Martin Walker | Reiner Wein
Im Wein liegt die Wahrheit – aber es gibt Wahrheiten, die will man lieber nicht wissen.
In Martin Walkers sechstem ›Bruno‹-Roman geht es um einen glorreichen Eisenbahnraub durch die französische Résistance und die unrühmliche Verwendung der Beute. Um gestohlene Weine und Antiquitäten, deren Besitzer sich als britischer Geheimdienstchef a.D. entpuppt. Und um eine Enthüllungsstory über Frankreichs Nuklearverteidigung, die kurz vor Drucklegung entwendet wird. Diese scheinbar unzusammenhängenden Verbrechen bringen Brunos unvergessene Liebe, Inspectrice Isabelle, auf den Plan.
Martin Walkers Périgord-Krimi »Reiner Wein« war mein erstes Zusammentreffen mit seinem Ermittler, Bruno, Chef de police. Spontan dachte ich nach den ersten Kapiteln, dass mir mit dem späten Einstieg in diese Serie etwas entgangen ist – nämlich Brunos erster bis fünfter Fall.
Zu Beginn des sechsten Falls wird Bruno an den Tatort eines Einbruchs gerufen. Im Haus eines erst kürzlich Verstorbenen wurden wertvolle antiquarische Möbel, kostbarer Wein und Kunstgegenstände geraubt. Der Tote selbst hält eine alte französische Banknote in Händen, die Bruno alsbald als eine mögliche Note aus einem lange zurückliegenden Eisenbahnraub durch die französische Résistance erkennt. Als sich herausstellt, dass der Verstorbene ein ehemaliger Chef des britischen Geheimdienstes war und in einem Ferienhaus eine männliche Leiche gefunden wird, nimmt die Geschichte Fahrt aus. Es stellt sich heraus, dass der Partner des im Ferienhaus tot aufgefundenen Engländers ein französischer Antiquitätenhändler ist, welcher spurlos verschwunden ist.
So ermittelt Bruno zeitgleich in mehrere Richtungen und ahnt schon bald einen übergeordneten Zusammenhang der beiden Fälle, dazu findet er noch eine Spur zu einem zehn Jahre zurückliegenden Fall, seinem ersten, den er nie aufklären konnte. Doch dabei wird es in »Reiner Wein« nicht bleiben, denn ein Enthüllungsjournalist vertraut Bruno an, dass er zur atomaren Unabhängigkeit Frankreichs sowie zu dem populären Eisenbahnraub ein Buch veröffentlichen wird, welches schon im Vorfeld für große Anspannung sorgt, denn Frankreich sieht durch die Aufdeckung brisanter Dokumente seinen politischen Frieden gefährdet.
Politik ist aber nicht Brunos einziges Minenfeld, denn er bewegt sich – neben und während seiner Arbeit – auf wackeligem Terrain in Sachen Frauen. Sowohl in Liebesdingen als auch in kulinarischer Hinsicht ist er durchaus kein Kostverächter. Überhaupt wird in dem Roman gekocht und gespeist, was das Zeug hält. Das hat mich an Donna Leons Commissario Brunetti-Krimis erinnert. Im Grunde pflege ich keine Vergleiche, aber für mich war Martin Walkers Roman ein Krimimix aus Andrea Camilleri und Donna Leon, was das Gesamtwerk für mich auch etwas blasser erschienen ließ.
Keine Frage: Martin Walker lässt sich flüssig und gut verständlich lesen, ist zudem interessant in der Themenauswahl und Bruno ist ein sympathischer Charakter. Nichtsdestotrotz bin ich mit der ganzen Geschichte nicht warm geworden. Es fehlte mir an der ein oder anderen Stelle eine erklärende Hilfestellung, wie zum Beispiel für einige Figuren, deren Einführung ich durch das Nichtlesen von Band 1 bis 5 versäumt habe. Wie bei manchen anderen Serien auch, macht es wohl durchaus Sinn, Martin Walkers Krimis chronologisch zu lesen. Für meinen Geschmack hätte es auch einen Hauch spannender sein dürfen.
Mir persönlich war zudem viel zu viel Privatleben Schauplatz der Handlung. Die verworrenen Beziehungen, die Bruno pflegt, die vielen Essen mit Freunden, welche konturenlos blieben, und nicht zuletzt die Zubereitungsanleitungen seiner Gerichte. Es wundert mich daher nicht, dass im Oktober ein Kochbuch zur Krimireihe im Diogenes Verlag erscheinen wird: Brunos Kochbuch.
Reiner Wein | Erschienen am 30. April 2014 bei Diogenes
416 Seiten | 22,90 Euro
Leseprobe
One Reply to “Martin Walker | Reiner Wein”
Bisher habe ich um Bruno einen Bogen gemacht – und dabei wird es nach deiner Besprechung auch bleiben. Danke für diese Rezension!