Ellen Dunne | Unfollow Stella (Band 4)
Die Münchner Kommissarin Patsy Logan scheint endgültig in ihrer zweiten Heimat Dublin gestrandet. Nach diversen Problemen sowohl auf ihrer Dienststelle bei der Kripo als auch mit ihrem Mann war Patsy zu ihrer Cousine nach Dublin gefahren, um dort den Kopf frei zu bekommen. Und um dort gleich mal in Ermittlungen verwickelt zu werden (siehe Band 3 „Boomtown Blues“). Nun hat sich die Pandemie auch in Irland breit gemacht und die Probleme scheinen sich nicht aufzulösen, vielmehr ist die Ehe am Ende und eine Rückkehr zur Münchner Kripo scheint von ihrem ehemaligen kollegialen Freund Stani, der nun die Dienststelle leitet, nicht mehr gewünscht.
Somit spricht für Patsy nichts dagegen, erneut vom österreichischen Attaché Sam Feurstein bei einer unangehnehmen Angelegenheit hineingezoge zu werden. Die junge Österreicherin Stella Schatz lebt seit einiger Zeit in Dublin und wird von ihrer Familie seit kurzem vermisst. Stella war vor allem mit ihrem Bruder, der in Singapur lebt, in regelmäßigem Austausch und auch sonst in Social Media relativ aktiv. Doch seit einiger Zeit herrscht totale Funkstille. Feurstein möchte das Verschwinden gerne lösen, ohne offiziell die irische Polizei um Mithilfe bitten zu müssen.
Stellas Spur führt zu ihrem letzten Arbeitgeber, einer Firma, die für einige großen Social Media-Player den Content nach anstößigem Material durchforstet und solches dann entfernt. Ein Knochenjob, den Stella jedoch offenbar zur Zufriedenheit aller erledigt hat. Der Arbeitgeber tut auch relativ harmlos, behauptet, Stella hätte Urlaub genommen und würde schon wieder auftauchen. Doch Patsy spürt, das da etwas nicht stimmt, verbeißt sich in den Fall und ist sich sicher, dass Stellas Verschwinden irgendetwas mit ihrer Arbeit in den dunklen Sümpfen des Netzes zu tun hat.
Sie quietschte wehleidig beim Öffnen. Elektrische Zahnbürste, Stückseifen, ein Kulturbeutel voll veganer Schminksachen, Gesichtscreme für die Haut ab 30. Ausnahmslos Marken aus deutschen Drogeriemarktketten. Ich ertappte mich bei einem Lächeln. Ja, die vermisste ich auch.
Apropos. Nirgendwo in diesem Zimmer schien etwas zu fehlen. Alle Schubladen quollen über mit Sachen. Unter dem Bett sammelte ein großer Koffer Staub, daneben noch ein kleiner.
Als hätte sich Stella Schatz in Luft aufgelöst. (Auszug S.60)
Mit dem dritten Band „Bowntown Blues“ hatte die österreichische Autorin Ellen Dunne, die seit langem in Irland lebt, der Reihe um Patsy Logan nochmal einen richtigen Schub verpasst, der auch prompt mit den „Glauser“ 2023 für den besten Roman belohnt wurde. Und Ellen Dunne kann durchaus daran anknüpfen, stellt ihre von einer Art Midlife-Crisis gebeutelte Kommissarin als Ich-Erzählerin in den Mittelpunkt, die allerdings lakonisch-ironisch-schlagfertig ihren und den Zustand ihrer Umgebung kommentiert. Außerdem traut die Autorin sich, der ungeschriebenen Krimiregel zu trotzen, dem Leser möglichst schnell eine Leiche zu präsentieren. Allzu lange bleibt der Leser im Ungewissen, ob Stella Schatz wirklich verschwunden ist und ob überhaupt hier irgendwo ein Verbrechen vorliegt.
Doch dass hier etwas im Argen liegt, wird durchaus klar gemacht. Zentrales Thema ist der ungebremste Content-Overkill in diversen sozialen Netzwerken und der rettungslos verzweifelte Versuch, pornografisches, gewalttätiges, volksverhetzendes oder allgemein für die Werbekunden anstößiges Material von den Seiten zu entfernen. Hierzu hat sich ein gar nicht mehr so kleines und lukratives Gewerbe etabliert, dass allerdings relativ präkere Arbeitsbedingungen geschaffen hat und die Mitarbeiter permanent mehr als verstörendem Content aussetzt. Was das mit den Personen macht, die natürlich keine oder nur unzureichende psychologische Betreuung erfahren, das ist eine Erkenntnis aus diesem Krimi. Somit bleibt auch „Unfollow Stella“ dem guten Weg der Reihe treu und sei allen Lesern empfohlen, die neben einer interessanten Hauptfigur mit allerlei Blessuren im Gepäck auch von gesellschaftlich relevanten Themen in ihrem Krimi lesen wollen.
Foto und Rezension von Gunnar Wolters.
Unfollow Stella | Erschienen am 30.09.2023 im Haymon Verlag
ISBN 978-3-7009-7965-5
312 Seiten | 13,95 €
Bibliografische Angaben & Leseprobe
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