Kategorie: noir | hardboiled

Larry Brown | Fay

Larry Brown | Fay

„Du musst nicht mitkommen“, sagte er.
Sie musterte sein Gesicht, den muskulösen Arm und die Hand, die das Bier hielt, wohlwissend, wie gern sie diese Hände auf sich spürte und wie sicher sie sich manchmal in diesen Armen fühlte.
„Ich kann dich hierlassen und wegfahren“, sagte er. „Ich meinte, du warst ja auch unterwegs, als wir uns begegnet sind. Du bist nicht schlechter dran, Fay. Verdammt“, sagte er, halb zu sich selbst. „Vielleicht geht’s dir dann sogar besser.“
Er wandte ihr das Gesicht zu und wartete auf ihre Antwort. Doch sie dachte nur ganz kurz nach, denn allein unterwegs sein war das Letzte, was sie wollte. Lieber das kleinere Übel. Sie zog den Kopf ein, stieg in den Wagen und schloss die Tür. (Auszug Seiten Seiten 511-512)

Die 17-Jährige Fay Jones lebt mit ihrer Familie in einer Hütte im Wald in der Nähe von Oxford, Mississippi. Der Vater gewalttätig, alle zusammen bitterarm. Sie beschließt eines Tages, abzuhauen und alles hinter sich zu lassen. Ihr vages Ziel: Biloxi an der Küste des Golfs von Mexiko.

Read More Read More

Jakob Arjouni | Happy Birthday, Türke

Jakob Arjouni | Happy Birthday, Türke

Ich trank und rauchte, schoß Ringe in die Luft und ließ meine Gedanken wegschwimmen. Das Bier legte einen Schleier über meine Augen. Ich schob die Beine auf den Tisch und rutschte in eine bequeme Lage. Das Bier lief wie in einen trockenen Schwamm. Dann fiel die Flasche auf den Boden, und ich schloß die Augen. Ich war angetrunken und müde. Es war wohlig warm.
Gerade als der Schatten langsam auch über mein Gehirn zog, schrillte die Türklingel.
„Scheiße.“
Ich rappelte mich hoch, schlurfte zur Tür und drückte die Klinke herunter. Erst sah ich tranig in die Mündung. Dann war ich mit einem Schlag hellwach. (Auszug Seite 113)

Privatdetektiv Kemal Kayankaya erhält an seinem Geburtstag unverhofft einen interessanten Auftrag: Der Türke Ahmed Hamul wurde im Hinterhof eines Bordells ermordet aufgefunden, die Polizei hat bislang wenig vorzuweisen. Die Ehefrau des Toten bittet ihn, den Täter zu ermitteln. Da sogar ein Vorschuss gezahlt wird, macht sich Kayankaya auf den Weg ins Frankfurter Rotlichtmilieu und es dauert nicht lange, bis er erste Ergebnisse erzielt.

Read More Read More

Donald Ray Pollock | Knockemstiff

Donald Ray Pollock | Knockemstiff

Ich zog mir die dünne Decke über den Kopf und steckte mir die Finger in den Mund. Eine süßer, salziger Geschmack biss mir in die aufgeplatzte Lippe und zog über meine Zunge. Es war das Blut des Jungen, das noch an meinen Händen klebte.
Während das Bett meiner Eltern im Nebenzimmer laut gegen die Dielen stampfte, leckte ich mir das Blut von den Knöcheln. Die geronnenen Stückchen lösten sich im Mund auf und verwandelten meine Spucke in Sirup. Nachdem ich alles Blut heruntergeschluckt hatte, leckte ich weiter an meinen Händen. Ich riss mit den Zähnen an der Haut. Ich wollte mehr. Ich wollte immer mehr. (Auszug Seiten 26-27)

Eine ländliche Gegend im südlichen Ohio. Dünn besiedelt, wenig Arbeitsplätze. Hier leben die Abgehängten, die Außenseiter. Lebenswege, die nicht von Hoffnung und Zuversicht geprägt werden, sondern von Resignation, Ausweglosigkeit, Verwahrlosung und Gewalt. 18 Kurzgeschichten werden in Knockemstiff zu einem Erzählband zusammengefasst, der von einem Ort der Düsternis und Depression berichtet.

Read More Read More

Tom Franklin | Die Gefürchteten

Tom Franklin | Die Gefürchteten

„Und wenn sie mich fragen?“
„Dann sagst du einfach, du weißt nichts über die Sache.“
„Ich kann nicht so gut lügen wie du.“
„Jetzt pass mal auf“, sagte William. „Der, auf den’s ankommt, muss dem Lügner die Lüge glauben. Dann ist es keine Lüge mehr. Dann ist es die Wahrheit. Für dich und mich ist Gottes Wahrheit von jetzt an, dass wir absolut nichts über den Mord an Arch Bedsole wissen. (Auszug Seite 88)

In einer ländlichen Gegend namens Mitcham Beat in Alabama im Jahre 1897 wird der aufstrebende und beliebte Ladenbesitzer und Lokalpolitiker Arch Bedsole mehr oder weniger zufällig bei einem Überfall erschossen. Sein Cousin Tooch schart einige Bekannte und Unzufriedene um sich, um dessen Tod zu rächen und um es den „Städtern“ der nächstgrößeren Kleinstadt Grove Hill mal so richtig zu zeigen. Und vielleicht auch, um ein paar Dollars einzusacken. So wird dann auch der Geheimbund „Hell-at-the-Breech“ gegründet, der fortan sein Unwesen treibt.

Read More Read More

Jon Bassoff | Zerrüttung

Jon Bassoff | Zerrüttung

Etwas Zeit verstrich. Ich stieg aus dem Pick-up. Der Schnee knirschte unter meinen blutbefleckten Stiefeln. Im Schlafzimmer ging Licht an, und ich sah Lilith am Fenster stehen. Sie trug ein langes weißes Nachthemd, ihr Gesicht wie aus einer anderen Welt. Ich stand vor meinem Leichenwagen und ließ das Gewehr runterbaumeln, als wäre es ein Stahlfortsatz meiner Hand. Irgendwo in der Ferne pfiff ein einsamer Zug. Ich strich mir das Haar zurück und ging langsam auf die Tür zu. Und jetzt wusste ich, was ich tun würde, was ich tun musste. Man hat keine Wahl. Es gibt keinen freien Willen. (Auszug Seite 97)

Der Irak-Veteran Joseph Downs ist mit seinem Wagen irgendwo in Colorado unterwegs, als sein Auto kurz vor der Stadt Stratton liegenbleibt. Er lässt den Wagen stehen, läuft in die Stadt und begibt sich erst einmal in eine heruntergekommene Bar. Dort wird er Zeuge, als ein Mann seine Frau mit Gewalt aus der Bar holen will. Er zieht dem Mann eine Bierflasche über den Schädel. Während sein Wagen repariert wird, bleibt Downs die nächsten Tage in der Stadt und beginnt eine Affäre mit Lilith, der angegriffenen Frau aus der Bar. Schließlich versucht Lilith Downs zu überreden, ihren Mann umzubringen und sich mit ihr die Lebensversicherung zu teilen.

Read More Read More