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Sophie Morton-Thomas | Das Nest

Sophie Morton-Thomas | Das Nest

In einem kleinen englischen Küstenort lebt Fran Redlock mit ihrem Mann Dom und dem 10-jährigen Sohn Bruno. Während Dom im naheliegenden Norwich arbeitet, kümmert sich Fran um den Campingplatz. Sie hat in eine Wohnwagensiedlung investiert und lebt nun von der Vermietung der Mobilheime. Frans Alltag ist von Routine und einer tiefen Bindung zur Natur geprägt. Zu ihrer großen Leidenschaft in der trostlosen Alltagsroutine gehört das akribische Beobachten von Vögeln, fast besessen ist sie von einem Nest seltener Zwergseeschwalben mit wertvollen weil seltenen Eiern.

Erste Unruhe kommt auf, als ihre Schwester Ros mit Partner Ellis und der 11-jährigen Tochter Sadie vorübergehend in einem Mobilheim Unterschlupf finden. Die Familie hat finanzielle Probleme, Ellis sucht nach einem Alkoholentzug nach einer neuen Arbeit. Bruno freut sich, zum Schulbeginn neben seiner Nichte Sadie sitzen zu können. Eine neue Lehrerin übernimmt eine Mutterschutzvertretung. Diese Ms. McConnell erfüllt mit ihrem unkonventionellen Aussehen nicht die Vorstellung aller Eltern. Besonders mit der aufmüpfigen Sadie gibt es Probleme und das Mädchen wird kurzzeitig von der Schule verwiesen.

Das große Mysterium ihrer Herkunft. Ihr Akzent ist nicht von hier, genauso wenig wie meiner. Aber ich kann sie keinem Ort zuordnen, mit ihren lang gezogenen Vokalen und kehligen Formulierungen. (Auszug Seite 129)

Als die umstrittene Lehrerin überraschend verschwindet und später tot aufgefunden wird, gerät Frans fragile Welt endgültig aus den Fugen. Zur gleichen Zeit verschwindet ihr Schwager Ellis, nach dem später sogar gefahndet wird. Die Polizei geht von Mord aus und plötzlich sind alle verdächtig – auch Fran selbst. Alte Konflikte brechen auf, insbesondere in Bezug zu ihrer Schwester, mit der sie ein angespanntes Verhältnis pflegt, auch die Beziehung zu ihrem Mann wird immer schlechter.
Zeitgleich hat sich eine Gruppe Roma neben der Wohnwagensiedlung niedergelassen. Die Kinder Bruno und Sadie finden Vertrauen zu der Community und verbringen viel Zeit bei Tad, dem Ältesten der Roma-Gemeinschaft und seinem jüngeren Bruder Charlie. Fran findet bei ihren täglichen Vogelbeobachtungen immer öfter offensichtlich von Menschenhand getötete Vögel. Und dann ist das Nest mit den wertvollen Eiern leer.

Die Ereignisse werden abwechselnd in kurzen Kapiteln von Fran und Tad erzählt. Dabei wirken die Ausführungen von Tad, der mit einer nüchternen Distanz das Geschehene beobachtet, reflektiert und klar, während man bei Fran das Gefühl einer unzuverlässigen Erzählerin hat. Fran steigert sich immer mehr in einen übergriffigen Beschützerinstinkt hinein, da sie sich vor allem um ihre Nichte sorgt. Dabei scheint Sadie einfach in einem schwierigen Alter zu sein und sich mit ihrem Benehmen nach Aufmerksamkeit und Anerkennung zu sehnen.

Die britische Autorin Sophie Morton-Thomas schreibt in einem ruhigen, teilweise poetischen Stil. Von Beginn an entwickelt sich eine subtile Bedrohung, die sich immer mehr steigert und über die Seiten zuspitzt. Spannung entsteht dabei nicht aus Action oder Tempo, sondern aus der immer bedrückender werdenden Handlung. Der Roman, eher Familiendrama als Krimi ist nicht handlungsgetrieben oder rasant, eher bestimmen die präzise beobachteten Figuren den Plot. Dabei scheint das raue Marschland mit seinem ständigen Nebel und Regen zu einem eigenen Charakter. Sophie Morton-Thomas bricht mit einfachen Gut-Böse-Konstruktionen und vorhandenen Vorurteilen. Zum Schluss weiß sie noch mit einer furiosen Auflösung zu überraschen, die schwer zu fassen ist und mich zwiegespalten und etwas ratlos zurücklässt.  Zu wenig konnte ich mit den Figuren mitfühlen und emotionalen Kontakt herstellen. Zu groß ist mein Unverständnis über Frans mangelnde Handlungsbereitschaft und Kommunikationslosigkeit. Die exzessiven Vogelbeobachtungen und eindrucksvollen Naturbeschreibungen nehmen viel Raum ein, auf Kosten des eigentlichen Geschehens, dass recht zäh daherkommt.

 

Foto und Rezension von Andy Ruhr.

Das Nest | Erschienen am 02. Juli 2025 im Pendragon Verlag
ISBN 978-3-865-32909-7
304 Seiten | 22,00 €
Originaltitel: ‎Bird Spotting in a Small Town | Übersetzung aus dem Englischen von Lea Dunkel
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Magdalena Parys | Der Magier

Magdalena Parys | Der Magier

Kowalski beeilte sich, nach Hause zu kommen. Im Bad stellte er seinen Laptop auf einen Schemel, ließ sich eine Wanne ein, in der er eine halbe Ewigkeit zubrachte. Immer wieder spulte er die Aufnahme ein Stück zurück, ließ ab und zu heißes Wasser nachlaufen. Der alte Stöpsel verschloss den Abfluss nicht mehr richtig. Als wäre es ein Bild für diesen Fall, dachte Kowalski tiefsinnig. Dass ständig irgendwo etwas durchsickert und verrinnt. (Auszug S. 386-387)

Der Roman beginnt in Sofia, Bulgarien, 2011. Mit einem Mord. Der ehemalige Fotoreporter Gerhard Samuel betreibt Recherchen und sucht nach Dokumenten zu einem alten Vermisstenfall. 1980 ist der polnische Ingenieur und Oppositionelle Piotr Boszewski bei einem Bulgarienurlaub spurlos verschwunden. Boszewski ist der Mann seiner Lebensgefährtin und Vater von Dagmara Bosch, einer bekannten TV-Journalistin und Moderatorin. Gerhard recherchiert gemeinsam mit Burkhard Seidel, dessen Söhne 1985 beim Versuch die bulgarische Grenze zu überschreiten ums Leben kamen. Beide vermuten, dass es damals nicht mit rechten Dingen zuging, sowohl bei Seidels Söhnen, bei Boszewski und bei einigen anderen. Sie wollen Beweise sammeln, dass damals unter Federführung der Stasi diese Menschen mit Absicht getötet wurden. Ebenfalls bei der Recherche dabei ist der ehemalige Stasi-Mitarbeiter Frank Derwald, seine Rolle bleibt allerdings lange unklar.

In Sofia wird Gerhard zunächst abgewimmelt, doch Derwald spielt ihm Unterlagen und Negative zu. Als er diese entwickelt, erhält er zum ersten Mal einen konkreten Hinweis auf Beteiligung eines Stasi-Offiziers, Christoph Schlangenberger, heute ein einflussreicher Politiker einer populistischen Partei mit guten Chancen auf ein Regierungsamt. Als Gerhard die Brisanz erkennt, will er schleunigst Bulgarien verlassen. Doch er kommt nur in eine Querstraße in der Nähe des Hotels, bricht dort tot zusammen. Seine Erkenntnisse konnte er jedoch noch an Seidel übermitteln und auch die Unterlagen sind noch nicht verloren: Der Mann von der Hotelrezeption soll diese nach Deutschland bringen.

Kurz darauf wird die Berliner Polizei in ein heruntergekommenes Wohnhaus gerufen, das inzwischen von Roma-Familien besetzt wird. Im Bad einer Wohnung ist die brutal verstümmelte Leiche von Frank Derwald gefunden worden. Derwald ist Mitarbeiter von Christoph Schlangenberger, die Ermittlungen werden von oben stark behindert. Kommissar Kowalski wird allerdings von seinem Vorgesetzten Tschapieski trotzdem auf den Fall angesetzt, denn Tschapieski war ein Freund der Familie Boszewski und hat Kenntnis über die Recherchen. Er stellt auch den Kontakt zu Dagmara Bosch her, die von den Unterlagen aus Sofia Kenntnis erlangt hat. Währenddessen versucht Schlangenberger mit Hilfe seiner Securityfirma und seiner rechten Hand Ernesto seine Spuren um jeden Preis weiter zu verwischen.

Die polnische Autorin Magdalena Parys ist gebürtig aus Danzig, lebt aber bereits seit ihrer Jugend Mitte der 1980er in (West-)Berlin und hat dort auch Polonistik und Erziehungswissenschaften studiert. Ihr Debütroman „Tunnel“ erschien 2014 in deutscher Übersetzung. Im gleichen Jahr erschien auch der vorliegende Roman „Magik“ im Original. Er wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, gewann auch den Literaturpreis der Europäischen Union. Die vorliegende deutsche Übersetzung stammt von Lothar Quinkenstein, der auch schon Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk übersetzt hat.

Magdalena Parys schreibt hier einen Politthriller mit aktuellen (Rechtspopulismus) und historischen Bezügen (Verbrechen der Staatssicherheit). Die Ereignisse in „Der Magier“ sind zwar rein fiktiv, dennoch gab es schätzungsweise hundert Personen, die beim Versuch, die bulgarische Grenze zu überqueren, zu Tode gekommen sind. Und natürlich gab es auch tödliche Aktionen der Staatssicherheit sowohl in der DDR als auch in Polen gegen Oppositionelle. Diese Fakten verarbeitet die Autorin zu einer interessanten Handlung mit Bezügen zum aktuellen Politgeschehen. Es geht auch ums deutsch-polnische Verhältnis und der manchmal schwierige Bezug der Exilpolen zu ihrer Heimat.

Die Handlung wird aus verschiedenen Perspektiven und mit einem Erzähler vorgetragen, der insbesondere Geschehnisse aus der Vergangenheit aus dem Blickwinkel der jeweiligen Person nacherzählt. Das ist allerdings auch mein größter Kritikpunkt an diesem grundsätzlich interessanten Roman: Es wird zu viel drumherum erzählt und eine gewisse Straffung hätte der Geschichte gut getan. Eigentlich ist es ja durchaus ein löbliches Unterfangen, den Figuren Leben und Hintergrund einzuhauchen. Aber hier wird es für meinen Geschmack zu sehr übertrieben. Da werden wichtige Szenen mit viel Hintergrundmaterial unterbrochen und damit zumindest mein Lesefluss etwas gestört. Die Spannungskurve verflacht dadurch ebenfalls manchmal fast völlig, zumindest in der ersten Hälfte des Romans. Das ist etwas schade, denn ansonsten fand ich Personal und Handlung ansprechend, das Thema interessant. So bleibt am Schluss aber trotz der genannten Schwächen dann doch ein überwiegend positives Fazit.

 

Foto und Rezension von Gunnar Wolters.

Der Magier | Erschienen am 22.01.2025 im Polente Verlag
ISBN 987-3-9505744-0-1
560 Seiten | 22,- €
Originaltitel: Magik | Übersetzung aus dem Polnischen von Lothar Quinkenstein
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Bernhard Aichner | Yoko

Bernhard Aichner | Yoko

Yokos Leben wird auseinanderbrechen wie ein Glas voller Erinnerungen, das zu Boden fällt. Sie wird es nicht verhindern können, egal, wie laut sie schreien und wie sehr sie sich wehren wird. Von einem Moment zum anderen wird alles, was schön war, verschwinden. (Auszug Seite 9)

Nachdem Yokos Mutter bei ihrer Geburt verstarb, hat ihr Vater Franz, ein Metzger, sie alleine großgezogen. Sie verzichtete auf ein Studium, machte eine Metzgerlehre und pflegte ihn, als er schwer krank wurde, fast sechs Jahre lang. Schon als Kind ging sie in der Fleischerei ein und aus, wobei das Töten und Schlachten der Tierkörper zu ihrem Alltag gehörte. Doch als ihr Vater stirbt, beschließt Yoko, ihr Leben anders auszurichten. Die Endzwanzigerin findet Gefallen daran, knusprige Teigtaschen zu backen, in denen sie selbst kreierte Spruchweisheiten schreibt. Zwei Jahre später hat sie in den ehemaligen Räumen der Metzgerei eine gutgehende Manufaktur für Glückskekse aufgezogen und in Maren ihre große Liebe gefunden.

Zur falschen Zeit am falschen Ort
Eines Tages liefert Yoko in ihrem Wagen eine Ladung Glückskekse an ein chinesisches Restaurant. In dessen Hinterhof wird sie zufällig Zeugin der Misshandlung eines kleinen Straßenhundes durch zwei düstere chinesische Männer, die aus reinem Spaß am Quälen auf das Tier eintreten. Yokos Unrechtsbewusstsein und ihr Mitgefühl treiben sie dazu, sich mutig in die Situation einzumischen. Dadurch gerät sie in eine gefährliche Lage, in der sie selbst in die Fänge der Peiniger gerät. Diese fackeln nicht lange, packen die wehrlose Frau in ihren eigenen Lieferwagen, entführen sie in den Wald und missbrauchen sie.

Yokos Leben wird danach zum Albtraum und nichts ist mehr so wie zuvor. Nicht nur, dass sie einem Exzess aus Gewalt ausgesetzt war, das erlittene Leid durch die Vergewaltigung hat ein Trauma wiederbelebt, dass Yoko schon seit langem verdrängt hatte. Sie beschließt nicht zur Polizei zu gehen, sondern greift zur Selbstjustiz. Nicht ahnend, dass sie dadurch ein Räderwerk in Gang setzt, das sich rasch ihrer Kontrolle entzieht und sie überrollen wird. Denn ihre Gegner sind eigentlich eine Nummer zu groß für sie. Es handelt sich um eine chinesische Triade, eine professionelle kriminelle Organisation, die vor nichts zurückschreckt.

Die chinesische Mafia
Der Thriller ist durchweg rasant erzählt, bietet eine Vielzahl an unerwarteten Wendungen und Überraschungsmomenten und, das sollte nicht unerwähnt bleiben, explizite Gewaltdarstellungen. Der Schreibstil des Autors ist speziell, er arbeitet mit kurzen prägnanten Sätzen. Erwähnenswert und gewöhnungsbedürftig sind die Dialoge. Diese werden nur durch Anstriche gekennzeichnet, wer spricht, ergibt sich aus dem Kontext. Für mich war diese Art des Dialoges, welches wohl ein Erkennungsmerkmal des Autors ist, sehr anstrengend und es fehlte mir an Tiefe. An einigen Stellen konnte ich nur mit dem Kopf schütteln, da Yoko als Figur übertrieben agiert und viele Situationen unrealistisch wirken. Die chinesischen Kriminellen werden einfach oft als tumbe Idioten dargestellt. Beispielsweise beobachtet Yoko zwei von ihnen, die offensichtlich Schutzgelder einkassieren. Als sie das China-Restaurant verlassen, fuchteln sie erstmal feixend mit einem Bündel Geld in der Hand herum. An einer anderen Stelle will Yoko in einem Club mehr über ihre Peiniger rausfinden. Verwandelt als Femme Fatale macht sie sich an den Barmann heran, mit dem sie spielt und den sie so lange an der Nase herumführen will, bis er tut was sie will. Der mäßig selbstbewusste Barmann mit der Hasenscharte ist scheinbar dankbar für die Aufmerksamkeit einer Frau.

Meine Meinung
Yoko ist der erste Roman des Tiroler Autors Aichner, den ich gelesen habe. Im Fokus steht eine starke Frauenfigur, die sich nicht mit der Opferrolle begnügen will. Das hat mir erst mal zugesagt. Allerdings erscheint die Art und Weise wie Yoko ihre Rache an den Tätern vollzieht, angesichts der Tatsache, dass sie es mit der chinesischen Mafia zu tun hat, also professionelle Kriminelle, etwas unrealistisch. Irgendwann wurden mir ihre Entscheidungen und Taten zunehmend unverständlich sowie die Handlung an vielen Stellen zu konstruiert und unglaubwürdig. Ein Zufall reiht sich an den nächsten und die Heldin kann sich durch teilweise unglaubwürdige Geschehnisse immer irgendwie aus der Affäre ziehen. Die Geschichte eines Rachefeldzuges hat mich in Teilen an „Kill Bill“ erinnert, aber in schlecht gemacht. Dabei hat die Idee eines Rache-Thrillers, in dem die Protagonistin keinerlei Skrupel kennt, durchaus ihren Reiz. Das auch noch mit einem in der Kindheit entstandenen Trauma zu verbinden, fand ich zu überfrachtet.

 

Foto und Rezension von Andy Ruhr.

Yoko | erschien am 13. August 2024 bei Wunderlich im Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-805-20109-4
336 Seiten | 26,00 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Weitere Rezensionen zu Romanen von Bernhard Aichner auf Kaliber.17

Ashley Kalagian Blunt | Die Dahlien-Morde

Ashley Kalagian Blunt | Die Dahlien-Morde

Wenn in den Nachrichten über diese Tote berichtet und dem Radfahrer klar wurde, wie dicht er an ihr vorbeigekommen war, würde er sein Bildmaterial sichten und der Polizei übergeben. Würde es ein paar Tage dauern, bis sie Reagan identifizierten, oder nur Stunden? Außer er hätte gar nicht gefilmt. (Auszug Pos. 155)

Reagan Carsen lebt in Sydney sehr zurückgezogen als Inhaberin eines kleinen Blumenladens. Nachdem sie als junges Mädchen von einem Stalker drangsaliert worden war, hält sie sich von den Sozialen Medien fern. Als sie nahe ihrer Wohnung fast über eine weibliche Leiche stolpert, kommt das alles wieder hoch. Das schrecklich zugerichtete Opfer sieht ihr mit den dunklen Locken verdammt ähnlich. Panisch flüchtet Reagan ohne die Polizei zu informieren. In den nächsten Wochen fühlt sie sich beobachtet, erhält bedrohliche E-Mails und als weitere Morde an Frauen geschehen, ist sich Reagan sicher, dass ihr früherer Peiniger sie gefunden hat. Sie vertraut sich schlussendlich nur ihrer besten Freundin Min an, einer True-Crime Journalistin. Diese sieht eine Verbindung zu dem Black Dahlia Mord, einem der bekanntesten, unaufgeklärten Verbrechen in der amerikanischen Kriminalgeschichte aus dem Jahr 1947, der auch in der Popkultur verarbeitet wurde. Die damals in Los Angeles grausam verstümmelte 22-jährige Elizabeth Short wurde aufgrund ihrer schwarzen, lockigen Haare von der Presse „Black Dahlia“ genannt.

Der Schreibstil ist gefällig und recht einfach gehalten, die Geschichte ist leidlich spannend inszeniert mit genügend undurchsichtigen Figuren  und entwickelt sich langsam bis zu einem Plottwist, den ich so nicht kommen gesehen habe. Die beklemmende Situation für Reagan, ihre Ängste und Paranoia werden greifbar geschildert. Jedoch verhält sie sich die ganze Zeit nicht besonders nachvollziehbar, ich fand sie oft ein wenig anstrengend, auch weil sie sich sträubt, Hilfe anzunehmen. Für meinen Geschmack zog sich zu viel unnötiges Drama durch den ganzen Roman.

In ihrem ambitioniertem Debütroman, dessen Originaltitel „Dark Mode“ gut passt, thematisiert die australische Autorin auch die Gefahren des Dark Web. In Internetforen rotten sich frustrierte Männer zusammen und mit der Ansicht, sie hätten aufgrund ihres Geschlechts ein Anrecht auf Frauen und Sexualität, Ausdruck einer grundlegenden Misogynie, frönen sie ihren Hass. Die Atmosphäre, in der man Gewalt gegen Frauen legitimiert, glorifiziert und als Wiedergutmachung der narzisstischen Kränkung begreift, ist beklemmend und verstörend.
Sabine Godec ist eine bekannte Synchron- und Hörbuchsprecherin, die mit ihrer samtweichen Stimme oft für sogenannte „Frauenkrimis“ gebucht wird.

 

Foto und Rezension von Andy Ruhr.

Die Dahlien-Morde | Erschienen am 3 Juni 2024 bei Droemer TB
ISBN 978-3-426-30929-2
384 Seiten | 17,99 Euro
Das Hörbuch erschien bei Audible:
11 Stunden 53 Minuten | Erzählerin: Sabine Godec
Originaltitel: Dark Mode | Übersetzung aus dem Englischen von Alice Jakubeit
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Frank Goyke | Saat der Wut

Frank Goyke | Saat der Wut

Auf dem Parkfriedhof in Berlin-Marzahn wird die Leiche von Marija Subotić aufgefunden. Die junge Frau war Romni und betätigte sich politisch und aktivitisch. Sowohl die Gedenksteine auf dem Friedhof als auch die Gedenkstätte in Andenken an ein ehemaliges „Zigeunerlager“ als KZ-Außenstätte vor dem Friedhof sind mit Hakenkreuzen verschmiert. Für das Kripo-Team um Jasper Ackermann ein ernst zu nehmender Ermittlungsansatz, doch nicht der einzige, denn als Aktivistin hat die Tote sich einige Personen zum Gegner gemacht.

„Ich habe mich näher mit der Geschädigten befasst und festgestellt, dass von ihr 23 Anzeigen gegen unbekannt bei der Berliner Polizei vorliegen“, sagte Täschner […] „23 Anzeigen wegen Volksverhetzung, Beleidigung, übler Nachrede oder Verleumdung und auch Straftaten nach §241 StGB.“
„Bedrohungen also auch.“ Ackermann beugte sich vor. „Was für Drohungen?“
„Morddrohungen, aber auch Drohungen mit Taten, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung gerichtet sind. Eine Kostprobe gefällig?“ (Auszug S. 67)

Marija Subotić war sehr aktiv als Antifaschistin und als Aktivistin für die Rechte von Sinti und Roma, hat auch zur Geschichte des Porajmos, des Genozids an den Sinti und Roma während der NS-Zeit, recherchiert und Material dokumentiert. Dafür wurde sie an vielen Stellen angefeindet. Zudem hat sie sich auch mit der eigenen Familiengeschichte beschäftigt, ist dafür nach Serbien gereist und hat dort Unerwartetes recherchiert. Letztlich war sie auch Teil von parteiinternen Auseinandersetzung bei der Partei „Die Linke“. Somit gibt es einen extrem breiten Ermittlungsansatz für die ermittenden Beamten.

Frank Goyke, seit über dreißig Jahren als Krimiautor aktiv, aktuell betreibt er übrigens gemeinsam mit Buchhändlerin Cornelia Hüppe auch einen Krimi-Podcast („Mit Knarre, Koks und kalter Platte“), setzt in diesem Roman großen Wert auf eine akkurate Beschreibung der Ermittlungsarbeit. Jasper Ackermann und seine Kollegen müssen eine Vielzahl von Indizien durchforsten, so einige Zeugen befragen und intensive Recherchen machen. Dennoch gelingt es dem Autor, einen gewissen Spannungsbogen in diesem klassischen Whodunnit zu erhalten.

Die gesellschaftspolitische Komponente ist sicherlich das Interessanteste an diesem Krimi. Das zentrale Thema, der Genozid an den Sinti und Roma und die heutige Situation dieser Minderheiten, ist ansprechend wiedergegeben. Noch Luft nach oben hat für mich das Ermittlerteam, die Unterschiedlichkeit der Figuren wirkten etwas gewollt und auch die Dialoge fühlten sich manchmal etwas verkrampft an. Und die Auflösung am Ende war für mich zu risikolos, ohne hier zu spoilern, da hatte ich auf eine brisantere Lösung gehofft. Alles in allem aber ein solider, gesellschaftlich-politisch relevanter Krimi.

 

Foto und Rezension von Gunnar Wolters.

Saat der Wut | Erschienen am 31.08.2023 im Jaron Verlag
ISBN 978-3-89773-892-8
224 Seiten | 15,- €
Bibliografische Angaben & Leseprobe