Monat: Mai 2018

Sándor Ferenczy | Die Marsrakete & Der Mann mit der dunklen Brille

Sándor Ferenczy | Die Marsrakete & Der Mann mit der dunklen Brille

Im April diesen Jahres hat Der Audio Verlag historische Hörspielaufnahmen des „ersten großen Schallplattenproduzenten Deutschlands“ Sándor Ferenczy aus den 1950er und 1960er Jahren nach leichter Audiobearbeitung neu aufgelegt. Zwei von inzwischen vier veröffentlichen Medien habe ich mir angehört, und zwar zum einen Der Mann mit der dunklen Brille und weitere Abenteuer von Tobby und Robby sowie Die Marsrakete und weitere Abenteuer.

Sowohl Tobby und Robby als auch die anderen Hörspielprotagonisten sind junge vorwitzige und clevere Schüler, die in den deutschen Nachkriegsjahren viele kleine und größere Kinder vor den Rundfunkgeräten fesselten, denn sie boten eine neue Form der Unterhaltung für Kinder, gepaart mit vermeintlich riskanten Missionen, verwegenen Abenteuern und echten Ermittlern, die sich gerne von Kinderdetektiven unterstützen ließen.

Der Charme der Produktionen liegt für mich eindeutig in dem Alter der Aufnahmen und den daraus resultierenden Ermittlungsmethoden, Ansichten und Vorstellungen der Kinder. Man kann sich durch die Sprecher unheimlich gut in die Zeit der Kindheit unserer Eltern (in meinem Fall) versetzen. Vor mir sehe ich dabei zum Beispiel die Straßen von Berlin, in denen Emil in Emil und die Detektive seine Ermittlungen durchführte. Dabei kommen noch so wunderbar nostalgische Wörter wie Peterwagen (für Polizeieinsatzfahrzeug), Froschmänner (Polizeitaucher) und andere vor.

Auf der CD Die Marsrakete und weitere Abenteuer finden sich vier Hörspiele: Die Marsrakete, Peterwagen 7, Stopp für Nord-Express und Froschmänner im Einsatz. Die Hörspielsammlung Der Mann mit der dunklen Brille und weitere Abenteuer von Tobby und Robby beinhaltet ebenfalls vier spannende Folgen: Der Mann mit der dunklen Brille, Schmuggel über den Wolken, Die schwarze Aktentasche sowie Unfallwagen 4. Auf den Seiten des Audioverlags gibt es zu jeder Folge eine kurze Inhaltsangabe. Da die Folgen kurz sind, verzichte ich auf eine Zusammenfassung des Inhaltes und beschränke mich auf die dringende Empfehlung für all diejenigen, die sich gerne in ihre Kindheit zurückversetzen lassen möchten. Aber auch Hörer, die diese Jahre nicht als Kind erlebt haben, werden Gefallen an den liebevollen Produktionen finden. Es sind sowohl Perlen als auch Zeitzeugen einer ganzen Nachkriegsgeneration, welche unter Berücksichtigung der Originalität restauriert neu aufgelegt wurden.

Andrea hatte für krimirezensionen.de jüngst das fünfzigminütige Hörspiel Die Gentlemen bitten zur Kasse von Sándor Ferenczy besprochen. Es stammt aus der selben Zeit und ist ein weiteres Beispiel für die großartige Welt der Radiohörspiele.

Sándor Ferenczy (1906- 1993) war Hörspielregisseur und -Autor und gilt heute als „erster großer Schallplattenproduzent Deutschlands“. Ferenczy schrieb und bearbeitete in erster Linie Hörspiele für Kinder und Jugendliche; neben zahlreichen Märchenhörspielen der 1950er Jahre auch eine Reihe von modernen oder eigenen Stoffen, zum Beispiel Die Gentlemen bitten zur Kasse (1966/1968) und Der Wal im Wasserturm (1974) oder Peter und das Zauberklavier (1959). 2006 wurde begonnen, die alten Aufnahmen Ferencys zu restaurieren und neu auf CD zu veröffentlichen.

 

Der Mann mir der dunklen Brille | Die Marsrakete
Beide Hörspielsammlungen erschienen am 9. Februar 2018 bei DAV Der Audio Verlag
ISBN 978-3742403896 | 978-3742403902
je 1 Audio-CD
Laufzeit in Minuten: 51 | 47
ab 8 Jahren
Hörproben: Der Mann mit der dunklen Brille | Die Marsrakete

Diese Rezension erscheint im Rahmen unseres .17special Kinder- und Jugendkrimis.

 

Weiterlesen: Andys Rezension zu Sándor Ferenczys Hörspielproduktion Die Gentlemen bitten zur Kasse

Christina Bacher | Bolle und die Bolzplatzbande: Das Römergrab

Christina Bacher | Bolle und die Bolzplatzbande: Das Römergrab

Das Römergrab ist bereits der 7. Fall für die Bolzplatzbande, einem Köln-Krimi für Pänz.

Die Hauptpersonen: Die Bolzplatzbande, bestehend aus den Schulfreunden Laura, Sema, Kevin sowie dem tadschikischen Flüchtlingsjungen Wladi, der seit einem knappen Jahr in Köln lebt.

Die Handlung spielt im Köln der Gegenwart. Tatsächlich werden in Köln immer wieder bei Bauarbeiten Relikte aus der Römerzeit ausgegraben, im Römisch-Germanischen Museum kann man anhand der dort ausgestellten Objekte einiges über die Römerzeit erfahren.

Passend am letzten Schultag vor den Ferien ergibt sich ein neuer Fall für die Bolzplatzbande. Wladi hat Lauras Mutter telefonisch Bescheid gegeben, dass Laura ihn in der Werkstatt des mit ihnen befreundeten Straßenkehrers Bolislav Fischer, genannt Bolle, treffen soll. Bolle hat Wladi mitten in der Nacht eine SMS mit einer Bitte um Hilfe geschickt und mitgeteilt, dass er in eine heiße Sache verwickelt ist. In der Werkstatt ist Bolle jedoch nicht, stattdessen sieht alles nach einem Einbruch aus und an die Wand wurde in schwarzen, riesengroßen Buchstaben die Botschaft „Cave Canem“ (Warnung vor dem Hund) geschrieben. Alles sehr rätselhaft und somit perfekt für die Detektive der Bolzplatzbande.

Bei ihren Ermittlungen erfahren sie, dass auf dem Bauplatz, wo Bolle als Wachmann arbeitet, ein Römergrab gefunden wurde, in dem ein Hundeskelett mit diversen Grabbeigaben lag. Ein Bauarbeiter hat davon ein Handy-Foto gemacht und es ins Netz gestellt. Kurz darauf ist jedoch nicht nur der Grabinhalt, sondern auch Bolle verschwunden.

Der Fall wird immer rätselhafter, als sich auch noch Zusammenhänge mit jugendlichen Anhängern der Dark-Metal-Band „Monsters of Dogs“ ergeben. Merkwürdig ist auch eine Begegnung Lauras bei der Pressekonferenz im Römisch-Germanischen Museum, wohin der Fund aus dem Römergrab eigentlich gebracht werden sollte und bei der sie im Vorraum der Damentoilette von einer Journalistin angesprochen wird.

Die Tätowierte aus der Konferenz kommt aus einer der Kabinen, wäscht sich die Hände und grinst dabei Lauras Spiegelbild an, ein silbernes Piercing zwischen den Vorderzähnen blitzt hervor. „Und ich sag dir, Kleine. Der Hund rächt sich an allen, die seine Ruhe stören – auch an Journalisten. Sie dich vor, dass du dich von der Story fernhältst“, sagt die Frau mit bedrohlicher Geste. Schnell weg von hier, denkt Laura und trocknet sich rasch die Hände ab. „Cave Canem!“, ruft die kleine Frau ihr hinterher. „Wir müssen die Warnung des Hundes ernst nehmen!“. (Auszug)

Weitere Handelnde: Eine besondere Rolle spielt Conchita, eine Pudeldame, auf die Laura im Auftrag einer etwas merkwürdigen Nachbarin ein paar Tage aufpassen sollte, ein netter und ein fieser Schulkamerad von Laura sowie eine Wissenschaftlerin, die in Rom auf einer Spezialtagung zum Thema „Kind und Hund im alten Rom“ teilgenommen hat.

Die gesamte Handlung ist jedenfalls spannend aufgebaut und bleibt es bis zum Schluss. Erwähnenswert finde ich, dass die Autorin immer mal wieder in die Handlung Hinweise über Kölner Straßen oder Gebäude (zum Beispiel die Alte Feuerwache Köln) einfügt, das macht es für Kölner Leser, die diese Bereiche kennen, besonders interessant. Aber auch Ortsfremde können sich gut in die Erzählung einfinden.

Die Autorin Christina Bacher, geb. 1973, gründete vor einigen Jahren Bachers Büro – eine Schmiede für Texte aller Art. Seither arbeitet sie als Chefredakteurin des Kölner Straßenmagazins „Draussenseiter“ und schreibt Jugendbücher, Kriminalromane und Ratekrimis fürs Radio. Die Idee der Krimi-Reihe um die Figuren Bolle und die Bolzplatzbande wurde ursprünglich für eine Ratekrimi-Serie des Hessischen Rundfunks und schließlich für die Buchreihe entwickelt.

Mein Fazit: gut ausgedachte und mit Hinweisen auf die Örtlichkeit, in der sie stattfindet, angereicherte Handlung, spannend und altersgerecht geschrieben für die Zielgruppe Kinder ab 8 Jahren.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

Bolle und die Bolzplatzbande: Das Römergrab | Erschienen am 23. März 2017 im Emons Verlag
ISBN 978-3-7408-0039-0
144 Seiten | 7.95 Euro
ab 8 Jahre
Bibliografhische Angaben & Leseprobe, Buchtrailer

 

Diese Rezension erscheint im Rahmen des .17special Kinder- und Jugendkrimis.

Kyra Dittmann | Wild Horse Valley

Kyra Dittmann | Wild Horse Valley

“Die Dessertvariationen begannen, in meinem Magen Salto zu tanzen. Auch wenn ich eigentlich fast daran glaubte, dass Greyson mit seiner rätselhaften Art übertrieb, kam ich mir vor, als wäre ich bereits in ein düsteres Geheimnis verwickelt. Ich hatte ja sowas von keine Ahnung.“ (Auszug Seite 136)

Abby wohnt in Liverpool und fährt am liebsten Skateboard. Kurz vor den Sommerferien eröffnet Abbys Mutter ihrer Tochter, dass sie sich in einen Baron verliebt hat und gemeinsam mit Abby zwei Wochen bei ihm auf dem Schloss verbringen will. Ihrer Mutter zu Liebe und weil das Schloss auch einen eigenen Reitstall hat, erklärt sich Abby einverstanden. Die ersten Tage in der Ferienunterkunft verlaufen aber so gar nicht wie gewünscht. Irgendwie sind alle abweisend und kühl. Und was ist eigentlich mit Greyson, dem Sohn des Barons? Einerseits ist er genauso versnobt, wie alle anderen, dann wieder furchtbar nett. Abby ahnt, dass es hinter der ganzen Fassade ein Geheimnis gibt…

Skateboard und Pferdegeschichten

Abby ist fünfzehn Jahre alt und in eher bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Ihr Vater ist bereits vor einigen Jahren an einer Krankheit verstorben. Abby hat noch viele Erinnerungen an ihn, unter anderem den Traum, irgendwann einmal mit ausgebreiteten Armen und offenen Augen dem Wind entgegen zu galoppieren. Abbys Leidenschaft neben dem Skaten sind Bücher, bevorzugt Pferdegeschichten. Reiten kann Abby aber noch nicht.

Zottelpony statt wildem Hengst

Ich hätte mir ja nicht träumen lassen, dass ich für diesen Blog mal einen Pferde-Roman besprechen darfAber dieses Special eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Da ich selbst Reiterin bin, lag die Entscheidung für Wild Horse Valley von Kyra Dittmann nahe. Ich habe mich sehr auf das Buch gefreut, war aber ehrlich gesagt auch recht skeptisch, weil man ja diese typischen Kleinmädchen-, Wendy- und Ostwind-Geschichten kennt. Von dieser Geschichte wurde ich aber positiv überrascht, weil Abby eben nicht einem wilden Hengst begegnet, den nur sie zähmen kann oder das erste Mal auf einem Pferderücken sitzt und sofort über die Wiesen galoppiert. Nein, Abby freundet sich mit einem zotteligen Pony an und geht mit ihm spazieren. Das finde ich sehr sympathisch!

Alles vereint

In diesem Buch geht es aber nicht nur um die Pferde, sondern tatsächlich auch um Mord. Spannung entsteht dadurch, dass Abby Greyson doch mit der Zeit etwas näher kommt und er sogar ihre Hilfe benötigt, sich bei den Begründungen aber mehr als kryptisch ausdrückt. Außerdem beobachtet Abby immer wieder merkwürdiges Verhalten der anderen Schlossbewohner, kann sich aber keinen Reim darauf machen. Dazu kommen falsche Anschuldigungen, Missverständnisse und Sticheleien sowie Abbys Versuche, sich in dieser neuen und feinen Welt zurechtzufinden. Ein bisschen Liebe und der erste Kuss darf auch nicht fehlen und schon ist alles vereint, was Teenies sich wünschen.

Empfehlung

Ich fand den Roman sehr flüssig zu lesen und kann ihn wirklich empfehlen. Kleine Klischee-Ansätze sind immer mal wieder vorhanden, werden im Großen und Ganzen dann aber gut umschifft. Das Buch eignet sich gut als leichte Spannungslektüre für Erwachsene. Zudem finde ich das Cover sehr schön gestaltet.

Kyra Dittmann wurde 1972 in Bonn geboren und arbeitete nach einer Schreinerlehre viele Jahre im Handwerk. Dann stellte sie ihre Weichen neu und absolvierte diverse Schreib- und Drehbuchseminare und arbeitet heute als freie Autorin. Kyra Dittmann lebt mit ihrem Mann und den sechzehnjährigen Zwillingstöchtern in Bonn. Sie ist selbst eine begeisterte Reiterin.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

 

Wild Horse Valley | Erschienen am 16. März 2018 im Coppenrath Verlag
ISBN 978-3-649-62774-6
320 Seiten | 12.99 Euro
ab 12 Jahre
Bibliografische Angaben & Leseprobe

 

Diese Rezension erscheint im Rahmen des .17special Kinder- und Jugendkrimi.

Åke Holmberg | Privatdetektiv Tiegelmann

Åke Holmberg | Privatdetektiv Tiegelmann

Privatdetektiv Teffan Tiegelmann hat sein Büro an der Hauptstraße der großen Stadt mitten im Geschäftsviertel, was natürlich günstig ist für sein Gewerbe. Aber die Geschäfte laufen schlecht, nie erhält er einen Auftrag, und wenn es an der Tür klingelt, ist es zumeist ein Hausierer, der Schuhriemen verkaufen will. Dabei ist Tiegelmann, ein unscheinbarer Mann, klein und mager, aber mit scharfem Profil, das wegen der großen, schmalen Nase einem Habicht gleicht, der geschickteste Detektiv im ganzen Land. Scharfsinnig und kühn wie kein zweiter, der mit Vorliebe die gefährlichsten Aufträge übernähme, wenn er denn beauftragt würde. Aber niemand weiß, wie geschickt Teffan Tiegelmann handeln kann, das weiß nur er selbst.

Obwohl er nie etwas zu tun hat, scheint er immer sehr beschäftigt, wenn zufällig ein Besucher in seinem Büro auftaucht, so als sei er förmlich mit gefährlichen Aufträgen überhäuft. Das liegt daran, dass im Nebenzimmer seine Sekretärin sitzt, die unablässig das Telefon in Gang hält. Fräulein Hanselmeier (Fröken Jansson) ist eine ältere, grauhaarige, sehr verlässliche Dame, die ständig Topflappen häkelt. Sobald jemand bei Tiegelmann eintritt, läutet das Telefon in einem fort, und der Besucher hört etwa: „Hallo. Ja, ist gut! Aber merkt euch: Die Pitolen nur im Notfall anwenden!“

Unser Meisterdetektiv heißt eigentlich Stephan Siegelmann, aber das kann er nicht aussprechen, er stößt nämlich mit der Zunge an, der S-Laut glückt ihm nicht. Deshalb hat er seinen Namen geändert und dies amtlich bestätigen lassen. Er kann übrigens auch nicht „Sahnetörtchen“ sagen, dabei sind die „Tahnetörtchen“ aus der „Konditorei Roda“ sein Lieblingsnaschwerk: groß, gerade richtig braun und mit viel Sahne, die nach allen Seiten überquillt. Leider ist die Konditorei Rosa die einzige im Land, die diese Törtchen das ganze Jahr anbietet, sonst bekommt man sie nur zur Fastenzeit. Deshalb führt Tiegelmann, wenn er die Hauptstadt verlässt, immer genügend davon in einer großen Kuchenschachtel mit sich.

Und schon bald soll er wirklich aufbrechen, nach Preißelbeerkirchen. Denn hier treiben zwei Erzgauner ihr Unwesen, der berüchtigte Wilhelm Wiesel (Ville Vessla)und sein Kompagnon, ein Grobian und Vielfraß genannt der Ochse (Oxen). Eben haben sie den Fräuleins Friederike und Friedlinde Friedborn (Fredericksson), die hier in der Villa Friedrichsruh wohnen, einen Erpresserbrief geschrieben. 3000 Mark sollen sie in einer hohlen Eiche deponieren, sonst könnte etwas geschehen, es sei vorgekommen, dass eine ganze Villa in die Luft flog. Da trifft es sich gut, dass in seinem Büro ein Herr Omar auftaucht, ein Orientale, der ihm einen fliegenden Teppich verkauft. Nun kann er sich sofort aufmachen, um die beiden Verbrecher unschädlich zu machen und die Fräuleins sowie ihre zwei Nichten und zwei Neffen, die jeden Sommer ihre Ferien bei den Tanten verbringen, zu schützen.

Tiegelmann sieht schon die Schlagzeilen vor sich: „Wiesel in dem Städtchen Preißelbeerkirchen festgenommen!
Phantastische Verbrecherjagd T. Tiegelmanns.“

Und zum guten Schluss kommt es natürlich genau so. Mit Hilfe der vier Kinder und „Onkel“ Tiegelmanns unfehlbarem Plan gelingt es schließlich, die Ganoven zu fangen. Das geschieht auf kindgerechte Weise, aber auf erstaunlich hohem Niveau, die sprachliche und stilistische Qualität und Originalität der Geschichten konnte sicher auch Erwachsenen Freude bereiten. Heute mutet manches etwas verstaubt und unzeitgemäß an, Tiegelmann ist sicher kein Superheld und von heutigen Fantasy- oder Actionstories sind seine Abenteuer natürlich Welten entfernt. Bei Holmberg geht es stattdessen ab und an märchenhaft zu, man denke nur an den fliegenden Teppich, und die Personen treten so auf, wie man es für die fünfziger Jahre in einem Kinderbuch erwarten darf. Der Detektiv mit falschen Bärten und allerlei Verkleidungen, die Kinder gewitzt und vorwitzig, die Fräuleins altjüngferlich und die Ganoven – na ja, Mord und Totschlag wird man vergeblich suchen, wenn Ochse dem Mädchen ein Bein stellt und die Nichte sich das Knie aufschlägt, ist das schon schlimm genug.

Holmberg fabuliert immer mit einem Augenzwinkern, humorvoll, mit vielen witzigen Einfällen und Formulierungen. Der stets schlecht gelaunte Wiesel knurrt an einer Stelle: „Ich esse nie auf nüchternen Magen!“ Das könnte in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen werden, wie auch der Begriff „Temlor“ inzwischen durchhaus geläufig ist, und des berühmte „Använd Pitolerna bara i nödfall!“ wird immer noch häufig noch als Scherz gebraucht. Als Holmberg die Bücher schrieb, legte man offensichtlich noch viel Wert auf eine gewählte und kultivierte Ausdrucksweise, dabei gelingt es Holmberg perfekt, seinen unterschiedlichen Figuren entsprechend Alter und Herkunft ihre Sprache in den Mund zu legen, mitunter mit Äußerungen, die heute nicht mehr gebräuchlich, jüngeren wahrscheinlich gar nicht mehr geläufig sind.

Man darf die Geschichten also nicht allzu ernst nehmen, aber sie sind eine amüsante, höchst unterhaltsame Lektüre, die mir auch nach mehr als fünfzig Jahren noch Spaß gemacht hat. Meine drei Abenteuer aus der Sonderausgabe des Tosa-Verlages, im Original 1948, 1949, 1950 erschienen, entsprechen den drei ersten Büchern Holmbergs: „Privatdetektiv Tiegelmann“, „Teffan Tiegelmann in der Wüste“ und „Teffan Tiegelmann in London“. Das Buch stammt wohl aus dem Jahr 1960, ist von Ida Clemenz übersetzt und von Ulrik Schramm durchgehend illustriert, angelehnt an die Originalzeichnungen von Sven Hemmel. Bis in die achtziger Jahre gab es noch Neuauflagen verschiedener Verlage, in späten Veröffentlichungen bei Arena hieß der Detektiv auch in der Übersetzung Ture Sventon. Heute gibt es leider nur noch antiquarische Exemplare, ich habe mir gleich den zweiten Sonderband von Tosa gesichert, „Die neuen Abenteuer des Teffan Tiegelmann“.

In seiner Heimat ist Ture Sventon heute noch populär und die neun Detektivromane von Åke Holmberg erleben ständig neue Auflagen. Mit einer Ausnahme: Das Buch „Ture Sventon i London“ erscheint vorläufig nicht mehr. Auch in Schweden gab es eine Diskussion um Ausdrücke in den alten Geschichten, die heute verpönt sind, in diesem Fall das Wort „Neger“. Es sollte ersetzt werden durch eine politisch korrekte Formulierung, wie es ja auch schon Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ erleben musste. In diesem Fall allerdings weigerten sich die Rechteinhaber, Holmbergs Werk zu verändern. Ansonsten geht Tiegelmann mit der Zeit: Seit 2012 gibt es seine Abenteuer auch als E-book.

1989 war Ture Sventon der Held einer TV-Serie für den berühmten „Julskalendrarna“, den Adventskalender des schwedischen Senders SVT, eine Tradition seit 1960, bei der in der Vorweihnachtszeit jeden Tag bis zum 24. Dezember ein Türchen geöffnet wird. In jenem Jahr befanden sich dahinter jeweils Illustrationen von Sven Hemmel aus den Ture-Sventon-Büchern, die einzelnen zwanzig Minuten langen Filmchen zeigten Abenteuer aus den Büchern „Ture Sventon, Privatdetektiv“, „Ture Sventon in der Wüste“, Ture Sventon in London“ und „Ture Sventon in Stockholm“.

Zuvor gab es bereits 1972 eine erste Verfilmung von „Ture Sventon, Privatdetektiv“ von Pelle Berglund mit Karl Julle in der Hauptrolle. In der Fernsehserie wie auch im Film „Ture Sventon und der Fall Isabella“ von 1991 spielte Helge Skoog den Privatdetektiv.

Der Zeichner und Illustrator Sven Hemmel schuf auch Cartoons von Ture Sventons Abenteuern, die zwischen 1968 und 1975 in der „Berner Post“ erschienen. Die ersten drei Abenteuer wurden auch in „Husmodern“ veröffentlicht, einer lange Zeit sehr beliebten Frauenzeitschrift.

Das erste Buch erschien 1974 auch als Langspielplatte und auf Kassette, Jan Nygren verlieh hier dem Detektiv seine Stimme. Und 2005 wurde eine Hörspielversion von „Ture Sventon in der Wüste“ ausgestrahlt, mit Johan Rabaeus und Rikard Wolff als Sventon und Herr Omar. „Ture Sventon in Stockholm“ wurde 2009 sogar für die Bühne bearbeitet.

Von 1999 bis 2008 wurde Vom Svenska Barnboks Institut für Kinder und Jugendliteratur auf der Buch- und Bibliotheksmesse Göteborg der „Temmelburken“ (offiziell Ture Sventon priset) verliehen, ein Kulturpreis für Kinder- und Jugendbuch-Autoren, der nach der Keksdose benannt war, in welcher der Detektiv seine Temlor (oder Tahnetörtchen) transportierte. Unter anderem bekam Cornelia Funke den Preis im Jahre 2002, und Åke Holmberg selbst (der 1991 verstarb) wurde er 2007 posthum verliehen.

 

Rezension und Foto von Kurt Schäfer.

 

Privatdetektiv Tiegelmann | Erstveröffentlichung 1948
Die gelesene Ausgabe erschien 1963 im Tosa Verlag
173 Seiten, nur noch antiquarisch erhältlich

 

Diese Rezension erscheint im Rahmen unseres .17specials Kinder- und Jugendkrimis.

Leonora Christina Skov | Das Inselhaus

Leonora Christina Skov | Das Inselhaus

„Robin wurde mit einem Mal heiß und kalt. Transparenz machte verletzlich, die Wenigsten schienen zu begreifen, wie sehr eigentlich und das Letzte, was sie wollte, war in Gesellschaft von sechs wildfremden Menschen und einem Hauswart mit einer höchst zweifelhaften Ausstrahlung verletzlich zu sein.“ (Seite 79)

Sieben Künstler erhalten eine Einladung zu einem vierwöchigen Arbeitsaufenthalt auf einer privaten Insel in Dänemark. Als die Künstler auf die Insel kommen, sehen sie, dass sie in einem Haus komplett aus Glas wohnen. Diese fehlende Privatsphäre und die völlige Abgeschiedenheit bringen den ersten Missmut unter den Bewohnern. Doch dann geschehen merkwürdige Dinge und alle werden immer misstrauischer. Was soll dieser Arbeitsaufenthalt wirklich bezwecken?

Unentschlossene Meinung

Das Inselhaus von Leonora Christina Skov lässt mich etwas unentschlossen zurück, muss ich sagen. Den Anfang der Geschichte fand ich ein bisschen schwierig, weil über die Hälfte des Buches vor allem der Vorstellung der Künstler gewidmet ist. Dabei wird die Perspektive immer wieder gewechselt und einerseits ist es interessant, welche Sorgen und Nöte alle mit sich herumtragen und dass der Schein ganz oft trügt, aber besonders spannend fand ich es nicht. Zum Ende hin, wenn sich das Dickicht etwas lichtet, was es mit dem gemeinsamen Aufenthalt auf sich hat und die ersten Gemeinsamkeiten auftauchen, wird es dann wirklich fesselnd und ich konnte nicht aufhören zu lesen.

Sieben unsympathische Protagonisten

Bei den sieben Protagonisten bin ich mir auch nicht ganz schlüssig, wie ich sie finde. Am Anfang aus der eigenen Perspektive klingen alle Entscheidungen des bisherigen Lebens für mich nachvollziehbar und ich kann mich gut in sie hineinversetzen. Aus der Perspektive der anderen Bewohner finde ich sie dann nicht mehr so sympathisch und zum Ende hin mag ich keinen mehr. Das hatte ich so bewusst auch noch bei keinem Buch.

Die Idee dahinter

Die Grundidee der Geschichte finde ich sehr gut, obwohl sie auch nicht neu erfunden ist, wie die Autorin in der Danksagung erwähnt. Denn die Idee ist aus mehreren anderen Romanen „zusammengeschustert“. Besonders gefallen mir Handlungsorte auf Inseln und in einem Glashaus zu wohnen ist bestimmt interessant, würde ich als Urlaubsunterkunft allerdings nicht buchen.

Was bleibt?

Wie lässt mich der Roman zurück? Unschlüssig, wie schon oben beschrieben und mit der Einsicht, dass alle Sichtweisen und Erlebnisse sehr subjektiv sind. Und dass wohl jeder eine Leiche im Keller hat. Meine kenne ich nicht. Vielleicht kommt sie noch oder ich erhalte demnächst eine dubiose Einladung auf eine unbekannte Insel.

Leonora Christina Skov, geboren 1976, ist in ihrer Heimat Dänemark für ihre sarkastische Literaturkritik und ihre bissige Kolumne in der Wochenzeitung Weekendavise bekannt. Für ihre Romane Das Turmzimmer und Der erste Liebhaber wurde sie von der dänischen Kritik gefeiert. Leonora Christina Skov lebt in Kopenhagen. (Verlagsinfo)

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Das Inselhaus | Erschienen am 9. Januar 2018 bei btb
ISBN: 978-3-442-71424-7
416 Seiten | 10.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

23. Mai 2018