Kategorie: Andrea Köster

Klaus-Peter Wolf | Ostfriesenfluch

Klaus-Peter Wolf | Ostfriesenfluch

„Überhaupt lief einiges anders, als er es sich vorgestellt hatte. In seiner Phantasie gingen die Familien aufeinander los, sobald jemand verschwand. Vorwürfe und Verdächtigungen würden das brüchige Band des Zusammenhalts brechen lassen. Am Ende, so hatte er gehofft, ja, geglaubt, würden die Frauen ihm dankbar sein, weil er ihnen die Augen geöffnet hatte. (Auszug Seite 345)

Neben einem Rapsfeld direkt am Deich wird eine Leiche gefunden. Es handelt sich um Angela Röttgen, Ehefrau und zweifache Mutter, die vor einigen Wochen spurlos verschwunden ist. Aufgrund der Berichterstattung der Presse von den Ermittlungen in diesem Fall, für den unter anderem Ann Kathrin Klaasen und ihr Mann Frank Weller zuständig sind, meldet sich ein weiterer Ehemann, dessen Frau auf einmal nicht mehr nach Hause gekommen sei. Dann tauchen Päckchen mit den Klamotten auf, die die Frauen zuletzt getragen haben. Und das ist erst der Anfang…

Klaasen & Weller

Ann Kathrin Klaasen und Frank Weller sind nicht nur Kollegen, sondern seit einigen Jahren auch verheiratet. Beide bekommen Beruf und Alltag ganz gut in den Griff, wie ich finde, obwohl es in einem laufenden Fall natürlich schwierig ist, sich Zweisamkeit zu nehmen. Ann Kathrin hat einen speziellen, aber auch erfolgreichen Ermittlungsstil, der bis über die Grenzen von Ostfriesland bekannt sind. So legt sie sich auch schon mal nackt ins Rapsfeld, um die Stimmung der Opfer nachzuempfinden oder „spricht“ mit dem Tatort.

Viel Inhalt

Ostfriesenfluch von Klaus-Peter Wolf ist nun schon der zwölfte Fall von Ann Kathrin Klaasen. (Sieben davon haben wir übrigens rezensiert: klick) Diese Geschichte ist ziemlich energiegeladen und es passieren viele Dinge, so dass es auf keiner Seite langatmig wird. Es kommt zu Schießereien und Geiselnahmen, zu Verdächtigen, die nichts mehr zu verlieren haben, zu Fluchtversuchen, die sehr vielversprechend beginnen, dann aber doch scheitern, zu Verfolgungsjagden. Und das alles mehrfach auf nicht mal 500 Seiten. Puh, mir ist das fast etwas viel Inhalt, auch wenn ich immer gut mitgekommen bin. Ich war eher so auf entspannte und klassische Ermittlungsarbeit eingestellt. Hat aber den Vorteil, dass es wirklich nicht langweilig wird.

Hauptkommissare

Bei den handelnden Personen bin ich etwas zwiegespalten. Ann Kathrin ist mir grundsätzlich sympathisch und ich bewundere, dass sie ihre teilweise andersartige Ermittlungsarbeit so stark verteidigt und sich mit dem Erfolg auch Respekt erkämpft hat, aber gerade das finde ich auch etwas weit hergeholt. Sie bekommt Hilfe bei ihrem ehemaligen Chef, wenn sie nicht weiterkommt und ist im Grunde die Hauptakteurin im Kommissariat. Mit Frank Weller kann ich mich am meisten identifizieren. Er ist ruhig, behält den Überblick und holt seine Frau immer wieder zurück in die Realität. Außerdem ist er Krimi-Leser. Rupert, ebenfalls Hauptkommissar, ist nicht der schlauste, spielt sich aber gern so auf und denkt er ist der Frauenschwarm schlechthin. Er war mir an einigen Stellen etwas zu nervig. In Krisensituationen wird im Kommissariat, weiterhin nach Tradition des ehemaligen Leiters, ein Marzipan-Seehund geschlachtet. Der Verzehr beruhigt die Nerven.

Besonders schön ist die beschriebene Landschaft und ich bleibe mit etwas Meer-Weh zurück!

Klaus-Peter Wolf wurde 1954 geboren und lebt als freier Schriftsteller und Drehbuchautor in Norden (Ostfriesland). Er schreibt nicht nur Regionalkrimis, sondern auch Romane und Kinder- und Jugendbücher. Außerdem hat er unter anderem Beiträge für die Reihen „Polizeiruf 110“ und „Tatort“ geschrieben. Der Autor ist mit Bettina Göschel, einer Kinderliedermacherin, verheiratet, die er auch in diesem Buch namentlich mit in die Geschichte hat einfließen lassen. Am Ende des Buches wird verraten, dass Ann Kathrins neuer Fall im Februar 2019 erscheint.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Ostfriesenfluch | Erschienen am 8. Februar 2018 bei als Fischer Taschenbuch
ISBN 978-3-596-03634-9
512 Seiten | 10.99 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: bisherige Rezensionen von Wolfs Romanen auf krimirezensionen.de

30. April 2018

Camilla Läckberg | Die Eishexe

Camilla Läckberg | Die Eishexe

„Schließlich hatte niemand mehr eine Frage an Märta, und Britta kam mit ihrem eiskalten Lächeln nach vorn, um sie abzuholen. Hexe, dachte Elin. Wenn jemand eine Hexe ist, dann sie. Als Britta mit Märta zum Ausgang gehen wollte, drehte sich das Kind noch einmal um und winkte Elin strahlend zu. Dann verschwand ihre Tochter in der Hand der Eishexe.“ (Auszug Seite 643)

Vor dreißig Jahren ist die vierjährige Stella vom elterlichen Hof verschwunden und wurde kurze Zeit später tot aufgefunden. Damals wurden zwei dreizehnjährige Mädchen für die Tat verantwortlich gemacht. Jetzt ist das gleiche nochmal passiert. Vom selben Hof einer anderen Familie. Kurz nachdem eins der für schuldig erklärten Mädchen von damals wieder an ihren Heimatort zurückgehkehrt ist. Ist das nicht etwas viel Zufall?

Erica & Patrik

Protagonisten sind der Polizist Patrik und seine Frau Erica. Beide sind verheiratet und haben drei Kinder. Erica ist Schriftstellerin und hat gerade damit begonnen, ein Buch über Stella zu schreiben, als das zweite Mädchen vermisst wird. Es ist für das Ehepaar nicht einfach, beide zeitaufwändigen Jobs und das Familienleben unter einen Hut zu bekommen. Sie meistern es aufgrund von viel Unterstützung aus der Familie aber sehr gut, wie ich finde.

Viele Seiten und viele Personen

Die Eishexe von Camilla Läckberg ist ein ziemlicher „Schinken“ mit 752 Seiten. Die Handlung ist sehr komplex und es tauchen viele Namen auf, aber zu keiner Zeit habe ich den Überblick verloren (auf der deutschen Homepage der Autorin kann man sich ansonsten ein Figurenposter herunterladen). Die Geschichte bezieht sich nicht nur pur auf die Ermittlungen, sondern es wird auch viel vom Privatleben der Kommissare erzählt. Diese Teile hätte man bestimmt weglassen können, für die Stimmung der Geschichte sind sie aber unverzichtbar. Mir war es auch gar nicht zu viel, ich hatte zu keinen Zeitpunkt das Gefühl, dass es langatmig ist.

Eine Geschichte in der Geschichte

Im Roman bekommt so gut wie jede handelnde Person eine Stimme und nach und nach erschließt sich dem Leser, worum es hier geht und dass es viele Geheimnisse in dem kleinen schwedischen Ort Fjällbacka gibt. Die Ermittlungen starten schwerfällig, da es kaum Spuren oder Anhaltspunkte gibt. Am Ende der Kapitel gibt es noch einen Rückblick auf den ersten Vermisstenfall oder es wird von Elin Jonsdotter aus dem Jahre 1617 erzählt. Ich war sehr gespannt, wie sich diese zweite Geschichte im Buch mit den Ermittlungen verbindet und wurde zufriedengestellt.

Ein hochdramatisches Ende

Das Ende des Romans läuft dann etwas aus dem Ruder und ist wirklich hochdramatisch. Mir persönlich war das etwas zu viel. Außerdem wird hier auch das Thema Flüchtlinge aufgegriffen, was für mich aber interessant war, obwohl ich über das Thema sonst nicht so gerne lese. Jugendliche im heutigen Leben, Gruppendynamik und Mobbingopfer spielen ebenfalls eine Rolle. Zusammengefasst gibt es also viel Inhalt auf vielen Seiten, aber dadurch auch ein spannendes und langes Lesevergnügen.

Camilla Läckberg, Jahrgang 1974, stammt aus Fjällbacka – der kleine Ort und seine Umgebung sind Schauplatz ihrer Kriminalromane. Heute lebt sie in einer großen Patchworkfamilie in Stockholm. Dieses Buch ist der zehnte Krimi um Patrik und Erica.

Bei meiner Recherche zu der Autorin bin ich über die DVD-Box Mord in Fjällbacka gestoßen und habe sie bestellt. Seitdem bin ich ein großer Fan der Protagonisten und werde mir wohl auch die vorherigen Romane organisieren.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Die Eishexe | Erschienen am 2. Januar 2018 bei List
ISBN 978-3-471-35107-8
752 Seiten | 22.- Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Noras Rezension zu Camilla Läckbergs Krimi Die Engelmacherin und Andreas Rezension zu Camilla Läckbergs Krimi Die Schneelöwin

25. April 2018

Tim Herden | Schwarzer Peter

Tim Herden | Schwarzer Peter

Damp kam auf der Gegenseite mit dem Streifenwagen angefahren. Kein Blaulicht. Es konnte also nicht dringend sein. Damp hatte wieder die alte grüne Uniform an. Er ließ die Seitenscheibe herunter, winkte kurz Claasen zu, doch der erwiderte nicht seinen Gruß, sondern fuhr einfach los. Dann wandte sich Damp an Rieder: „Ein Toter liegt am Schwarzen Peter.“ (Seite 48)

Bei der Beerdigung des Unternehmers Werner Gilde in Kloster auf Hiddensee kommt es zum Streit zwischen Sohn und Witwe. Beide beschuldigen sich, für den Tod von Gilde verantwortlich zu sein. Die beiden Inselpolizisten Ole Damp und Stefan Rieder nehmen sich der Sache an und beginnen zu ermitteln. Dann kommt es zu einem weiteren Todesfall. Handelt es sich in beiden Fällen um Mord?

Rieder

Stefan Rieder ist vor einem Jahr von Berlin nach Hiddensee gekommen, um eine „Auszeit“ zu nehmen. In diesem Jahr ist schon ziemlich viel passiert: diverse Mordfälle wurden aufgeklärt, Rieder war in eine Undercover-Ermittlung involviert und hat einige Frauen kennen und lieben gelernt. Seine letzte Freundin, die ein Café in Neuendorf betrieben hat, ist vor kurzem nach Mallorca geflüchtet. Rieder wohnt in Vitte in einem kleinen Kapitänshaus mit Außentoilette.

Hiddenseer Künstlerinnenbund

Schwarzer Peter von Tim Herden ist der fünfte Insel-Krimi um Damp und Rieder. Ich muss zugeben, dass ich mich wahnsinnig auf dieses Buch gefreut habe, da der letzte Teil Harter Ort bereits vor zwei Jahren erschienen ist. Besonders gelungen finde ich die detaillierten und wahren Insel-Schauplätze der Ermittler, immer auch verbunden mit ein bisschen Wahrheit. In diesem Buch geht es um die Gemälde des Hiddenseer Künstlerinnenbundes, also um die Werke von Frauen, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts auf der Insel niedergelassen und gemalt haben.

Gegensätzliche Ermittler

Die Protagonisten Damp und Rieder sind sehr unterschiedlich. Ole Damp ist der große, übergewichtige Polizist, der die Arbeit nicht gerade erfunden hat und sich am meisten freut, wenn er einen Radfahrer ohne Licht oder mit Handy am Ohr mit einem Bußgeldbescheid ausstatten kann. Rieder ist das genaue Gegenteil: Er stürzt sich in die Arbeit, gerade bei Mordfällen, behält den Überblick und ist auf Zack. Rieder wird bei den Insulanern auch besser aufgenommen und akzeptiert, so bekommt er schon mal ein Geheimnis aus den eher verschlossenen Bewohnern raus.

Wahre Schauplätze

Besonders toll an diesen Krimis finde ich, dass das Leben auf der Insel wirklich so beschrieben wird, wie es auch ist. Also abgesehen von den vielen Morden. Mein Mann und ich haben uns in einem Sommer auch schon mal den Spaß gemacht und sind mit dem Rad auf der Insel alle Schauplätze aus den Geschichten abgefahren und sind tatsächlich immer fündig geworden. Die Ermittler gefallen mir, weil sie oft „frei Schnauze“ reden, also ziemlich locker sind und sich nicht so gewählt ausdrücken, und es oft auch witzig ist. Dieses Buch bekommt Spannung, weil immer wieder eine Spur verfolgt wird, die sich dann doch in Luft auflöst und die Recherchen von vorn beginnen müssen. Für den Fall wird eine SOKO gebildet und Rieder und Damp bekommen Unterstützung, allerdings geht eine Ermittlerin gern auch unkonventionelle Wege und bringt damit teilweise alle in Schwierigkeiten.

Letzter Teil?

Das Buch lässt die Vorfreude auf meinen Sommerurlaub auf Hiddensee ansteigen. Leider habe ich die Seiten verschlungen und hatte nur zwei Tage Lesevergnügen. Normalerweise habe ich mich sonst immer damit getröstet, dass es in zwei Jahren ein neues Buch gibt, aber das Cover lässt erahnen, dass das diesmal nicht der Fall sein wird. In einem Interview mit dem MDR hat der Autor auch sowas durchblicken lassen.

Tim Herden wurde 1965 in Halle (Saale) geboren, ist seit 1991 Fernsehredakteur beim Mitteldeutschen Rundfunk und Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin, er leitet seit 2016 das MDR-Fernsehstudio dort. 2010 veröffentlichte er seinen ersten Hiddensee-Krimi Gellengold.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Schwarzer Peter | Erschienen am 6. März 2018 im Mitteldeutschen Verlag
ISBN 978-3-95462-758-5
308 Seiten | 12.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Andreas Rezension zu Tim Herdens Insel-Krimi Harter Ort

14. April 2018

Arno Strobel | Kalte Angst

Arno Strobel | Kalte Angst

Der Zettel stammte nicht von Kirsten, und was Max dort las, ließ schlagartig jedes Gefühl in ihm sterben – außer einem: kalte Angst. (Auszug Seite 364)

Eine Mordserie in Düsseldorf: Der Mörder dringt in Häuser ein, trägt eine Fliegenmaske und hinterlässt jedes Mal nur einen Überlebenden. Max Bischoff ermittelt als Fallanalytiker in diesem Fall. Bald erfährt er, dass ein Patient aus der Psychiatrie, ein verurteilter Mörder, die Taten vorhersagt. Dieser will der Polizei aber nur helfen, wenn er im Gegenzug die Freilassung erhält. Kann Max den Mörder stoppen?

Max Bischoff ist Anfang dreißig, groß, schlank und sportlich. Er hat gerade eine berufliche Auszeit hinter sich, da ihm sein letzter Fall doch sehr zugesetzt hat. Auch der aktuelle Fall lässt die Erinnerungen daran immer wieder aufleben. Außerdem wird Max Schwester Kirsten seit einem halben Jahr von einem Stalker auf Facebook bedroht und Max macht sich Sorgen um sie.

Blutige Beschreibungen

Kalte Angst von Arno Strobel hat mir sehr gut gefallen. Von Anfang an wird der Fall spannend erzählt. Hauptsächlich geht es um die Ermittlungsarbeit, ab und zu durchsetzt von einem Kapitel des Mordes aus Sicht der Opfer. Dabei wird die Tötungsakt recht detailliert und blutig beschrieben, ist also eher nichts für schwache Nerven. Immer wieder wird Bezug auf den ersten Fall von Max Bischoff genommen, dem Leser werden hier aber nur Bruchstücke verraten. Da ich das erste Buch nicht gelesen habe, fand ich es etwas anstrengend, dass nicht kurz detaillierter darauf eingegangen wurde, um es nachvollziehen zu können. Man braucht dieses Wissen nicht für den Roman, aber es hätte mich interessiert.

Zusätzlich ein Stalker

Max kümmert sich neben der Suche nach dem Mörder noch um seine Schwester Kirsten, die im Rollstuhl sitzt, da sie auf Facebook bedroht wird. Dieser Handlungsstrang ist nur ein Faden, der eingesponnen wird. Es kommt zu keinem abschließenden Ende, dafür wird auf den letzten Seiten verraten, dass im Februar 2019 ein neuer Thriller des Autors erscheint und es darin dann um Kirstens Stalker geht.

Ein kurzes Ende

Das gesamte Buch ist packend gestaltet, denn die Ermittlungsarbeit geht nicht voran. Das Team um Max ermittelt, befragt und recherchiert unter Hochdruck, doch es kommt zu keiner wirklichen Spur. Und auch der Psychiatriepatient spricht nur in Rätseln. Und immer wieder kommen neue Opfer dazu. Das Ende und die Auflösung sind dann kurz gehalten und für mich gab es nur eine kurze Stelle, an der ich buchstäblich die Luft angehalten habe. Für meinen Geschmack klingt der Hintergrund der Tat dann auch etwas weit hergeholt. Trotzdem lohnt es sich, das Buch zu lesen.

Arno Strobel wurde 1962 in Saarlouis geboren. Bevor er sich ganz dem Schreiben widmete, arbeitete er lange bei einer großen deutschen Bank in Luxemburg. Als Ausgleich zum Schreiben versucht Arno Strobel drei bis vier Mal in der Woche zehn Kilometer durch den Wald zu laufen. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Trier.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Kalte Angst | Erschienen am 11. Januar 2018 im Fischer Verlag
ISBN 978-3-596-29617-0
368 Seiten | 9.99 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Kurts Rezension zu Arno Strobels Thriller Die Flut sowie Monikas Rezension zu Das Dorf.

Claudia Rikl | Das Ende des Schweigens

Claudia Rikl | Das Ende des Schweigens

Herzberg ließ mit Daumen und Zeigefinger die Kappe des Filzstifts auf- und zuschnappen. „Warum schneidet man jemandem die Zunge heraus?“, fragte er laut in den Raum. „Wozu braucht man die Zunge?“
Zum Reden. Der Täter wollte, dass Hans Konrad doppelt verstummte. Tatsächlich, durch seinen Tod. Und bildlich. Symbolisch. Weil er zu viel geredet hatte…? (Auszug Seite 276)

Die Journalistin Susanne Ludwig findet die Leiche des NVA-Offiziers Konrad in ihrem Ferienhaus. Michael Herzberg ist der leitende Ermittler der Kriminalpolizei Neubrandenburg, der mit diesem Fall betraut wird. Nach einigen Recherchen findet sich die erste Spur, die mit der Wende zu tun hat. Aber ist das wirklich alles? Als Susanne sich von dem Schock ihrer Entdeckung erholt hat, wittert sie mit diesem Fall die Story ihres Lebens und beginnt sich ebenfalls umzuhören. Was ist damals vorgefallen, dass jemand nach fast dreißig Jahren noch so brutal Rache will?

Leitender Ermittler und Journalistin

Michael Herzberg ist 49 Jahre alt, groß und schlank und verheiratet. Seine Frau Renate sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl. Gerade gibt es in ihrer Ehe einige Differenzen. Herzberg hat vor vielen Jahren zehn Monate im Gefängnis gesessen. Er hat ständig das Bedürfnis, in geschlossenen Räumen ein Fenster zu öffnen.
Susanne Ludwig hat eine kleine Tochter, ist fast geschieden und streitet sich mit ihrem Ex-Mann um das Sorgerecht des Kindes. Außerdem ist sie psychisch labil und hat gerade keine Arbeit. Mit ihrem Artikel im Rahmen des Mordes möchte sie sich ihren Job zurückerobern.

Heimischer Tatort

Das Ende des Schweigens von Claudia Rikl habe ich vor allem lesen wollen, weil der Tatort in Mecklenburg ist und ich dort wohne. Es handelt sich um einen typischen Kriminalroman, bei dem die Ermittlungen im Vordergrund stehen. Die Todesursache des Opfers ist ziemlich grausam, wird aber nicht sehr detailliert und blutig geschildert. Die Geschichte ist in einzelne Tage untergliedert, wodurch es zu recht langen Kapiteln kommt.

Zwei Spuren

Die erste große Spur, die das Ermittlungsteam findet und der sie nachgeht, ist eher unspektakulär. Während des Lesens habe ich gedacht, dass es das jetzt ja wohl nicht wirklich ist. Ist es zum Glück auch nicht, die nächste Spur ist dann wesentlich interessanter und passt eher zu einem Mord nach so vielen Jahren. Es geht hauptsächlich um die Wende und die NVA. Das steht zwar auch auf dem Klappentext, aber hätte ich das vorher gewusst, hätte ich das Buch vermutlich nicht ausgewählt. Im Nachhinein bin ich aber doch froh, dass ich es gelesen habe, da das Thema für mich sehr interessant war.

In der Mitte des Romans entstand meiner Meinung nach eine kleine Flaute, die mit dem Verfolgen der ersten Spur zu tun hat, dennoch liest sich der Text sehr flüssig. Am Ende kommt etwas Fahrt auf, ohne dass ich total „vom Hocker gerissen“ wurde. Im Großen und Ganzen ein solider Krimi.

Claudia Rikl wurde 1972 in Naumburg geboren, ist dort aufgewachsen und hat die Wendezeit als Abiturientin erlebt. Die Zeit der Demonstrationen und überfüllten Kirchen, des Zusammenbruchs und Neubeginns war prägend für sie. Die Juristin und Literaturwissenschaftlerin lebt mit ihrer Familie in Leipzig. Derzeit arbeitet sie am nächsten Fall für Michael Herzberg. (Klappentext)

 

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Das Ende des Schweigens | Erschienen am 13. März 2018 bei Kindler im Rowohlt Verlag
ISBN 978-346340-685-5
528 Seiten | 14.99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

26. März 2018