Volker Klüpfel & Michael Kobr | Kluftinger Bd. 10

Volker Klüpfel & Michael Kobr | Kluftinger Bd. 10

Einen Kluftinger-Krimi im wahrsten Sinne des Wortes kredenzen uns die beiden Autoren Volker Klüpfel und Michael Kobr zum Jubläum: zum zehnten Mal ermittelt der Allgäuer Kommissar auf seine unnachahmliche Art, diesmal sogar in eigener Sache.

Kommissar Kluftinger aus Altusried im Allgäu hat mittlerweile reichhaltige Erfahrungen in der Ermittlungsarbeit vorzuweisen. So scharfsinnig er seine Fälle löst , so tollpatschig ist er oft, technischen Neuerungen nicht gerade aufgeschlossen gegenüber und immer bereit, in so manches Fettnäpfchen zu treten. Gegen die gut gemeinten Bevormundungen seiner Eltern und seiner Frau kommt er nicht wirklich an, obwohl er mittlerweile stolzer Opa ist. Sein spezieller „Freund“ ist der stets allwissende und sich einmischende Dr. Langhammer (in diesem Buch auch noch Besitzer eines aufdringlichen Hundes), den er immer wieder versucht, außen vorzulassen – was ihm allerdings auch nicht gelingt. In Kluftiger erfahren wir sogar seinen bisher unbekannten vollen Vornamen. In seiner Freizeit spielt er die große Trommel in der örtlichen Musikkapelle und wirkt bei einem Laienspieltheater mit. Eine besondere Vorliebe hat er für die Kässpatzen seiner Frau Erika und seinen uralten VW Passat.

Kluftinger wird beim alljährlichen Friedhofsrundgang mit seiner Familie zu Allerheiligen auf eine immer größer werdende Menschenansammlung aufmerksam; eine sich aus der Menge lösende Frau stößt bei seinem Anblick einen spitzen Schrei aus. Natürlich will er nun wissen, was da los ist. Als er es endlich bis zu dem frisch angelegten Grab geschafft hat, wird ihm ganz anders: auf dem Holzkreuz steht sein eigener Name. Ist das nun ein dummer Streich oder hat es jemand auf ihn abgesehen?

Eine erste Spur tut sich auf, als er einen Anruf von Heinz Rösler erhält, einem ehemals legendären Seriendieb, der ihm bei der Aufklärung bei einem seiner spektakulärsten Fälle, einem Kunstraub, geholfen hatte. Rösler teilt ihm mit, dass der an diesem Kunstraub beteiligte Albert Mang, genannt der Schutzpatron, wieder in der der Nähe ist und eventuell hinter der Sache stecken könnte. Als Kluftinger von Dr. Langhammer (natürlich) darauf aufmerksam gemacht wird, dass es sich bei dem Spruch auf dem Kreuz um ein Zitat von Albertus Magnus handelt, ist Kluftiger sich ziemlich sicher, dass Rösler ihn auf die richtige Spur gebracht hat. Dazu passt auch, dass in einem Museum oberhalb des Kochelsees ein wertvolles Gemälde, das den Friedhof (!) von Kochel darstellt, trotz hochmoderner Sicherheitsvorkehrungen gestohlen wurde.

Kurz darauf taucht in der Zeitung eine Todesanzeige mit seinem Namen und dem Spruch „We’ll fly you to the promised land“ auf, ein Spruch, der ihn an ein Ereignis in seiner Jugend erinnert, ein dunkles Kapitel, dass er bisher erfolgreich verdrängt hatte.

Die anderen fünf erhoben sich, bildeten einen Kreis, und jeder streckte die rechte Hand so in die Mitte, dass sie sich alle über der Glut trafen. Ich schwöre, über die Sache heute abend mit niemandem außer der Clique zu sprechen, egal, was kommt. Für immer und ewig. Auf Leben und Tod“, sagte Hotte eindringlich, und alle sprachen die Worte murmelnd nach. (Seite 151)

Das damals erlebte war wohl für Kluftinger auch mit einer der Gründe, später in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und ebenfalls Polizist zu werden. Im weiteren Verlauf der Handlung taucht noch ein weiterer Hinweis des Täters auf: in der Kirche findet seine Mutter beim Rosenkranzgebet Sterbebildchen, darauf ein ca. dreißig Jahre altes Foto von Kluftinger.

Das Bild sah aus, als habe man es von einem anderen kopiert. Er stutzte. War das nicht das Portrait, das er beim Fotografen hatte machen lassen, für seinen ersten Dienstausweis als Steifenpolizist? Es war auch einmal in einer Zeitung veröffentlicht worden, damals, bei seinem ersten großen Fall am Funkensonntag. Dieser grauenvollen Geschichte, in die er nur durch Zufall hineingeraten war und die doch so viel verändert hatte. (Seite 279)

Kluftinger hat es somit gleich mit Spuren zu drei alten Fällen zu tun, die einen eventuellen Täter veranlassen könnten, ihm nach dem Leben zu trachten.

In Kluftinger, dem mittlerweile zehnten dieser Reihe, geben die Autoren auch Einblick in die Jugendzeit von Kommissar Kluftinger, sowohl in negative (mit seiner alten Clique) als auch in positive Ereignisse; sehr schön der mit Augenzwinkern geschilderte erste Besuch seiner damaligen Freundin Erika (seiner jetzigen Ehefrau) bei seinen Eltern, aber auch die erste Begegnung mit seinem späteren, damals noch jugendlichen, Intimfeind Dr. Langhammer. Man erfährt auch, wie Kluftinger durch seine Mitarbeit in einem spektakulären Mordfall vom einfachen Steifenpolizisten zum Kripobeamten wird und dass er einstmals die Bewerbung eines mittlerweile auch berühmten Kommissars (ein wunderbarer Seitenhieb der Autoren, gemeint ist der Garmisch-Partenkirchener Kommissar Jennerwein, Alpenkrimilesern wahrscheinlich ebenfalls bestens bekannt) als neuer Mitarbeiter für sein Team abgelehnt hat. Auch die bisher bekannten Sticheleien unter den Kollegen sind wieder dabei, allerdings muss sich Eugen Strobl bei den Autoren irgendwie unbeliebt gemacht haben. Der kommt diesmal ziemlich schlecht weg, andererseits spielt er aber auch eine bedeutende Rolle, als es für Kluftinger gefährlich wird.

Was den Plot besonders auszeichnet, ist die Verknüpfung von bisherigen Fällen des Kommissars, sowohl von uns Lesern bisher unbekannten Mordfällen als auch dem aus Band sechs (Schutzpatron) bekannten Kunstraub. Mit dieser genialen Idee, die Kluftingers neuen Fall zwischen Vergangenheit und Gegenwart ansiedelt und nicht nur den Kommissar, sondern auch uns Leser immer wieder von einer augenscheinlich sicheren Spur abbringt, haben die Autoren etwas besonderes für den Jubiläumsfall geschaffen.

Die auch in der Vergangenheit unterschiedlichen Handlungsstränge sind in einem sich stetig steigernden Spannungsbogen verknüpft. Aber auch der aus den bisherigen Romanen bekannte Humor kommt nicht zu kurz. Etwas, was mir immer sehr gut gefällt, weil er Kluftinger auch sehr sympathisch macht: ein gewiefter Kommissar mit Fehlern und Schwächen, die er nicht so gerne zugibt (zum Beispiel die Schwierigkeiten des Enkelhütens, denen er versucht, mit technischen Möglichkeiten Herr zu werden), ihn aber sehr menschlich rüberkommen lassen.

Fazit: Alles in allem ein sehr gelungener Roman, Lesevergnügen pur. Für mich mit einer der besten der Reihe und auf jeden Fall empfehlenswert. Ob der Schlussabsatz bereits auf den nächsten Fall hinweist? Ich bin gespannt!

Volker Klüpfel, Jahrgang 1971, stammt wie der Kommissar aus Altusried und lebt mit seiner Familie im Allgäu, studierte in Bamberg Politikwissenschaft und Geschichte. Nach einer Tätigkeit bei einer Zeitung in den USA, der Augsburger Allgemeinen und beim Bayrischen Rundfunk entschied er sich jedoch endgültig für die Schriftstellerei.
Michael Kobr, Jahrgang 1973, geboren in Kempten/Allgäu, lebt mit seiner Familie im Unterallgäu, studierte in Erlangen Germanistik und Romanistik und arbeitete zunächst als Realschullehrer, diese Tätigkeit gab er (zum Glück) zugunsten der Schriftstellerei auf.

Die bisherigen Bücher brachten ihnen bereits mehrfach Auszeichnungen ein; mittlerweile halten sie an unterschiedlichsten Orten stets gut besuchte Lesungen mit schauspielerischem Einsatz, vor kurzem lieferten sie sich sogar in SAT 1 ein Krimi-Duell mit einem tatsächlichen Ermittler, das sie – wenn auch knapp – gewannen. Man darf auf Weiteres gespannt sein.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

Kluftinger | Erschienen 27. April 2018 bei Ullstein
ISBN 978-3-550-08179-8
480 Seiten | 22.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Rezensionen zu Grimmbart, dem 8. Band dieser Reihe, auf krimirezensionen.de

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