Best Of 2023

Best Of 2023

Wieder ist ein Krimijahr vorbei und es war kein so schlechter Jahrgang. Insgesamt 60 Romane (und zwei Filme) haben wir auf diesem Blog besprochen (ein paar ausschließlich über unsere Social Media-Kanäle). Es ist also mal wieder Zeit für unsere Jahreshighlights. Andy und Gunnar haben ihre drei Lieblingsbücher aus diesem Jahr zusammengestellt. Anders als in den letzten Jahren gab es aber diesmal eine Übereinstimmung, sodass es diesmal so etwas wie „unseren“ Krimi des Jahres gibt. Beginnen wir mit Andys Top 3.

Andys Top 3 in 2023

Zurückblickend auf das scheidende Jahr 2023, stelle ich fest, dass es viele gute Bücher im Bereich Crime waren, aber auch viel Durchschnittliches. Meine Begeisterung für den skandinavischen Thriller hat etwas nachgelassen, zu auserzählt wirken mittlerweile Plots und Charaktere. Der zweite Band von Don Winslow „City of Dreams“ glänzt mit den typischen Winslow-Zutaten, konnte aber nicht ganz mit der Brillanz des ersten Teils mithalten. Steve Cavanagh war eine neue Entdeckung im Bereich Gerichtskrimi und unterhaltsam für zwischendurch und Michael Connelly geht eigentlich immer. Irgendwie bin ich unaufhörlich auf der Jagd nach dem Besonderen. Höchstpunktzahl gab es für die folgenden Highlights, die auch noch Sieger des diesjährigen Deutschen Krimipreises wurden:

James Kestrel – Fünf Winter
Der Protagonist namens Joe McGrady ist ein Detective des Honolulu PD. Bei der Aufklärung eines brutalen Doppelmordes an einem jungen Paar folgt er einer Spur, die ihn nach Hongkong führt. Das wird allerdings kurz nach seiner Ankunft von den Japanern besetzt. McGrady wird verhaftet und nach Japan deportiert. Ganze fünf Jahre kann er sich bei einem japanischen Diplomaten und dessen Tochter verstecken. Fünf Jahre, in denen er nur in der Dunkelheit an die frische Luft kann und die schwere Bombardierung Tokios durch seine Landsleute erlebt, bis er sich wieder der Morduntersuchung widmen kann. Kestrel begeisterte mich in diesem Mix aus Thriller, historischem Kriminalroman, Kriegsdrama und Romanze durch bildhafte Erzählweise, düstere Atmosphäre, feine Figurenzeichnungen, ein Held im Noir-Stil und exotische Settings. Episch!

Andreas Pflüger – Wie sterben geht
Mit einer großen Vorliebe für Spionagegeschichten waren meine Erwartungen sehr hoch und wurden noch übertroffen. Nina Winter, eigentlich eine Schreibtischagentin, begibt sich Anfang der Achtzigerjahre auf ein Himmelfahrtskommando als Verbindungsoffizierin nach Moskau. Wir sind live dabei, wenn Winter in einem Intensivkurs lernt, wie man tote Briefkästen anlegt, Verfolger abschüttelt oder sich in Moskau unauffällig verhält, z.B. wie jeder Russe ins Leere zu blicken, um nicht als Westlerin erkannt zu werden. Vom ersten Satz des Thrillers entwickelt Pflüger ein mitreißendes Kopfkino, wenn der spektakuläre Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke maximal schief läuft. „Wie sterben geht“ hat alles was ein guter Thriller braucht. Einen spannungs- und actionreichen Plot, eine lyrisch verdichtete Sprache mit lakonischen Dialogen, ambivalente Figuren und eine Heldin, mit der man mitzittert. Das Besondere ist der zeithistorische Kontext. Die Bedrohungsszenarien des Kalten Krieges sind jederzeit spürbar. Recherche-Junkie Pflüger war schon mitten in der Arbeit an diesem Thriller, als 2022 Russland die Ukraine überfiel und er überlegte, abzubrechen. Gottseidank hat er es nicht getan. Perfekt!

Robert Harris – Vaterland
Zum Ende des Jahres noch ein älterer Thriller, den ich im Rahmen unseres Themenspecials „Alternativweltgeschichten“ entdeckte. In dem Debüt des englischen Autors von 1992 hat Deutschland den Krieg gewonnen. Es ist mittlerweile 1964 und Xaver March, ein Berliner Kriminalkommissar und SS-Obersturmbannführer soll den Tod eines ehemaligen hochrangigen Parteifunktionärs aufklären. Als weitere Ex-Parteibonzen zu Tode kommen, die Gestapo den Fall, mit der offensichtlichen Absicht etwas zu vertuschen, an sich reißt, ermittelt March heimlich unter Lebensgefahr weiter. Mit Hilfe einer amerikanischen Journalistin verfolgt er eine Spur nach Zürich und deckt eine gefährliche Wahrheit auf. Harris beeindruckt mit einem überzeugenden Bild eines authentisch anmutenden, düsteren Nachkriegsdeutschlands, in der tatsächliche Geschichte und Fiktion geschickt zusammengefügt werden. Ein unheilvolles Gedankenspiel, rasant und spannend in Form eines Polizeiromans erzählt. Bestimmt nicht mein letztes Buch von Robert Harris, von dem ich noch nichts gelesen hatte. Beklemmend!

Gunnars Top 3 in 2023

Traditionell nehme ich ja nur Neuerscheinungen aus dem ausgelaufenen Jahr in meine Jahresbestenliste auf. Dabei fiel mir auf, dass ich dieses Jahr etwas zurückhaltend mit der Höchstnote war. Erst im November habe eine 5,0 vergeben und war mir mit Andy da sowas von einig, dass der Roman das Jahreshighlight war (und damit waren wir nicht allein). Neben den gleich genannten Titeln mochte ich außerdem sehr: „Alles schweigt“ von Jordan Harper, „Zeit der Schuld“ von Deepti Kapoor, „Fünf Winter“ von James Kestrel, „Seventeen“ von John Brownlow und „Antoniusfeuer“ von Monika Geier. Aber nun meine Top 3:

Andreas Pflüger – Wie sterben geht
Andy hat oben ja schon ausführlich Lobeshymnen verbreitet. Dem kann ich mich einfach nur anschließen. Ein ziemlich perfekter Spannungsroman mit Spionage, Verrat, Täuschung, Liebe, Loyalität, 80er, Kalter Krieg, Moskau, Berlin. Dazu wie immer ein auch literarisch gut aufgelegter Autor, der uns zudem bei seiner Lesung Anfang November in Dortmund mit äußerst interessanten Anekdoten rund um sein Buch zu unterhalten wusste. Es ist ja fast schon unheimlich, wie ausnahmslos der Roman von Bloggern und Kritikern gefeiert wird. Aber völlig zurecht. Der Thriller des Jahres!

Percival Everett – Die Bäume
Eine Plotidee, an der man sich eigentlich nur verheben kann. Percival Everett aber gelingt das Unmögliche. Er schreibt einen politisch-satirischen Zombie-Horror-Krimi-Mix, der gleichzeitig urkomisch ist und bei dem einem andererseits das Grinsen aber sofort wieder erstirbt. Der Plot in aller Kürze: In Money, Mississippi, werden White-Trash-Männer ermordet, die familiär im Zusammenhang mit rassistischen Tätern aus der Vergangenheit stehen. Neben den Leichen wird zudem die Leiche eines jungen, schwarzen Mannes gefunden, die verdächtig nach Emmett Till aussieht, ein vor 60 Jahren gelynchter Schwarzer. Doch diese Leiche verschwindet kurz darauf wieder spurlos – die Untoten gehen um in Money! Herrlich, wie Everett die ewig gestrigen Rednecks, den KKK und andere Rassisten hier durch den Kakao zieht und bestürzend, wie er das Augenmerk nochmal auf all die Opfer von Rassismus und Hass lenkt. Aberwitzig, aber grandios!

Joe Wilkins – Der Stein fällt, wenn ich sterbe
Um das Genre „Country Noir“ ist es in Deutschland nach einem Hype von einigen Jahren inzwischen etwas ruhiger geworden. Dass es aber immer noch herausragende Romane aus diesem Genre gibt, beweist für mich in diesem Jahr Joe Wilkins mit diesem Roman, der im Osten Montanas spielt. Wir begleiten Wendell, einen jungen Mann, der allein in seinem Trailer lebt und sich nun um den siebenjährigen Sohn seiner inhaftierten Cousine kümmern soll. Wendell ist außerdem der Sohn von Verl, einem Redneck, der vor fast zwanzig Jahren einen Ranger erschoss, in die Berge floh und seitdem als vermisst gilt. Auf ihn berufen sich nun wieder einige Aufrührer und bereiten sich auf einen gewaltsamen Widerstand gegen den Staat vor. Wilkins nimmt sich sehr viel Zeit für Figuren, Setting und Stimmungen und lässt das Ganze dann in einem Höhepunkt kulminieren. Ein Roman, dem ich mehr Aufmerksamkeit gegönnt hätte. Eindringlich!

Weiterlesen I: Die Preisträger des Deutschen Krimipreises 2023

Weiterlesen II: Die Krimijahresbestenliste 2023

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