Jörg Maurer | Der Tod greift nicht daneben
Im idyllisch gelegenen Kurort fühlt sich Bertil Carlsson, ehemaliges Mitglied der Nobelpreisjury für Medizin, ganz zu Hause, ist seit Jahren im Trachten- und Heimatverein. Gerade hat er noch im Garten gearbeitet. Kurz danach macht seine Frau einen grausigen Fund – im großen Häcksler. War es ein Unfall? Oder doch Mord?
Kommissar Jennerwein und sein bewährtes Team forschen unter hartleibigen Brauchtumswächtern und neidischen Nobelpreiskandidaten. Da meldet die Gerichtsmedizin: im Puzzle der Leichenknochen fehlt eine Hand. Als Jennerwein nach ähnlichen Fällen sucht und ein gruseliges Forschungsprojekt entdeckt, zweifelt er, ob er diesen Fall in den Griff bekommen wird …
Eigentlich hatte ich niemals vor, ein Buch von Jörg Maurer zu lesen. Die Cover gleichen denen der üblichen verdächtigen Provinzkrimis zu sehr, als dass mir die Bücher gefallen könnten, dachte ich. Doch wie es der Zufall, an den ich nicht glaube, wollte, schlug ich den Einband der broschierten Ausgabe auf und las ein Zitat von Denis Scheck, mir bekannt aus der Reihe Druckfrisch, welche ich durch ihn schätze. In der Innenseite des Covers stand:
„Große deutsche Unterhaltungsliteratur – endlich!“ Denis Scheck, SWR
Die Gedanken kamen also, wie sie kommen mussten à la „Wenn Denis Scheck es für gut befindet, well, …“ und so weiter und so fort.
Vorweggenommen: Es hat sich gelohnt – wenigstens über weite Längen.
Der ehemalige Mediziner und einstiges Mitglied der Nobelpreisjury Bertil Carlsson – ein seit wenigen Jahren in Bayern lebender Schwede, der sich gemeinsam mit seiner Frau exzellent integriert hat – wird in seinem Garten tot aufgefunden, kleingehäckselt zu menschlichem Mus. Der Tathergang ist ein Rätsel. Theorien von Unfall bis Mord werden zerdacht und verworfen. Seine Frau Grit, die ihren Mann zuerst nur vermisste, beschließt rasch, Deutschland nach der Trauerfeier für immer zu Gunsten Schwedens den Rücken zu kehren. Doch bei eben dieser Trauerfeier, an der auch die Polizei aus ermittlungstechnischen Gründen teilnimmt, taucht unerwartet ein Schwede auf, der für die Ermittler von Interesse wird, ließe er sich so trefflich mit bereits kursierende Gerüchte in Einklang bringen.
Wir folgen Kommissar Jennerwein und der Psychologin Maria bei ihren Ermittlungen ebenso, wie der Rechtsmedizinerin aka „Die Frau im Rollstuhl“, wie sie sich auch selber nennt. Letztgenannte hat gerade vier Praktikanten unter ihren Fittichen, welche Sozialstunden abzuleisten haben. Wir lernen sie im Verlauf der Geschichte nicht kennen, doch die ihnen zugewiesenen Attribute bleiben ihnen erhalten und die Einarbeitung und damit verbundene Anpassung ist ziemlich überraschend, ja, estaunlich!
Doch fragt man bereits an dieser Stelle nach Realitätsnähe, kann man das Buch vermutlich direkt aus der Hand legen. Denn Jörg Maurers Sprache, die geprägt ist von herausragender Eloquenz und einem vortrefflichem Witz, verbietet es geradezu, da auf ein Stutzen rasch ein Schmunzeln und ein Lacher folgt.
Ein ganz anderer Erzählstrang führt uns in eine verlassene Waldhütte in Rumänien, wo die Deutsche Anna Sophia auf ihren Freund Martin wartet. Sie wollen die Abgeschiedenheit nutzen, um ein Konzept für Annas angedachte Selbstständigkeit zu entwickeln. Doch Martin kommt und kommt nicht, das Brennholz wird knapp, die bald zerhackten Möbel auch. Da entdeckt sie eine Luke, die in ein kleines Kabuff führt, wo sie allerlei Merkwürdigkeiten findet. Unter anderem handschriftliche Notizen in blauen Schulheften, von denen sie sich einen Zeitvertreib erhofft. Doch der Inhalt wird sie ebenso schockieren wie in seinen Bann ziehen.
Eingeschoben: Mir wollten diese Episoden nicht gefallen. Dabei kann ich nicht genau sagen, warum. Vermutlich hätte ich mir an dieser Stelle weniger Zufall gewünscht.
Die großen Fragen sind: Wie kommen nun diese und weitere Erzählperspektiven zueinander, in welchem Verhältnis stehen sie und warum das alles? Was hat der Tote Bertil Carlsson mit den blauen Schulheften in Rumänien zu tun?
»Der Tod greift nicht daneben«, hat – da gebe ich Denis Scheck sehr gerne Recht – sehr viel Unterhaltungswert. Seine Art zu erzählen, oftmals untermalt mit urbayrischen Tönen, ist eine, die ich anderen Provinz- und Regionalkrimis wünschen würde. Denn nicht nur der Handlungsort und ein Opfer alleine machen einen interessanten Krimi aus, auch die reine Lust am Lesen. In diesem Sinne ist Jörg Maurer also ein Lustgewinn, den ich allen Provinzkrimimuffeln empfehlen möchte.
Der Tod greift nicht daneben | Erschienen am 12 Februar 2015 bei Fischer Scherz
448 Seiten | 14,99 Euro
Leseprobe | Trailer
4 Replies to “Jörg Maurer | Der Tod greift nicht daneben”
Noch besser als Maurer zu lesen ist, die Audio-CDs seiner Werke zu hören. Jörg Maurer liest selbst. Dabei kommt sein Humor, das Schelmische, die Arbeitsweise seines Hirnkastels so richtig zur Geltung!
OK, manchmal ist er mir zu albern, in anderen Teilen der Jennerwein-Reihe wirkt seine Erzählweise oberlehrerhaft. Logik bleibt zuweilen auf der Strecke, wird der Komik geopfert.
Aber dennoch, ich mag Maurers Bücher – größtenteils.
Und wer die Chance hat, Maurer mal live zu erleben, sollte die Chance nutzen!