Tag: 8. Juni 2019

Gabriella Wollenhaupt | Grappas Gespür für Schnee

Gabriella Wollenhaupt | Grappas Gespür für Schnee

Grandi musterte mich neugierig. Ich machte keinerlei Anstalten, mich vorzustellen. Leider wusste Kleist, was sich gehörte, und nannte meinen Namen. „Sie sind Frau Grappa?“ Sie lachte. Es klang, als würde sich eine Katze erbrechen. (Auszug Seite 46)

Maria Grappa ist rasende Investigativ-Reporterin beim örtlichen Brierstädter Tageblatt, dort hauptsächlich mit kommunalpolitischer Berichterstattung betraut. Ihr zur Seite steht der Pressefotograf Pöppelbaum, der ihre scharfzüngigen Artikel bebildert. Jansen, der Chef der Tageszeitung, weiß um Marias Verbissenheit und journalistischen Qualitäten. Sie selbst zweifelt etwas an ihrem Lebensentwurf, ist sie doch inzwischen in den Fünfzigern, nicht verheiratet und kinderlos und offiziell auch in keiner Beziehung. Allerdings hat sie eine nicht näher definierte intime Beziehung zum Bierstädter Hauptkommissar der Mordkommission, Dr. Friedemann Kleist, mit dem sie auch beruflich eng zusammenarbeitet.

Grappas Gespür für Schnee (aus dem Jahr 2009) ist bereits der 19. Band dieser gerade erst von mir zufällig bei einem Bücherflohmarkt entdeckten Krimireihe. Ich war ganz schön erstaunt ob der Schreibfreudigkeit der Autorin Gabriella Wollenhaupt, hat sie doch von 1993 bis dato immerhin 30 Teile dieser hervorragend spitzbübischen Krimis veröffentlicht, dazu alle im selben Verlag. Doch ich war auch erfreut, denn ich muss sagen, dass ich von der ersten bis zur letzten Seite ausgezeichnet unterhalten wurde. Gabriella Wollenhaupt tut sich humoristisch nicht durch derbe Plattitüden und abgedroschene Phrasen hervor, sondern hat einen augenzwinkernden, intelligenten Blick auf die Spezies Mensch und vermag es, Ihren Figuren Leben einzuhauchen, so dass sie für den Leser Gestalt annehmen. Ich vermute, dass, liest man weitere Bände, sich ein sukzessiv verfeinernder Eindruck der wiederkehrenden Charaktere einstellen wird.

Im vorliegenden Titel geht es zuerst nur um ein Gerücht, nämlich dass im Rathaus, insbesondere im Umfeld des Oberbürgermeisters Nagel, gekokst wird. Grappa begibt sich auf Spurensuche und stolpert ziemlich rasch unverhofft über die Tote Jessica Brühl, die im Büro des OBs Dienst tat, bis sie zwei Wochen zuvor entlassen wurde. Auf dem Handy der Toten finden sich eindeutige Fotos der Bierstädter Politprominenz bei ausgelassenen Orgien mit leicht bekleideten Damen in eindeutigen Posten und es stellt sich die Frage, ob im Rathaus von Bierstadt freizügige Orgien auf Staatskosten abgehalten wurden. Als kurz darauf ein junges Brautpaar unmittelbar nach der Trauung vor dem Rathaus erschossen wird und sich herausstellt, dass die tote Braut Sekretärin im SPD-Parteibüro war und hoch abgefunden wurde, ist Grappa nicht mehr zu bremsen. In einem Wettlauf mit der schräg aufgedonnerten und unmöglich wirkenden Milva Grandi – Konkurrentin bei der BILD – folgt sie ihren Instinkten und beißt sich an der Story fest.

Als Tatortermittler kommt Dr. Friedemann Kleist ins Spiel und ich muss sagen, dass ich die Scharmützel der beiden ziemlich amüsant fand. Es gibt, wie schon gesagt, die berufliche und die private Ebene zwischen den beiden. Und es wird deutlich, dass beide sich aus Angst in Zurückhaltung üben, wobei die Hintergründe in diesem Buch nicht offenbart wurden. Doch ich hatte den deutlichen Eindruck, dass Dr. Kleist nicht erst in Band 19 installiert wurde. Für gewöhnlich finde ich all zu ausufernde private Nebenschauplätze lässlich bis störend, aber es gelingt der Autorin, dass die Gemengelage homogen aufgeht.

Gabriella Wollenhaupt glänzt durch Wortwitz, Menschenkenntnis, Recherchevermögen und einem sehr angenehmen flüssigen Schreibstil. Kategorisieren würde ich den Krimi als humorvolle Geschichte, komischen Krimi. Aber er zeichnet auch ein sehr bekanntes Bild von lokalpolitischem Filz, weshalb man als Politikinteressierter einmal mehr auf seine Kosten kommt. Grappas Gespür für Schnee ist ein leichter Krimigenuss, der nicht durch Blödeleien und Flachwitze langweilt und dessen Auflösung man entgegenfiebert! Für mich ist „Grappa“ eine wunderbare Entdeckung, die ich gerne weiterempfehle.

 

Rezension und Foto von Nora.

Grappas Gespür für Schnee | Erschienen am 19. Mai 2009 im Grafit Verlag
ISBN 978-3-89425-359-2
252 Seiten | 8.95 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe