Tag: 30. Mai 2024

Elmore Leonard | Letztes Gefecht am Saber River

Elmore Leonard | Letztes Gefecht am Saber River

Elmore Leonard ist natürlich eine Legende der Kriminalliteratur. Der 2013 verstorbene Autor veröffentlichte mehr als 40 Romane. Leonards Romane waren dabei vor allem Milieuschilderungen und Gangsterromane, dialoglastig und mit szenischem Stil. Daher wurden zahlreiche seiner Romane auch verfilmt, etwa „Get Shorty„, „Jackie Brown“ oder „Out Of Sight“. Seine Autorenkarriere begann Leonard allerdings wie bei so einigen anderen als Autor von Westerngeschichten und Westernromanen. Begannt aufgrund der anschließenden Verfilmungen sind etwa „Valdez“ oder „3:10 to Yuma„. Die Geschichte des Westernautors Elmore Leonard lässt sich übrigens in zwei interessanten Beiträgen von Alf Mayer und Frank Göhre im Crimemag online nachlesen. Dennoch sind von Leonards Western bislang nur ein paar ins Deutsche übersetzt. Der Liebeskind Verlag, in Sachen Neu- und Wiederentdeckungen von Western im letzten Jahrzehnt sehr umtriebig, hat sich nun eines Romans aus dem Jahre 1959 angenommen: „Last Stand At Saber River“.

Im Frühjahr 1865 ist der amerikanische Bürgerkrieg in seinen letzten Zügen, allerdings bekommt man davon im Tal des Saber River in Arizona nicht viel mit. Paul Cable ist ein Veteran der Konföderierten, hat zwei Jahre gekämpft, wurde verwundet und kehrt nun mit seiner Frau Martha und seinen drei Kindern zurück auf sein Stück Land. Doch vorher kommt er am Gemischtwarenladen Denaman’s Store vorbei. Doch anstelle des alten Denaman hat ein anderer den Laden übernommen. Edward Janroe, auch er ein Veteran, hat einen Arm im Krieg gelassen. Er konfrontiert Cable direkt damit, dass sich jemand anderes auf seinem Land und in seinem Haus breit gemacht hat. Sein Nachbar auf der anderen Seite des Bergkamms, Vern Kidston, hat seine Pferde auf Cables Weide getrieben und einige seiner Männer in Cables Haus untergebracht.

„Nun…“, Cable hielt das Glas hoch und betrachtete es im Licht, das durch das Fenster hinter Janroe fiel, „ich kann es ihm nicht verdenken, es ist gutes Weidegras.“ Er nahm einen Schluck von dem süßliches Schnaps. „Aber nun wird er dafür sorgen, dass seine Männer abziehen. Das ist alles.“
„Glauben Sie das?“
„Wenn er das Haus nicht räumt, hole ich das Gesetz.“
„Welches Gesetz?“. (E-Book Pos. 223)

Das ist allerdings ein Problem, denn Vern Kidston beliefert das nahegelegene Camp der Unionssoldaten. Cable kann kaum auf Unterstützung hoffen. Dennoch zieht er los und vertreibt Kidstons Männer. Doch das kann Vern natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Die Eskalationsschraube zieht an und im Hintergrund hat Janroe seine ganz eigene Agenda.

Für einen Augenblick dachte er: Man kann auch zu ehrlich mit sich sein und alles verlieren. Er zögerte, weil dies ein einfaches Prinzip war, fast eine Frage von Schwarz oder Weiß, und welche Grautöne auch immer auftauchten, welche Zweifel er auch immer haben mochte, sie wären nicht stark genug, um einen Mann kaltblütig zu erschießen. (E-Book Pos. 2728)

Drei Männer stehen offen im Vordergrund der Geschichte: Paul Cable, der Veteran, der sich sein Land und Haus mit Recht zurückholt und dies auch verteidigt, Vern Kidston, der das Recht des Stärkeren für sich beansprucht, aber die totale Konfrontation zunächst vermeidet sowie Edward Janroe, der auch als Versehrter sich weiterhin im Dienst der Südstaaten befindet und nun eine Gelegenheit sieht, den Krieg auch ins Tal des Saber River zu tragen. Daneben gibt es allerdings auch drei starke Frauenfiguren, die wesentlich den Lauf der Dinge mitbestimmen: Cables Ehefrau Martha, die er in den wichtigsten Fragen wie selbstverständlich zu Rate zieht, die junge Mexikanerin Luz, die in Denaman’s Store arbeitet und ein enges Verhältnis zu den Cables hat und Verns junge Nichte Lorraine, die aus Langeweile das Taktieren der Männer durchkreuzt oder anheizt.

Von einem klassischen Western erwartet der Leser zurecht Helden, Schurken, Pferde, Pistolenduelle und die Weite des mittleren Westens. All das liefert Elmore Leonard routiniert mit cleveren Perspektivwechseln und einem hohen Spannungsbogen ab. Doch das wirklich Spannende sind die weiteren Zutaten: Der Krieg, der nicht aus den Köpfen geht, die Moral und Zweifel einzelner Figuren, welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen und die bedeutende Rolle der Frauen in dieser Story. Das alles macht „Letztes Gefecht am Saber River“ zu einem ziemlich modernen Western und auf jeden Fall zu einem lesenswerten Roman.

 

Foto und Rezension von Gunnar Wolters.

Letztes Gefecht am Saber River | Im Original erschienen 1959
Erschienen am 04.03.2024 im Liebeskind Verlag
ISBN 978-3-95438-176-0
256 Seiten | 22,- €
als E-Book: ISBN 978-3-95438-180-7 | 14,99 €
Originaltitel: Last Stand at Saber River | Übersetzung aus dem Englischen von Florian Grimm
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Extras (1) und (2) zu Elmore Leonard als Westernautor im Crimemag