Kategorie: sozialkritischer Krimi

Liza Cody | Die Schnellimbissdetektivin

Liza Cody | Die Schnellimbissdetektivin

Beschatte ich einen verlogenen, treulosen Saftsack für eine verunsicherte, tränenblinde Klientin, oder arbeite ich für eine, die seit Ewigkeiten weiß, dass ihre Ehe eine rottende Leiche ist, aber den verlogenen, treulosen Saftsack drankriegen will, um das Haus und den Löwenanteil des gemeinschaftlichen Eigentums zu behalten? (Auszug Seite 5)

Hannah Abram ist fürs Stillsitzen nicht gemacht. Schlecht für die ehemalige Polizistin der Metropolitan Police, die sich neben ihrer Tätigkeit in einer Imbissbude mit kleinen privaten Ermittlungen durchschlägt. Und da gehören öde Überwachungsstunden bei der Beschattung untreuer Ehemänner eben dazu. Es sind kleine, für die Polizei zu belanglose Fälle, die Hannah lösen muss. Da gibt es den Kleingarten-Verein, dem das Biogemüse geklaut wird, für einen attraktiven Gentleman sucht sie die weggelaufene Ehefrau und für einen jungen Mann mit Zwangsstörungen macht sie sich auf die Suche nach seiner Stiefschwester, die in dubiose Machenschaften verwickelt zu sein scheint. Und dann ist da noch der Straßenjunge BZee, den sie heimlich durchfüttert und ihn weggelaufene Hunde und geklaute Fahrräder wiederfinden lässt, wobei wiederfinden ein dehnbarer Begriff ist.

Als ein höflicher Senior sie in einem Waschsalon anspricht, weil ihm nächtlich Müll vor die Tür gekippt wird, nimmt Hannah den Auftrag an und gerät beim nächtlichen Observieren seiner Wohnung in das Visier einer eifersüchtigen Nebenbuhlerin. Der alte Herr hat ihr einiges verschwiegen, unter anderem, dass er ein bekannter Rockstar war und die hartnäckige Verehrerin beginnt, Hannah zu stalken und öffentlich vor der Imbissbude wüst zu beschimpfen. Kurz darauf wird die ältere Dame ermordet im Volkspark nahe der Imbissbude aufgefunden. Für die Aufklärung ist die Polizistin Chloe Mwezi zuständig und hat es als weibliche Vorgesetzte bei der MET ebenso schwer wie einst Hannah. Auch sie hatte unter Sexismus ihrer männlichen Kollegen zu leiden und war wegen einer Wutatacke gegen ihren Chef in Ungnade gefallen.
Die Endzwanzigerin lebt nun in einer kleinen Dachkammer bei zwei strengen, veganen Lehrerinnen (Rauchen, Trinken, Fleisch und Männer verboten) und kämpft sich mühsam von Miete zu Miete. Im Sandwich Shack am Volkspark schuftet sie hart für einen Hungerlohn und darf ab und zu das Büro hinter der Küche für ihren Detektiv-Job benutzen. Ihr Chef Digby ist ein „erzbigotter Ausbeuter“ und menschenverachtender Egomane. Dabei brauchen die beiden einander, Hannah den Job und Digby sie als zuverlässige Kraft. Digby wird sehr überspitzt dargestellt, aber die Wortgefechte der beiden gehören zu den Höhepunkten der Lektüre.

Normalerweise treffe ich Klienten außerhalb der Arbeitszeit im Büro hinter der Küche. Aber ich kann mit Digby nicht über Bürozeiten verhandeln, nachdem ich seine Nase und seine Hämorrhoiden im selben Satz verwurstet habe. (Auszug Seite 8 und 9)

Die Schnellimbiss-Detektivin Hannah Abraham ist clever und profitiert von ihren Erfahrungen als Ermittlerin, auch wenn es ihr manchmal an Menschenkenntnis fehlt und sie sich von charmanten Klienten einwickeln lässt. Auf ihre Mitmenschen wirkt die Ich-Erzählerin manchmal schroff, spröde und auch unfreundlich, hat aber das Herz auf dem rechten Fleck. Sie macht sich viele Gedanken um BZee, der noch ein Kind ist, jedoch in die Kleinkriminalität abzurutschen droht. Er braucht eindeutig Fürsorge, Hannah kann sich aber nicht dazu durchringen, ihn den Gerichten zu überlassen. Von ihrem Exfreund wird sie immer noch terrorisiert. Nach und nach erfährt man weitere Gründe für ihre Wut, die sie gerne an ihre Kunden und besonders an Digby rauslässt.

Liza Cody, geboren 1944 in London erzählt von den Nöten und Sorgen der kleinen Leute. Und dabei unterhält sie ganz großartig mit trockenem, schwarzem Humor und schiebt fast beiläufig und ohne viel Theatralik sozialkritische Themen ein. Sie beschreibt London nach Brexit und Covid als eine Metropole, die unter Klimaproblemen leidet, in die Wohlfahrtsläden die Geschäftsstraßen beherrschen und die Heldin spürt, dass Armut und Mangel sie umkreist. Dabei geht es immer um die unteren Klassen und Figuren am Rande der Gesellschaft, auf die die britische Autorin mit viel Empathie guckt. Und im Besonderen auf Frauen, die von Männern schikaniert werden. Die vielen authentischen Charaktere, unterschiedlichen Fälle sowie der schräge Plot ergeben einen wilden Ritt, nichtsdestotrotz ist ein amüsanter, unterhaltsamer und nie oberflächlicher Kriminalroman entstanden. Dass sich der Kriminalroman so flüssig weglesen lässt, ist sicher auch ein Verdienst der stimmigen Übersetzung durch Iris Konopik.

 

Foto und Rezension von Andy Ruhr.

Die Schnellimbissdetektivin | Erschienen am 27. Mai 2024 bei Ariadne im Argument Verlag
ISBN 978-3-867-54275-3
352 Seiten | 18.- Euro
Originaltitel: The Short-Order Detective | Übersetzung: Iris Konopik
Bibliografische Angaben & Leseprobe

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Denise Mina entführt den Leser in Die tote Stunde in das Glasgow der 80er Jahre. Die junge Nachwuchs-Reporterin Paddy Meehan arbeitet bei den Scottish Daily News in der unbeliebten Nachtschicht und muss mit ihrem geringen Einkommen auch noch Eltern und Geschwister ernähren. Mit ihrem Fahrer Billy hört sie den Polizeifunk ab, um den Ermittlern zu den Einsatzorten zu folgen und kleine Polizeimeldungen zu schreiben. In einer bitterkalten Februarnacht wird sie in einer wohlhabenden Gegend Zeugin eines Falles von häuslicher Gewalt. Obwohl sie noch einen kurzen Blick auf die blutende Frau erhaschen kann, lässt sie sich genau wie die Polizisten vor Ort von dem eleganten Mann an der Tür abwimmeln. Sie nimmt sogar den 50 Pfund Schein an, da sie das Geld gut gebrauchen kann. Als sie am anderen Morgen erfährt, dass die Frau totgeschlagen wurde, meldet sie sich von Schuldgefühlen getrieben samt Bestechungsgeld bei der Polizei. Da ihre Aussage dort aber kein gesteigertes Interesse findet, beschließt sie, den Fall selbst aufzuklären.

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Christoffer Carlsson | Schmutziger Schnee Bd. 2

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Ein ermordeter Soziologe, ein verstörter 6-jähriger Zeuge und die Bedrohung durch gewaltbereite Randgruppen: Leo Junkers neuer Fall macht es ihm bei der Rückkehr in den Polizeidienst nicht gerade leicht. Und er muss allen beweisen, was er sich selbst täglich einzureden versucht – dass er körperlich und psychisch wieder genesen und komplett arbeitstauglich ist. Als Leo und sein Kollege Birck endlich eine heiße Spur entdeckt haben, wird ihnen der Fall entzogen und dem schwedischen Geheimdienst übergeben. Doch das weckt erst recht Leos Ehrgeiz und bestärkt ihn in seinem Gefühl, dass in diesem Fall wichtige Details vertuscht werden sollen …

Es wundert nicht, dass Christoffer Carlsson in die Nähe von Stieg Larsson gerückt wird: Sein neuer Roman Schmutziger Schnee ist mehr noch als der Auftakt seiner Leo-Junker-Reihe Der Turm der toten Seelen ein Roman, der sich dezidiert mit bedenklichen Entwicklungen in der schwedischen Gesellschaft auseinandersetzt und auf gefährliche Zustände in der politischen Landschaft und erschreckende Defizite bei den politisch und moralisch Verantwortlichen hinweist. Allerdings ist seine Darstellung eine eher nüchterne, sachliche Bestandsaufnahme, eine fast emotionslose Zustandsbeschreibung, der Versuch zu begreifen und zu verstehen wo Larsson verurteilt, eine wütende Anklage formuliert, aufruft zur Gegenwehr, zum Widerstand. Larsson fordert Rebellion, ja Revolution wo Carlsson um Ausgleich bemüht ist, noch vermitteln und versöhnen will und dabei objektiviert und nivelliert.

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