen Privatdetektivs in Literatur und Film. Ein zynischer Einzelgänger ohne Illusionen, der niemandem traut. Er ist viel zu schlau, um sich manipulieren zu lassen und laviert opportun zwischen den Parteien.

Heute wirkt das vom Autor kreierte Figurenpersonal klischeehaft, aber zu seiner Zeit hat Hammett Maßstäbe gesetzt, denn zum ersten Mal waren die Charaktere alle rücksichtslos und konnten nicht einfach in Gut und Böse aufgeteilt werden. In einer skrupellosen Gesellschaft sind die habgierige Figuren in Der Malteser Falke nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht, lügen und betrügen. Die düstere Bild- und Figurenwelt sowie die pessimistische Grundstimmung als Unterschied zum klassischen englischen Krimi revolutionierte in den 30er Jahren den Detektivroman. Ein Klassiker mit knapp 230 Seiten, den ich gerne gelesen habe!

Dashiell Hammett wurde 1894 in Maryland geboren. Mit 13 Jahren arbeitete er bereits in einer Detektivagentur, kann also aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Er gilt neben Raymond Chandler als stilbildend für das Genre des Detektivromans und als Begründer der hardboiled Novel. Aufgrund seiner Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei geriet er in die Mühlen der McCarthy-Ära. Seine Aussagen vor dem McCarthy-Ausschuss 1953 wurden im Fernsehen übertragen. Er saß im Gefängnis und verstarb verarmt im Jahre 1961.

 

Rezension und Foto von Andy Ruhr.

Der Malteser Falke | Erstveröffentlichung …
Die aktuelle Ausgabe erschien am 1. Mai 2004 im Diogenes Verlag
ISBN 978-3-257-20131-4
240 Seiten | 10.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmen unseres .17special Adventsspezials Privatdetektive.