Corinna Kastner | Bodden-Nebel Bd. 2
„Schließlich gab ich auf und trat an das geschwungene Gaubenfenster, aus dem ich tagsüber einen wunderbaren Blick in den Garten und auf den Bodden hatte, bis hinüber zum anderen Ufer. Bei besonders klarer Sicht konnte ich sogar die Kirchturmspitze von Ribnitz erkennen, in den letzten Tagen allerdings nicht. Nebelschwaden hüllten das Fischland ein, mal mehr, mal weniger. Sogar jetzt im Dunkeln konnte ich sie ausmachen, es war, als ob sich die Nacht bewegte, schön und etwas unheimlich gleichermaßen.“ (Auszug Seite 9)
Greta Röwers recherchiert für eine Biografie über eine Dichterin, als sie von ihrem Auftraggeber Daniel von dem Tod seiner Tante Gertrud erfährt, die die Schwester der Dichterin war und die Greta ebenfalls für ihr Buch befragt hat. Daniel ist allerdings skeptisch, dass seine Tante auf natürlichem Wege gestorben ist und geht von Fremdverschulden aus, denn er hat in ihren Habseligkeiten eine Kette mit einem eingravierten „T“ und einige Briefe gefunden, die sie vor ihrem Tod noch nicht besaß. In einem Brief geht es darum, dass 1943 in Wustrow vier Royal-Air-Force-Soldaten abgestürzt sind, in allgemeinen Überlieferungen ist aber immer nur von drei Soldaten die Rede. Was ist also mit dem vierten geschehen? Greta und ihr Mann Matthias beginnen zu recherchieren und werden tief auch in die eigene Vergangenheit gezogen.
Die Bodden-Reihe geht in die zweite Runde
Bodden-Nebel von Corinna Kastner ist der zweite Krimi um die Schriftstellerin Greta. In dem ersten Buch schreibt sie für ihren jetzigen Mann Matthias eine Biografie über dessen Großvater. Es ist sinnvoll, Bodden-Tod vorab zu lesen, da so die Zusammenhänge in dieser Geschichte leichter zu erfassen sind, es ist aber nicht zwingend notwendig. Ich habe mich trotz der Vorkenntnisse des vorherigen Krimis zu Beginn dieser Handlung etwas schwer getan mit den ganzen Namen und wer zu wem in welcher Beziehung steht. Ab dem zweiten Drittel wurde es dann für mich aber durchsichtiger.
Tolle Protagonistin
Greta Röwers und ihr Mann Matthias sind die beiden Protagonisten, wobei mir vor allem Greta unheimlich sympathisch ist. Früher hat sie ihr Geld mit Groschenromanen verdient, bis sie mit den Biografien begonnen hat. Ich kann mich sehr gut in Greta hineinversetzen, auch weil die Geschichte in Ich-Form geschrieben wird. Sehr gut vorstellen konnte ich mir beispielsweise, wie sie an ihrem Schreibtisch vor dem Laptop sitzt und über den nebelverhangenen Bodden schaut. Die Stimmung im Buch wird besonders gut erfasst, dadurch dass ununterbrochen dicker Nebel über das Fischland wabert.
Viel Zufall
Insgesamt fand ich die Recherche um den vierten Soldaten mit etwas zu viel Zufall gespickt. Alle beschriebenen Begegnungen und Erinnerungen innerhalb von zwei Wochen haben unweigerlich mit der Ermittlung zu tun und bringen diese natürlich auch weiter. Das Ende der Geschichte und die komplette Auflösung werden mit einem Spannungsbogen gekrönt, der allerdings nicht überladen ist, was mir sehr gefällt.
Fazit: Spannender Krimi mit Blick in die Vergangenheit bei nebelverhangener Bodden-Kulisse und etwas Romantik. Klare Empfehlung!
Corinna Kastner wurde 1965 in Hameln geboren. Sie arbeitet am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung in Hannover und fühlt sich an der Ostsee am wohlsten. Besonders das Fischland inspiriert sie sowohl schriftstellerisch als auch fotografisch. Seit 2005 veröffentlicht sie Schauplatz orientierte Spannungsromane und seit sieben Jahren ihre Küstenkrimis, die auf dem Fischland spielen.
Rezension und Foto von Andrea Köster.
Bodden-Nebel | Erschienen am 25. Juli 2019 im Emons Verlag
ISBN 978-3-74080-644-3
416 Seiten | 12.90 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe
Auch bei uns: Rezension zu Bodden-Tod, dem ersten Band der Serie, sowie zu den Romanen Fischland-Verrat und Fischland-Angst der Autorin Corinna Kastner.