Solveig Engel | Neondunkel
„Während ich meinen Kaffee schlürfe, habe ich das Gefühl, die Antwort könnte in Georges Todesursache liegen. Wahrscheinlich gibt es eine völlig harmlose Erklärung, eine, die alle Anschuldigungen, vor allem auch die nicht ausgesprochenen, entkräftet und jeden Klaus-Peter entwaffnet.“ (Auszug Seite 95)
Dr. Melanie Glanz arbeitet als Astrophysikerin in Bochum. Gerade haben die drei Professoren, mit denen sie eng zusammengearbeitet und geforscht hat einen Nobelpreis erhalten. Kurze Zeit nach der Preisverleihung sterben zwei der Professoren und immer mehr Zweifel schleichen sich ein, ob es wirklich eine natürliche Todesursache war, da es zu vielen merkwürdigen Zufällen kommt. Aber wer hätte ein Motiv gehabt?
Einblick in die Forschung
Neondunkel von Solveig Engel ist selfpublished und als ich in der Romanbeschreibung gelesen habe, dass es sich um einen Wissenschaftsthriller handelt, war für mich schnell klar, dass das nicht zu meinen Genres zählt. Dann habe ich aber einige Rezensionen gelesen, in denen stand, dass es nicht vordergründig um die Wissenschaft und speziell Physik geht und nicht mit Fachbegriffen um sich geworfen wird, und wurde neugierig. Ich habe mich entschieden, dem Buch eine Chance zu geben.
Nach dem Lesen kann ich bestätigen, dass die Forschung eher den Hintergrund bildet und interessant geschildert ist. Ich hatte vorher keine Vorstellung davon, wie es in einem Labor zugeht und fand diesen Einblick wirklich gut. Da die Autorin selbst Physikerin ist, gehe ich davon aus, dass es auch der Wahrheit entspricht. Die Fachbegriffe werden außerdem für Laien gut erklärt.
Zwei Sichtweisen
Die Geschichte wird aus zwei Sichtweisen erzählt, jeweils in Ich-Form. Einmal beschreibt Mel ihre Erlebnisse und ihr Leben, zum anderen kommt Anni zu Wort. Hier wird es interessant, denn Anni ist ein achtjähriges Mädchen, das keiner sieht, sondern zu Mel gehört. Sie folgt Mel auf Schritt und Tritt und hat die Möglichkeit auf sie Einfluss zu nehmen. Mel bekommt es anfangs nur unbewusst mit, später immer stärker. Das klingt jetzt vielleicht spooky, geht aber eher in die psychologische Richtung.
Dr. Melanie Glanz
Die Protagonistin ist 35 Jahre alt, liebt ihr Fachgebiet und die Forschung und ist ein wahrer Kaffeejunkie. Ihre Mutter ist früh gestorben und seitdem hat sie ihr Vater unter den Fittichen, der ebenfalls Professor der Physik ist. Beide haben kein sehr gutes Verhältnis, da er sie oft mit Leistungsdruck und Schuldgefühlen lenkt.
Spannungsbogen bleibt flach
Am Anfang war der Thriller wirklich interessant und ich habe das Leben von Mel gern gelesen. Nach zweihundert Seiten beginnen dann endlich die ersten wirklichen Zweifel an den Todesursachen der beiden Professoren, es gibt einen weiteren Anschlag und die Polizei beginnt zu ermitteln. Diese beginnende Spannung kann sich leider nicht halten, es geht weiterhin mehr um das aktuelle Projekt, um Anni und um ein bisschen Liebe. Im letzten Drittel hat das Buch wirkliche Längen und mich verließ etwas die Motivation weiterzulesen, da es kaum noch um die vermutlichen Morde ging. Zum Ende hin wird es wieder etwas besser und ich als Leser habe langsam eine Ahnung bekommen, worauf die Geschichte abzielt.
Insgesamt ein interessantes Buch, wenn man noch nie mit Forschung in Berührung gekommen ist, aber der Spannungsbogen ist nicht geglückt. Sehr nett fand ich die Geste der Autorin, mir eine persönliche Widmung ins Buch zu schreiben, in der sie mir schauriges Lesevergnügen wünscht. Nur hat sich das leider nicht eingestellt.
Solveig Engel ist das Pseudonym von Sabine Engel. Sabine Engel hat Physik studiert, an der Bochumer Uni und am TRIUMF-Lab promoviert und nebenbei für Spektrum der Wissenschaft geschrieben. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern bei Berlin. 2013 erschien ihr Kinderbuch Mission mit Schwein im Baumhaus Verlag.
Rezension und Foto von Andrea Köster.
Neondunkel | Erschienen am 10. Januar 2018 als Self-Publishing bei epubli
ISBN 978-3-74507978-4
524 Seiten | 15.99 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe