Kategorie: Aktenzeichen

Rezensions-Doppel: Elizabeth Wetmore | Wir sind dieser Staub & Angie Kim | Miracle Creek

Rezensions-Doppel: Elizabeth Wetmore | Wir sind dieser Staub & Angie Kim | Miracle Creek

Die amerikanische Literaturszene ist ein schier unerschöpflicher Fundus für neue Autoren und Autorinnen. Gerade bei den Autorinnen gab es in letzter Zeit sehr viele neue Stimmen, die sich in den Zwischenräumen zwischen Kriminalliteratur und anderen Genres bewegen. Zwei davon sind Elizabeth Wetmore und Angie Kim. Elizabeth Wetmore ist eine der zahlreichen Spätberufenen. Sie hat in ihrem Leben schon vieles gemacht, eine Bar geschmissen, Englisch gelehrt, Taxi gefahren. Im Alter von 52 Jahren erfolgte dann mit „Valentine“ in begeistert aufgenommes Debüt als Autorin. Auch Angie Kim hat sich erst spät für eine schriftstellerische Karriere entschieden. Die geborene Südkoreanerin zog als Teenagerin in die USA und arbeitete als Anwältin. Ihr Romandebüt „Miracle Creek“ veröffentlichte sie auch erst mit 50 Jahren und gewann dafür 2020 den Edgar für den besten Debütroman. Zeit für eine Doppelrezension.

Elizabeth Wetmore | Wir sind dieser Staub

Odessa, im Westen von Texas Mitte der 1970er Jahre. Es dämmert bereits an diesem Valentins-Morgen, als die 14-jährige Gloria Ramírez schwer misshandelt aus einem Pick-up taumelt, in dem sie die ganze Nacht brutal vergewaltigt wurde. Während ihr Peiniger seinen Rausch ausschläft, flüchtet sie barfuß durch endlos staubige Weite, die Füße von Glasscherben und Kakteen, die Hände von Stacheldraht zerschnitten zur nächstgelegenen Ranch. Die Landschaft scheint nur aus rotem staubigem Wüstensand und Büffelgras zu bestehen. Präriehasen hoppeln zwischen ausrangierten Pipelines und Bohrtürmen umher und unter dem ständigen Auf und Ab der Ölpumpen haben sich Mokassinotter und Klapperschlangen zusammengerollt. Gloria erreicht die Veranda der Whitehead-Ranch und bittet die 26-jährige, mit dem zweiten Kind hochschwangere Mary Rose um Hilfe. Mittlerweile hat sich Dale Strickland in seinem Truck auf den Weg gemacht, um Gloria einzuholen. Während ihre kleine neunjährige Tochter Sheriff und Krankenwagen alarmiert, versucht Mary Rose den jungen Ölarbeiter mit dem Gewehr in Schach zu halten. Dabei befindet sie sich in einem inneren Konflikt und wünscht sich das übel zugerichtete Mädchen wäre auf einer anderen Farm gelandet.

Und da verstummt er, späht sekundenlang an mir vorbei zum Haus und verzieht den Mund zu einem breiten Grinsen. Ich frage mich, ob meine Tochter am Fenster steht, und neben ihr das fremde Mädchen mit den schwarzvioletten Augen und den aufgeplatzten Lippen. …. Wir rühren uns nicht, ich und mein möglicherweise geladenes Gewehr. (Auszug Seite 33)

Nach diesem atemberaubenden Anfangskapitel wird aus der Perspektive verschiedener Frauen, die auf die eine oder andere Weise in die Geschehnisse verwickelt sind, erzählt. Dabei liest sich jede Episode wie eine eigenständige Kurzgeschichte. Trotz ihrer mutigen Tat ist Mary Rose Whitehead danach ständigen Schikanen ausgesetzt. Sie wird bedroht und beschimpft, der Täter, Sohn eines Pfarrers wird verteidigt, das Opfer in den Schmutz gezogen und rassistisch sowie sexistisch beschimpft. Selbst ihr Ehemann Robert versteht nicht, dass sie wegen einer jungen Mexikanerin, die aus purer Langeweile zu einem Fremden ins Auto gestiegen ist, sich und das Leben ihrer Tochter in Gefahr gebracht hat. Trotzdem will Mary Rose unbedingt im späteren Prozess gegen Dale Strickland aussagen. Auf der entlegenen Farm fühlt sie sich nicht mehr sicher. Ihr Mann kümmert sich von früh bis spät fast allein um die Rinderzucht, nachdem die letzten Helfer abgehauen sind, um gegen bessere Bezahlung auf den Ölfeldern zu arbeiten und so zieht sie mit Tochter und Neugeborenem in die Stadt. Auch hier wagt sie es nicht, ihre Tochter auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen.

Neben Mary Rose und Gloria, die sich nach der traumatischen Erfahrung Glory nennt, erfahren wir von der Nachbarin Corrine, einer ehemaligen Lehrerin, die ihren Schmerz über den Tod des geliebten Mannes Potter in Alkohol ertränkt. Weiter von der 10-jährigen Debra Ann, dessen Mutter Ginny abgehauen ist und die sich fürsorglich um einen obdachlosen Vietnam-Veteranen kümmert. Mit viel Empathie aber wenig Nachsicht schaut Elizabeth Wetmore sehr genau auf ihre Frauenfiguren, die alle irgendwie desillusioniert und gebrochen sind, aber mit einem Rest an Würde gegen ausweglose Situationen kämpfen.

Warum hat Gott Texas das Öl geschenkt? Als Wiedergutmachung für alles, was Er dem Land angetan hat. (Auszug Seite 284)

In Odessa bietet die Arbeit auf den Ölfeldern den Männern eine Chance auf gutes Geld und ein besseres Leben. Trotz hoher Unfallrate erscheint diese Tätigkeit den meisten erstrebenswerter als das Leben der Farmer, deren Existenzen durch Dürre, Ungeziefer sowie fallende Rinderpreise bedroht sind. Für Frauen scheint das Land der Ölbarone nicht besonders geeignet. Das zeigt Wetmore auf besondere Weise, indem sie die weibliche Perspektive in diesem männlichen, rauen Setting in den Vordergrund rückt. Sie müssen sich unterordnen, harren unglücklich im tristen Alltag aus, und versuchen, mit wenig Aussicht auf Veränderung irgendwie zu überleben. Die wenigsten sehen eine Perspektive. Noch tiefer als die Frauen stehen nur die illegal eingewanderten Mexikaner. Dennoch ist der Roman nicht komplett deprimierend, der Autorin gelingt es immer wieder auch Szenen der Hoffnung und der Menschlichkeit zu zeigen. Elizabeth Wetmore ist in den 70ern im westlichen Texas in genauso einem Kaff aufgewachsen, inmitten einer trostlosen Landschaft geprägt von Förderanlangen für Erdöl und Erdgas, bis ihr mit 18 Jahren der Absprung gelang. Trotzdem spürt man ihre Liebe zu dieser unwirtlich scheinenden texanischen Natur, denkt man nur an die kleinen, sehr sarkastischen Witze zwischendurch.

Fernab von allen Genreschubladen, denn Elizabeth Wetmores großartiges Debüt ist vielmehr als ein Spannungsroman, zeichnet sie das Bild vom Aufbrechen verkrusteter Strukturen im ländlichen Amerika der 70er Jahre. Dabei ist ihr Schreibstil derart bildgewaltig, man spürt die Hitze und den Staub fast körperlich, man kann die nach Öl stinkende Luft praktisch riechen, die unendliche Weite vor sich sehen und die Langeweile in der Ödnis nachempfinden. Mit großer Ausdruckskraft und rauer, jedoch auch poetischer Sprache schildert sie eine Machogesellschaft, in der Sexismus und Rassismus dominieren. In einem fein austarierten Plot erzählt sie von Ungerechtigkeiten, dem hilflosen Ausgeliefertsein aber auch von einer neuen Generation von Frauen, die sich nicht mehr alles gefallen lassen und erstmalig gegen die Macht des Patriarchats aufbegehren.

Angie Kim | Miracle Creek

In einer Kleinstadt in Virginia beginnt vor dem örtlichen Gericht ein Mordverfahren. Angeklagt ist Elisabeth Ward wegen Mordes an ihrem Sohn Henry und einer Bekannten Kitt Kozlowski. Die Todesumstände waren äußerst ungewöhnlich: Elisabeth und Henry sowie Kitt und ihr Sohn TJ (beide Söhne sind autistisch) besuchten mit weiteren Personen einen ungewöhnlichen Therapieort. Das „Miracle Submarine“ ist eine U-Boot-ähnliche Druckkammer, in der die hyperbare Sauerstofftherapie, die Darreichung 100%igen Sauerstoffs, durchgeführt wird. Betrieben wurde das „Miracle Submarine“ von der Familie Yoo, koreanische Einwanderer, in einer Scheune am Waldrand. Ein Risiko bei dieser Therapie ist jedoch das erhöhte Brand- und Explosionsrisiko aufgrund des reinen Sauerstoffs. Tatsächlich kam es eines Abends zu einer Brandentwicklung nahe der Sauerstoffschläuche, die dann auf die Druckkammer übersprang. Henry und Kitt starben, der Betreiber Pak Yoo konnte die weiteren Insassen der Druckkammer befreien. Er selbst, seine Tochter Mary und der Patient Matt Thompson erlitten dabei noch schwere Verletzungen. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit war Elisabeth nicht mit in der Kammer, sondern außerhalb der Scheune. Aufgrund mehrerer Indizien glaubt die Staatsanwaltschaft, Elisabeth habe die Tat begangen. Motiv: Sie wollte sich endlich der Last ihres autistischen Sohnes befreien.

Die Autorin Angie Kim erzählt die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive der beteiligten Personen. Durch diese Perspektivwechsel und auch durch den Fortgang der Gerichtsverhandlung, in der Elisabeths Anwältin einiges unternimmt, um den Verdacht von ihrer Mandantin hin auf andere zu ziehen, entstehen von Beginn an beim Leser Zweifel an der Version der Staatsanwaltschaft. Allerdings erzählen hier sehr viele Personen nicht die Wahrheit oder verschweigen wichtige Dinge, um sich nicht selbst in Misskredit und zumindest in ein schlechtes Licht zu rücken. So wird schnell enthüllt, dass Pak Yoo die Aufsicht im Moment der Katastrophe seiner Frau übertragen hatte. Und was für ein merkwürdiges Verhältnis hatten Matt und Paks minderjährige Tochter Mary? Und wer hatte sich eine Woche vor dem Unglück nach der Brandschutzversicherung erkundigt? Zahlreiche Fragen tauchen auf, die Figuren umspinnt ein immenses Lügennetz, das sich nur langsam entflechtet.

Sie brauchte Antworten. Sie löste die Bremsen, setzte zurück, vom Baum weg, und fuhr zurück zur Straße. Nach links ging es zum Gericht, sie könnte noch vor dem Ende der Mittagspause wieder dort sein, an der Seite ihres Mannes. Aber da würde sie keine Antworten bekommen. Nur noch mehr Lügen, die weitere Fragen aufwarfen. […] Sie fuhr nach rechts. Sie musste nach Antworten suchen. Allein. (Auszug S.256-257)

Ähnlich wie Elisabeth Witmore kann man Angie Kims Roman auch nicht so ganz einem Genre zuordnen. Viele Szenen spielen vor Gericht und doch ist es kein klassischer Justizthriller. Der Roman dringt noch deutlich tiefer in die persönlichen Verhältnisse der Figuren ein, er erzählt von Mutterliebe, Zweifel und Verzweiflung angesichts eines eigenen autistischen Kindes, von Identität und patriarchalem Stolz koreanischer Einwandererfamilien, von Missgunst, Untreue und krankhaftem Kinderwunsch. Alle Figuren sind dabei verbunden in mangelnder Kommunikation, Verschweigen, Vertuschung bis hin zur offenen Lüge.

Insgesamt gelingt Angie Kim ein überzeugender psychologischer Spannungsroman, dem es über die gesamte Zeit gelingt, durch neue Enthüllungen und Wendungen die Spannung und Aufmerksamkeit hochzuhalten. Dabei überzeugt vor allem die Struktur und der Aufbau des Romans und der sehr intime Blick auf die Figuren.

 

Foto und Rezensionen von Andy Ruhr (Wir sind dieser Staub) und Gunnar Wolters (Miracle Creek).

Wir sind dieser Staub | Erschienen am 30.09.2021 im Eichborn Verlag
ISBN 978-3 84790-092-4
320 Seiten | 22,- €
Originaltitel: Valentine | Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Eva Bonné
Bibliografische Angaben & Leseprobe
Wertung: 5 von 5
historischer Kriminalroman | Western

Miracle Creek | Erscheinen am 09.03.2020 bei Hanserblau
ISBN: 978-3-906-90315-6
520 Seiten | 24,- €
Originaltitel: Miracle Creek | Übersetzung aus dem Englischen von Mareike Heimburger
Bibliografische Angaben & Leseprobe
Wertung: 4,0 von 5
Spannungsroman

Amy McCulloch | Der Aufstieg

Amy McCulloch | Der Aufstieg

Atmen, Cecily. Eisige Luft strömte in ihre Lunge. Als sie sich ausgemalt hatte, wie es wäre, hier oben zu atmen, hatte sie angenommen, es würde sich anfühlen wie Ersticken. Wie wenn sich ihr die Kehle zuschnürte. Vielleicht irgendwie noch wie Ertrinken. Aber so war es nicht. (Auszug Anfang)

Charles McVeigh ist der absolute Star und eine lebende Legende in der internationalen Bergsteiger-Community. Sein spektakulärer Plan, die „Mission Fourteen Clean“, bei der er innerhalb eines Jahres alle vierzehn Achttausender besteigen möchte und zwar im traditionellen Alpinstil ohne Flaschensauerstoff und Fixseile, steht kurz vor der Vollendung. Nur der Manaslu in Nepal, mit einer Höhe von 8163 m der achthöchste Berg der Erde, fehlt ihm noch zu seinem Rekord.

Die junge Journalistin Cecily Wong ist nicht besonders bergsteigerfahren. Eigentlich hatte erst ihr Ex-Freund James, ein ausgebildeter sowie erfahrender Bergführer sie aus ihrer Komfortzone geholt und zum Bergsteigen gebracht. Umso überraschender, dass McVeigh ausgerechnet ihr ein Exklusiv-Interview anbietet, unter der Bedingung, dass sie mit ihm zusammen den Gipfel besteigt. Bekannt wurde Wong durch ihren eigenen Blog, und die emotionale Geschichte über ihren größten Misserfolg beim Klettern hatte die Aufmerksamkeit der Bergsteiger-Legende auf sich gezogen. James, der sein Geld als Reisereporter verdient, hatte nicht verwunden, dass Cecily die Story an Land gezogen hatte und die Beziehung war zerbrochen. Nach der Trennung will sie es sich, ihrer Familie und ihrem Arbeitgeber beweisen, dass sie es drauf hat.

Sie hatte immer geglaubt, die leere Seite wäre ihre Angstgegnerin. Doch dank Charles McVeigh hatte sie jetzt etwas noch viel Furchterregenderes vor sich. Die Todeszone am achthöchsten Berg der Welt.  (Auszug Seite 11)

Das kleine Team, dass sich neben dem Expeditionsleiter aus einer Influencerin, einem Selfmade-Millionär und einem Filmemacher zusammensetzt, wird auf den sogenannten Expeditionsstil setzen und jegliche Hilfe, wie mit Fixseilen und Leitern gesicherte Pisten, Essenszelte und Sauerstoffflaschen in Anspruch nehmen. Dazu gehören neben einer gründlichen Akklimatisierung auch die einheimischen Sherpas, die jedem Teilnehmer zur Seite gestellt werden und unter anderem als Lastenträger helfen.

Vom Basislager in die Todesszone
Noch vor Erreichen des Basislagers kommt es zu einem tragischen Todesfall. Auch auf dem weiteren Weg zum Gipfel häufen sich die tödlichen Unfälle. Und es ist nur Cecily, die sich mit den Todesfällen beschäftigt und von Anfang an nicht an Unfälle glaubt. Das verstärkt sich noch, als sie eine Nachricht erhält: „Ein Mörder ist am Berg, bring dich in Sicherheit!“  Sie vermutet einen Mörder unter ihren Kamerad* innen im Camp oder bei einem anderen Expeditionscamp. Dabei zweifelt sie aber auch an ihrem eigenen Verstand, denn jenseits der siebentausend Höhenmeter, der  Todesszone, reicht  der Sauerstoff kaum noch zum Atmen.

Zu Beginn fand ich die Geschichte absolut packend mit einem atemberaubenden Schauplatz. Ich habe mit Extrem-Sport gar nichts am Hut und auch keine Ahnung vom Klettern, aber die kanadischen Autorin Amy McCulloch, selbst begeisterte Bergsteigerin, die den Aufstieg auf den Manaslu 2019 schon gemeistert hat, versteht es , die Euphorie, die man verspürt, das Gipfelfieber – den Willen, um jeden Preis bis ganz nach oben zu kommen, oder die Vorfreude, wenn sich aufgrund der Wettervorhersage ein Fenster zur Gipfelerstürmung ergibt, anschaulich mit einem angemessenen Maß an Fachwissen zu vermitteln. Die geschilderten Anforderungen an Körper und Geist sowie die technischen Aspekte des Bergsteigens werden realistisch dargestellt und viele interessante Details nahegebracht. Die Bedeutung der Climbing-Sherpas oder dass zum Beispiel die komplette Ausrüstungspalette für Extremtouren für Männer gemacht ist und sie erst für Wong an ihre Bedürfnisse angepasst werden musste.

Die tödlichen Gefahren durch das Ausgeliefertsein gegenüber der gnadenlosen Natur, eisige Schneestürme, Gletscherspalten und Lawinengefahr  haben mich fasziniert. Obwohl man sich im Team kaum kennt, muss man sich blind vertrauen. Auch was passiert, wenn Menschen an ihre Grenzen gehen und diese überwinden müssen, die männlichen Egos, das Gefühl unbezwingbar zu sein, wird nachvollziehbar thematisiert.

Meine Meinung
Vieles wird aus der Sicht des Nicht-Profis Cecily dargestellt. Die Angst und Panik der unerfahrenen und von Selbstzweifeln geplagten Journalistin sind omnipräsent. Und haben mich ob ihrer Fülle irgendwann ein wenig genervt. Auf gefühlt jeder Seite erschrickt sie, wenn ihr nur jemand auf die Schulter tippt oder in ihrem Zelt erscheint. Es wird ihr schlagartig angst und bange und es läuft ihr eiskalt den Rücken hinunter, ihr Herz rast wie wild, ihr Magen rebelliert und sie muss sich fast übergeben, sie erschaudert, es verschlägt ihr den Atem, sie zittert, sie quiekt laut auf, ihr Atem geht stoßweise und sie hat ein Schrillen in den Ohren, ihr Mund ist knochentrocken, sie hat ein flaues oder mulmiges Gefühl im Bauch oder er rumort vor Angst wie ein wildes Tier, das Geräusch eines Pfiffes geht ihr durch Mark und Bein, ihr stellen sich die Nackenhaare auf, sie ist von bis Kopf bis Fuß angespannt und ich weiß nicht, wie oft sie vor Schreck auf keucht.

Durch einen möglichen Mörder am Berg werden die Gefahren intensiviert und die Spannung erhöht. Dabei gaben die Thriller-Elemente des Romans nicht viel Neues her und wirkten teilweise unrealistisch sowie die Auflösung sehr weit hergeholt. Zum Schluss überschlagen sich die Ereignisse und werden etwas hastig abgehandelt.  Trotzdem hat mich der  Thriller mit seinem eiskalten Setting in diesen heißen Tagen über weite Strecken gut unterhalten.

 

Foto & Rezension von Andy Ruhr.

Der Aufstieg | Erschienen am 28.07.2022 im Piper Verlag
ISBN 978-3-49206-343-2
496 Seiten | 17,- €
Originaltitel: Breathless | Übersetzung aus dem amerikanischem Englisch von Leena Flegler
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Diane Cook | Die neue Wildnis

Diane Cook | Die neue Wildnis

In ihrem Debüt-Roman versetzt uns die in Brooklyn lebende Autorin Diane Cook in eine nicht allzu weit entfernte Zukunft in Amerika. Klimawandel, Überbevölkerung und Smog erschweren das Leben in der Stadt und aufgrund der immensen Luftverschmutzung leiden besonders die Kinder zunehmend unter lebensbedrohlichen Atemwegserkrankungen. Aus Sorge um ihre 5-jährige todkranke Tochter Agnes nimmt Bea mit ihrem Mann Glen an einem Regierungsprojekt teil. Zwanzig Pioniere dürfen in einem staatlich geschützten Nationalpark vor den Toren der Stadt leben. Bei dem Experiment müssen sie sich mit Hilfe eines Handbuchs an strenge Verhaltensregeln halten und sich regelmäßig an bestimmten Posten einfinden. Sie dürfen sich keine Heimat aufbauen sondern müssen autark in der unberührten Wildnis ein nomadisches Leben führen. Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, dass die Gruppe nicht zu viel in die Natur eingreift oder Spuren hinterlässt. Abgeschnitten von jeglichen Annehmlichkeiten der Zivilisation sind die Ranger die einzige Verbindung zur Außenwelt, die die Einhaltung der strengen Regeln überwachen oder neue Anweisungen geben.

Zurück zur Natur
Zu Beginn der Geschichte sind wir bereits seit vier Jahren in der Wildnis. Das hat mich überrascht, denn ich hätte mir ausführlichere Beschreibungen über die Situation in den Städten gewünscht. Die Welt außerhalb der Wildnis bleibt aber während des ganzen Buches nur vage fassbar. Bei dem dramatischen und verstörenden Einstieg begleiten wir Bea bei einem sehr intimen Moment wobei mich ihr raues Verhalten mit dieser erbarmungslosen Situation erschreckt hat. Es wird klar, dass während des Überlebenskampfes die Grenzen zwischen Tier und Mensch zu verschwimmen scheinen. Die Rückbesinnung sowie die überlebensnotwendige Anpassung an die Natur lassen eher archaische Empfindungen und Sichtweisen hervortreten. Als bei einer gefährlichen Flussüberquerung eine Mitstreiterin in den reißerischen Fluten ertrinkt, wird nur um das wertvolle Seil getrauert. Oder als ein Mitstreiter von der Klippe stürzt, wird nicht nachgesehen, ob man ihm noch helfen kann, es wird weitermarschiert. Mich hat irritiert, dass diese Abstumpfung offenbar schon nach vier Jahren und nicht nach Generationen eintritt.

Nur daran erkannte Bea, dass der Unfall sie erschreckt hatte. Wie ein Tier erstarrte Agnes, wenn sie Angst hatte, und rannte bei Gefahr weg. Bea stellte sich vor, dass sich das ändern würde, wenn Agnes größer wurde. Möglicherweise fühlte sie sich dann weniger wie Beute und mehr wie ein Raubtier. (Auszug Seite 17/18)

Der Autorin geht es in ihrem Roman nicht so sehr um die drohende Katastrophe von außen durch das Klima, Umwelt und den Staat oder um die Gefahren, die ein Leben in der wilden Natur mit sich bringt. Es geht ihr primär um die Dynamik zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern und die Entwicklung des sozialen Machtgefüges. Das Verhalten der Gemeinschaft erinnert an das Verhalten wilder Tiere. Hinzu kommt eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Bea und Agnes. Das hätte auch spannend werden können, war es aber leider für mich nicht. Der Erzählstil ist passend zum Setting emotionslos und distanziert und dieser Ton bleibt das ganze Buch über bestehen. Dadurch fühlte ich mich die ganze Zeit nur wie ein unbeteiligter Beobachter einer Studie und war nie nah an den Charakteren. Ein großer Kritikpunkt meinerseits ist, dass diese allesamt sehr blass und mir bis zum Schluss vollkommen fremd blieben. Ihre Handlungen konnte ich nur partiell nachvollziehen und dann war es teilweise sehr abstoßend und auch schmerzhaft den Geschehnissen zu folgen.
Ein weiteres Manko war für mich der Umgang der Autorin mit der Zeitabfolge. Während man manchmal über mehrere Kapitel nur einen Tag abhandelt, erfährt man an anderen Stellen in einen kurzen Nebensatz, dass die letzten Seiten einen Zeitraum von mehreren Jahren umfassen, da die Gruppe Monate braucht, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Das verdeutlicht, dass für ein Leben im Einklang mit der wilden Natur lediglich der Tag-Nacht-Zyklus und die Jahreszeiten relevant sind. Für mich war das total verwirrend, denn das Gespür für die Zeit, wie wir es gewohnt sind, geht völlig verloren.

Spielfiguren auf einem unbekannten Spielfeld
Trotz ihrer literarischen Fähigkeiten, die ich der Autorin nicht absprechen möchte, denn sie erzeugt beklemmende Bilder, hatte sie mich irgendwann in dieser zähen Story verloren und ich habe nur noch quer gelesen. Über weite Strecken kommt die Geschichte nicht voran und tritt auf der Stelle. Leider bietet auch das Ende auf meine zahlreichen Fragen und Vermutungen, die mich beschäftigten, keine zufriedenstellenden Antworten. Durch das völlige Ausbleiben von Informationen erfährt die Leser*in genau wie die umherwandernde Gemeinschaft nichts über die Geschehnisse in den übervölkerten Städten, über die Hintergründe oder die Erkenntnisse des wissenschaftlichen Forschungsprojekt oder das merkwürdige Verhalten der Ranger. Die Gruppe wirkt auf mich wie Spielfiguren, die von den Rangern auf ein unbekanntes Spielfeld gesetzt werden um dort nach unbekannten Regeln agieren sollen. Warum denkt niemand daran, das Projekt abzubrechen und in die Zivilisation zurückzukehren? Agnes ist ja inzwischen wieder gesundet, da die gute Luftqualität sich positiv auf ihren Gesundheitszustand ausgewirkt hat. Und wie groß ist dieses Areal?

Nominierung für den Booker Prize 2022
Die edle Aufmachung des Buches mit der goldenen Schrift auf dunkelgrünem Grund war für mich sehr vielversprechend. Die alles verschlingenden Blätter auf dem Cover lassen an Lebensadern aber auch an einen tropischen Urwald denken. Ich hatte dadurch ganz falsche Erwartungen, denn die Geschichte spielt mehr in einem Wüstenszenario. Ich lese eigentlich gerne Dystopien, aber ich brauche immer einen kleinen Hoffnungsschimmer, ein Licht am Ende des Tunnels. Der Überlebenskampf der Gemeinschaft wird emotional eher kühl und sachlich geschildert. Diane Cook romantisiert nicht in ihrem für den renommierten Booker Prize 2022 nominierten Roman und vielleicht war das auch mein Hauptproblem.

 

Foto & Rezension von Andy Ruhr.

Die neue Wildnis | Erschienen am 09.05.2022 im Heyne Verlag
ISBN 978-3 45332-158-8
544 Seiten | 16,- €
Originaltitel: The New Wilderness | Übersetzung aus dem Amerikanischen von Astrid Finke
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Peter Grandl | Turmschatten

Peter Grandl | Turmschatten

Ephraim Zamir hat als kleiner Junge Auschwitz überlebt. Nun hat er sich, 65 Jahre nach Kriegsende, wieder in Deutschland, in der süddeutschen Heimatstadt seiner Mutter niedergelassen, einen alten Wehrturm zu einer luxuriösen Wohnung ausbauen lassen. An seiner Seite die junge Esther Goldstein als seine Haushälterin. Die junge, gehörlose Frau ist Opfer eines terroristischen Anschlags in Israel geworden und Ephraim möchte sie in der Bewältigung ihrer Traumata unterstützen, gleichwohl er selbst die Erlebnisse an der Todesrampe in Auschwitz nie ganz überwunden hat. Ephraim engagiert sich zudem in der jüdischen Gemeinde, stellt eine großzügige Spende für den Bau der neuen Synagoge in Aussicht.

Dieses Vorhaben ist der wieder erstarkten rechte Szene natürlich ein Dorn im Auge. Die Rechten sind bestens vernetzt und nehmen Ephraim ins Visier. Vier von Ihnen, darunter ein Minderjähriger, sollen einen Überfall auf Ephraims Wohnung unternehmen. Trotz diverser Schutzmaßnahmen können sie sich Zutritt zum Wehrturm verschaffen, in dem sie aber nur Esther Goldstein antreffen. Der Überfall geht gründlich schief. Als Ephraim kurze Zeit später eintrifft, kann er noch drei der Angreifer überwältigen. Diese müssen feststellen, dass Ephraim kein harmloser, alter Jude ist, wie sie geglaubt haben.

Ephraim, voller Wut und Entschlossenheit, hat sich entschlossen, ein Tribunal über die drei Nazis Steiner, Udo und Karl abzuhalten, denen er noch weitere Verbrechen beweisen kann. Er beginnt mit Verhören und streamt diese live im Internet. Dort ruft er die Menschen zur Abstimmung auf, ob die Nazis leben oder sterben sollen. Bei einer Millionen Klicks für „Sterben“ verspricht er die Liquidation. Das Verfahren wird binner kürzester Zeit zur Mediensensation und digitalem Hype. Derweil hat die Polizei den Wehrturm umstellt und versucht mit aller Macht, dieses Tribunal zum Stoppen zu bringen. Doch auch hierfür hat Ephraim Vorkehrungen getroffen.

Mit jedem Stockwerk, das er die steinerne Treppe im Turm hinabstieg, wurde es kälter. Es war eine Kälte, die nicht nur von dem alten Gemäuer kam, sondern auch aus seinem Inneren. […] Der Turm zog ihn herab in einen Sog aus Blut und Gewalt. Zamir war nun bereit, der Welt das wahre Gesicht dieser Barbaren zu zeigen – und er war sich sicher, dass die friedliebenden Menschen ihn zum Vollstrecker ernennen würden. (Auszug Pos. 2679)

Die Geschichte spielt im Hauptstrang im Oktober 2010, wird aber immer wieder mit Rückblenden unterbrochen. Der Autor lässt hier ein üppiges Personal auffahren, wechselt immer wieder den Blick auf das Geschehen, erzählt auch einige Hintergründe der Figuren. Im Mittelpunkt stehen vor allem Ephraim und noch mehr die drei Nazis, vor allem Karl Rieger, der wohl intelligenteste und widersprüchlichste von Ihnen. Daneben der Einsatzleiter der Polizei, Karl Riegers Bewährungshelferin und ein skrupelloser Programmchef eines Fernsehsenders sowie weitere Personen. Trotz des hohen Personenauflaufs hat Peter Grandl das Ensemble gut im Griff, treibt den Plot voran und behält den Spannungsbogen konstant hoch.

Bereits vor knapp zehn Jahren als Drehbuchentwurf angelegt, hat Autor Peter Grandl mangels anfänglichem Interesse der Filmwirtschaft diesen Stoff zu seinem Debütroman verarbeitet. Dieser erschien 2020 im kleinen Label „Das neue Berlin“ der Eulenspiegel Verlagsgruppe und nun als Taschenbuchausgabe im Piper Verlag. Die Filmrechte sind inzwischen verkauft und die Dreharbeiten waren fürs letzte Jahr geplant.

Die Grundzutaten dieses Thrillers sind wohlbekannt – es geht um Schuld, Sühne, Rache, Gewissen, Reue und um Ignoranz, Sensationsgier, Verantwortungslosigkeit. Das Interessante an diesem Roman ist, dass mir immer wieder kleine Hakler auffallen, Unklarheiten im Plot, Figuren am Rande des Klischees (und drüber hinaus), Recherchefehler (Degowski erschoss Emanuele De Giorgi, nicht Rösner)  – und trotzdem funktioniert er ausgesprochen gut. Dieser Thriller verbindet rasante Action mit zahlreichen gebrochenen Figuren und fügt nebenbei historische Ereignisse aus der bundesdeutschen Geschichte als wichtige tragende Elemente der Figuren in die Story ein. Das liest sich dann wie eine Chronologie des Rechtsradikalismus, etwa die oftmals unbehelligt gebliebenen Wehrsportgruppen, den rechtsradikalen Terror und die Verwebungen von rechten Schlägern und rechten, den Schein wahrenden Parteien. Allles in allem ein rasanter, spannungsreicher Thriller, der in seiner szenischen, multiperspektiven Anlage eine Vielfalt an Themen aufgreift, dies aber zumeist sehr überzeugend beherrscht.

 

Foto & Rezension von Gunnar Wolters.

Turmschatten | Die Taschenbuchausgabe erschien am 15.07.2022 im Piper Verlag
ISBN 978-3-492-06321-0
592 Seiten | 18,- €
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Max Korn | Talberg 2022 (Band 3)

Max Korn | Talberg 2022 (Band 3)

Laut Wettervorhersage war das Orkantief, das eine Schneise der Verwüstung durch den Hirschberger Wald gezogen hatte, nur die Vorhut. Der meteorologische Dienst warnte vor einer weiteren Superzelle, die in ihre Richtung unterwegs war. Ein zweiter, anhaltend rotierender Aufwind, der noch heftiger sein sollte als der Zyklon, den sie im Moment zu spüren bekamen. So weit wird’s kommen, dass wir evakuieren müssen … Und dass er sich beeilen solle mit dem Skelett, bevor es noch den ganzen Hang fortschwemmt. (Auszug Seite 11)

Das niederbayerische Dorf Talberg wird von einem verheerenden Unwetter heimgesucht. Es regnet schon seit Tagen ohne Unterlass, das Wasser steigt unaufhaltsam und die Verbindungen zur Außenwelt sind komplett abgebrochen. Während die Feuerwehr versucht, ein Neubaugebiet vor einem Erdrutsch zu bewahren, wird in dem Wurzelwerk einer umgestürzten Eiche das Skelett eines Kindes gefunden. Adam Wegebauer, ein ehemaliger Kripobeamter aus München, der kürzlich in sein Heimatdorf Talberg versetzt worden war, unternimmt während der tobenden Naturgewalten die ersten Untersuchungen. Obwohl klar ist, dass die Knochen schon sehr lange unter der Erde vergraben gewesen sein müssen, verspürt er sofort eine unerklärliche Betroffenheit und trotz vieler persönlicher Probleme ist es ihm ein dringendes Anliegen, den Fall so schnell wie möglich zu lösen, bevor das LKA übernehmen wird. Unter schwersten Bedingungen sichert er die Knochen und bringt sie zu einem pensionierten Arzt, der eine erste Einschätzung vornimmt. Trotz der Orkanböen gelingt es jedoch der LKA-Beamtin Eva Engler sich zu Fuß ins Dorf vorzukämpfen, da sie bei dem Skelettfund eine Verbindung zu einem aktuellen Fall vermutet.
Eva ist der Typ, durchsetzungsstarke und ehrgeizige Ermittlerin und sie will unbedingt den Kindsmörder finden. Doch dazu braucht sie Adam, der sich im Dorf und seinen Bewohnern besser auskennt. Während sich die beiden unterschiedlichen Polizisten langsam aneinander gewöhnen und schließlich zusammen arbeiten, um das Geheimnis der Kinderknochen zu entschlüsseln, nehmen die Naturgewalten immer mehr zu. Dabei führen die Ermittlungen tief in Adam Wegebauers Vergangenheit.

Gleich der Beginn glänzt mit fesselnden sowie plastischen Beschreibungen des Sturmes. Es war mir dann aber fast schon zu ausführlich, da es öfter zu Wiederholungen kam. Die Geschichte lässt sich aufgrund eines flüssigen, gefälligen Schreibstils und sehr kurzen Kapiteln (Fitzek lässt grüßen) problemlos lesen. Mit einem gemächlichen Erzähltempo treibt Korn seinen Plot voran. Der Fall ist nicht superspannend, aber sehr undurchsichtig und macht von Anfang an neugierig. Die Umsetzung fand ich dann jedoch nur mäßig unterhaltsam. Das lag zum einen an dem ständigen Hin- und Hergerenne während des Sturmes und nicht komplett nachvollziehbarer Handlungen der Protas. Adams nasse Klamotten und die daraus resultierenden ‚Halsschmerzen bis zu den Ohren‘ nehmen viel zu viel Raum ein. Zum anderen bremsen ständige Rückblicke in Adams und noch einiger anderer Vergangenheiten die Geschichte aus. Für Adam und seine Schwester Elke war es keine leichte Kindheit, die immer wieder durch die Alkoholsucht und die permanenten Gewaltausbrüche des Vaters bestimmt wurde.

Dies ist der dritte Teil einer Trilogie, die alle in dem abgelegenen Bergdorf Talberg nahe der österreichischen Grenze spielen, allerdings zu unterschiedlichen Zeiten. Ich habe die Vorgängerbände nicht gelesen, dies ist auch nicht unbedingt nötig, da es sich jeweils um abgeschlossene Geschichten handelt. Das Titelbild deutet bereits eine düstere, beklemmende Atmosphäre an und tatsächlich liegt jederzeit eine große Trostlosigkeit über der kleinen Dorfgemeinschaft. Vorne auf dem Einband befindet sich eine Übersicht der handelnden Figuren. Das Buch ist in zwei Teile unterteilt und zwar in ‚Das Buch Adam‘ und ‚Das Buch Eva‘. Das Auftauchen von Eva belebt die Geschichte auf jeden Fall und sie bekommt mehr Dynamik, bevor es zum Schluss noch mal durch einige überraschende Wendungen und menschliche Abgründe spannend wird.

Ich finde die Charaktere einschließlich des traumatisierten, alkoholkranken Polizisten, der mit Dämonen aus der Vergangenheit kämpft ziemlich stereotyp gezeichnet. Auch bei weiteren Dorfbewohnern, der taffen LKA-Beamtin oder den Zugezogenen aus Warnemünde wird kein Klischee ausgelassen. Dialoge in urbayerisch sollen die Lebendigkeit steigern, als Ruhrpöttler habe ich nicht alles verstanden, konnte es mir aber aus dem Zusammenhang erklären.

Max Korn ist ein deutscher Schriftsteller, der seine Romane unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht. U.a. verfasst er als Luis Sellano seine Lissabon-Krimi-Reihe. Seine Jugend verbrachte er oft in dem kleinen Ort Thalberg im Bayerischen Wald, was ihn zu seiner Trilogie über den fiktiven Ort Talberg inspirierte.

 

Foto & Rezension von Andy Ruhr.

Talberg 2022 | Erschienen am 09.05.2022 im Heyne Verlag
ISBN 978-3 45342-461-6
361 Seiten | 15,- €
Bibliografische Angaben und Leseprobe