Amélie Nothomb | Blaubart
Das Märchen vom Frauenmörder Blaubart, neu interpretiert: Die junge Saturnine bezieht ein Zimmer im Pariser Stadtpalais des Adeligen Don Elemirio. Wird sie seinem Charme ebenso erliegen wie ihre acht Vorgängerinnen, die allesamt spurlos verschwunden sind? Was wird siegen: Gefühl oder Verstand?
Einer Anzeige folgend, bewirbt sich die junge Belgierin Saturnine in Paris um ein Zimmer zur Untermiete bei Don Elemirio. Bis dahin nichtsahnend, wird sie noch im Vorraum des Stadtpalais von einer Dame, einer scheinbaren Mitbewerberin, darüber aufgeklärt, dass Don Elemirio Nibal y Milcar ein Mysterium umgibt, nämlich das seiner letzten acht Untermieterinnen. Acht Frauen bezogen in den vergangenen zwanzig Jahren das annoncierte Zimmer und verschwanden danach jeweils spurlos.
Die Freundin kam am Nachmittag. Saturnine führte sie durch alle Räumlichkeiten des Stadtpalais. Vor einer Tür blieb sie stehen.
„Ist das die Dunkelkammer?“, fragte Corinne.
„Ja.“
„Was, glaubst du, verbirgt sich darin?“
„Muss ich darauf wirklich antworten? Du weißt es doch genauso gut wie ich.“
„Grauenhaft! Wie kannst du nur bei diesem Psychopathen bleiben?“
“Der Kerl weidet sich an der Angst der anderen, vor allem der Frauen. Ich will ihm zeigen, dass mich das nicht beeindruckt.“ (Auszug Seite 52)
Saturnine – abgeleitet vom Gott Saturn, dem lateinischen Gegenstück zum griechischen Titanen Kronos, dem Vater des Zeus (Seite 65) – juckt dieses Mysterium nur ein bisschen, jedoch hält es sie keine Sekunde davon ab, bei Don Elemirio einzuziehen. Das Zimmer entpuppt sich als luxuriöse 40 Quadratmeter Suite mit eigenem Badezimmer, mit Fußbodenheizung! Das Personal steht Saturnine ebenso zur Verfügung wie die Option täglich mit dem Hausherren, welcher auf seine ganz besondere Art ein leidenschaftlicher Koch ist, zu dinieren.
„Ein Champagner-Kühlschrank!“ rief Saturnine.
„Sie nehmen sich einfach, wenn Sie wollen. Und wenn ich Ihnen noch einen Rat geben darf: Schlucken Sie den Kaviar nicht hinunter, bevor sie den Wodka trinken. Ideal ist es, die kleinen Eier zwischen den Zähnen zerplatzen zu lassen und mit eiskaltem Wodka zu mischen.“ (Auszug Seite 69)
Schon bald sitzen Saturnine und Don Elemirio jeden Abend beisammen und Saturnine wird unmerklich eine Transformation ihrer Gefühle erleben. Findet sie Don Elemirio zu Anfang noch abstoßend und anmaßend, so mehr bewegt sie die Frage, was hinter seiner vermeintlichen Fassade zu sein scheint. Sie begegnet dem „nobelsten Mann der Welt“ mit erfrischender Unverfrorenheit und beginnt schon bald nach dem Schicksal ihrer Vormieterinnen zu fragen.
Amélie Nothomb erzählt in Blaubart ein bezauberndes Stück moderne Poesie. Sie spielt mit den Sujet Liebe bis zur Abstraktion, bis das Verliebtsein zu einer sachlichen Erkenntnis wird. Ästhetik und Komposition sind zwei weitere große Themen dieses Kammerspiels. Wer sich fragt, wo da der Krimi bleibt, nun, dem sei gesagt, dass der Roman sehr gut in Spannung verpackt wurde. Manches Motiv liegt weit außerhalb des Üblichen. Alles andere wäre aber auch zu ordinär gewesen.
Blaubart | Erschienen am 20. Mai 2015 bei Diogenes
ISBN 978-3-257-24317-8
144 Seiten | 9,90 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe
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