Monat: Januar 2017

Andreas Föhr | Eisenberg

Andreas Föhr | Eisenberg

Der Arm der Toten, der auf Schwinds Seite lag, zeichnete sich unter dem Tuch ab, und es schien, dass er am Handgelenk abrupt aufhörte. „Es sieht so aus, als hätte sie keine Hände.“
„Da greifen wir jetzt aber ein bisschen vor.“
„Sind die Hände gefunden worden?“ Das Thema beschäftigte Schwind, und er wollte Stangs langatmige Einführungszeremonie nicht abwarten. „Was sind Sie bloß so ungeduldig?“
„Beantworten Sie doch einfach meine Frage. Wurden die Hände…“
„Gefunden wäre das falsche Wort“, unterbrach ihn Stang ungehalten, denn er hasste es, wenn jemand den ritualisierten Ablauf seiner Obduktionen durcheinanderbrachte. Er zog ein Gesicht, als habe man ihm den ganzen Spaß verdorben, murmelte: „Also weg damit“, und gebot der jungen Ärztin mit herrischer Geste, das Tuch zu entfernen. (Auszug Seite 11)

In München wird an einem Abschnitt der Isar, dem sogenanntem Flaucher, die brutal ermordete und verstümmelte Leiche einer jungen Studentin gefunden. Ein mutmaßlicher Täter wird schnell aufgrund von DNA-Spuren im Obdachlosenmilieu ermittelt. Der Fall findet das Interesse von Dr. Rachel Eisenberg, eine auf Strafrecht spezialisierte Anwältin, die sich zwar kein großes Honorar, aber eine gewisse Medienpräsenz erhofft.

Read More Read More

Christoffer Carlsson | Der Lügner und sein Henker Bd. 3

Christoffer Carlsson | Der Lügner und sein Henker Bd. 3

Der Lügner und sein Henker, spannender Abschluss der Leo-Junker-Trilogie

Aber wer weiß, ob dies wirklich das Ende ist…

Christoffer Carlsson nimmt im dritten Teil seiner Romanserie um den charismatischen Polizisten Leo Junker einige alte Handlungsfäden wieder auf und verknüpft die losen Enden zu einem feinen Gespinst, in dessen Muster mehr und mehr von den Verbindungen und Bezügen einiger Personen und Geschehnisse zueinander erkennbar werden, bisher unvollendete Erzählstränge zu Ende geführt werden und vage und unbestimmte Gedanken der ersten beiden Bücher ihre Erklärung finden.

Read More Read More

Christian Bauer | Klara Klühs und die weiße Jade

Christian Bauer | Klara Klühs und die weiße Jade

„Vielleicht auf ihrem Rechner?“ mutmaßte Paul Kersten und drückte gleichzeitig den Startknopf. Es erschien eine Eingabemaske, die nach dem Passwort fragte. „Weisse Jade“ gab Kersten in die Maske ein und drückte die Entertaste. „Weiße Jade?“, fragte Klara. Aber Kersten brummte nur: „Wahrscheinlich wegen dem Armband. Trägt sie ja dauernd.“ (Auszug Seite 41)

Der Fischer Paul Kersten vermisst seine Frau Greta. Sie wollte eigentlich ihren Bruder in Berlin besuchen, beide sind aber nicht zu erreichen. Greta war auch Teilnehmerin des Lesetreffs in der Inselbücherei von Klara Klühs. Paul Kersten hat die Polizei bereits informiert, bittet aber auch Klara sich in den persönlichen Sachen seiner Frau umzusehen, da sie auf Hiddensee bereits als „Miss Marple“ bekannt ist. Klara findet bei der studierten Mathematikerin Greta Lottoscheine und einige Berechnungen dazu. Ist das der Schlüssel? Und was hat es mit dem Armband aus weißer Jade auf sich? Gemeinsam mit dem Pfarrer Klaas Harmsen reflektiert sie ihre Überlegungen und befragt die Inselbewohner. Immer wieder tauscht sie sich auch mit dem Kriminalhauptkommissar Sven Krömer aus Stralsund aus, denn mittlerweile glaubt keiner mehr an eine Wiederkehr der Vermissten…

Read More Read More

Gerald Kersh | Die Toten schauen zu

Gerald Kersh | Die Toten schauen zu

„Meine Herren, natürlich ist die Beseitigung der Ursachen das bestmögliche Gegengift gegen jedweden Terror. Das zweitbeste ist… nun, sagen wir, das Zerstampfen der Früchte, die er trägt. Man liefert den Beweis, dass die Sache sich nicht auszahlt, und so, wie man auf jede Revolution mit einer Gegenrevolution antworten kann, kann man Terror mit Gegenterror begegnen. Das hier, meine Herren, dürfen Sie als einen Entwurf zu Gegenterror betrachten – als ein überzeugendes Exempel. Sie werden, da bin ich ganz sicher, zu dem Schluss gelangen, dass Gegenterror ohne Frage wirkungsvoll sein kann, sofern man fest entschlossen ist, ihn bis zum bitteren Ende durchzuziehen und jede Drohung, die man genötigt wurde auszusprechen, in die Tat umzusetzen und mehr noch als das. Angeblich, so heißt es, könne man ein ganzes Volk nicht mal eben so auslöschen. Nun, gut. Es ist unsere Pflicht, unsere absolute Bereitschaft erkennen zu lassen, genau das zu tun, sofern es notwendig ist.“ (Auszug Seite 103)

In der besetzten Tschechoslowakei wird der SS-Obergruppenführer von Bertsch von einem vorbeifahrenden Motorradfahrer erschossen. Die Deutschen sinnen auf Vergeltung und wollen den tschechischen Widerstand in die Knie zwingen. Als vor dem kleinen Dorf Dudicka ein verlassenes Motorrad gefunden wird, reicht dies aus, um an den unschuldigen Dorfbewohnern ein Exempel zu statuieren.

Read More Read More

Ruth Ware | Im dunklen, dunklen Wald

Ruth Ware | Im dunklen, dunklen Wald

Aus irgendeinem Grund lief mir bei seinen Worten ein Schauder über den Rücken. Vielleicht waren es die Baumstämme, die wie stumme Wächter in der zunehmenden Dunkelheit standen. Oder vielleicht war es die Nachwirkung der Kälte, die Tom und Melanie von draußen mit hereingebracht hatten. Was es auch war, wir hatten London im Herbst verlassen, und nun schien es hier, so viel weiter nördlich, als wäre über Nacht der Winter eingekehrt. Das lag nicht nur an den eng zusammenstehenden Kiefern, die mit ihren dichten Nadeln kein Licht durchließen, oder an der kalten, klaren Luft, die baldigen Frost verhieß. Bald würde die Nacht hereinbrechen, und das Haus fühlte sich immer mehr an wie ein gläserner Käfig, der sein Licht blind in die dämmernde Nacht strahlte, wie eine einsame Laterne. (Auszug Seite 43)

Die 26-jährige Nora wacht schwerverletzt im Krankenhaus auf. Ihr Zimmer wird von Polizisten bewacht, es ist von Toten die Rede. Während sie sich langsam von ihren Verletzungen erholt, versucht sie verzweifelt, sich die Geschehnisse ins Gedächtnis zu rufen. Völlig unerwartet hatte sie eine Einladung zu einem Junggesellinnenabschied ihrer ehemals besten Freundin Clare bekommen. Da nach einem Vorfall vor über zehn Jahren der Kontakt abgebrochen war, hatte sie die Einladung in das Wochenendhaus im Norden Englands nur zögernd angenommen.

Sie fährt mit Nina, einer weiteren früheren Schulfreundin zur Feier in das abgelegene Haus im Wald. Die Partylocation entpuppt sich als ein hochmoderner, minimalistisch eingerichteter Kasten aus Glas und Stahl. Hier treffen sie auf die anderen Gäste, eine überschaubare Schar von sechs Personen. Da ist Clare, die attraktive, sehr selbstbewusste, fast schon narzisstische Braut und ihre Trauzeugin Flo, eine Perfektionistin, die alles organisiert hat. Sie wirkt psychisch instabil und himmelt Clare an. Dann der einzige Mann, der leicht arrogante, schwule Theaterschriftsteller Tom, und Melanie, eine junge Mutter, die zum ersten Mal ohne ihr kleines Baby unterwegs ist. Nora ist schockiert, als sie begreift, dass Clares Bräutigam James ihre frühere große Liebe ist. Der Leser erfährt alles peu à peu aus Noras bruchstückhaften Erinnerungen und man ahnt schon, dass der Schlüssel der Geschehnisse in Clares und Noras gemeinsamer Vergangenheit liegt.

Im dunklen, dunklen Wald ist kein Handlung getriebenes Buch. Ruth Ware setzt in ihrem Debüt ganz auf das klaustrophobische Setting und nimmt sich viel Zeit für die beklemmende Atmosphäre. Das rundherum verglaste, von dunklen Kiefern umgebene Ferienhaus wirkt wie ein gläserner Käfig, in dem die Gäste das unbehagliche Gefühl vermittelt bekommen, beobachtet zu werden und sich wie auf einer Bühne zu präsentieren. Die Autorin greift tief in die Trickkiste, um die Atmosphäre so bedrohlich wie möglich zu gestalten, einschließlich rätselhafter Fußspuren im frischen Schnee. Es gibt keinen Handyempfang und dann fällt auch noch das Festnetz aus. Dies mag einfallslos und banal klingen und funktioniert auch nicht so richtig. Da der Thriller im eher ruhigen Tempo daherkommt, liegt hier für mich das Problem. Meiner Meinung nach hätte sich aus dem Szenario, das jetzt auch nicht so innovativ und neu ist, mehr Suspense ergeben müssen. Die Szenen, die dann spannend sein sollen, wirken zu konstruiert und die gefährlichen Situationen zu inszeniert. Beispielsweise will Nora, noch bevor die Party überhaupt losgeht, erst mal joggen gehen.

„Ein bisschen Zeit hast du vermutlich schon noch“, meinte Flo und blickte durch das Fenster hinaus in die zunehmende Dämmerung. „Aber du solltest dich beeilen. Wenn es hier erst mal dunkel wird, wird es wirklich sehr, sehr dunkel.“ (Seite 61)

Ein weiteres Manko sehe ich leider in den stereotypen Protagonisten, die auch keine Entwicklung erleben. Die Autorin hat den einzelnen Figuren keine charakterlichen Tiefen gegönnt und sie wenig ausgestaltet. Aus diesem Grunde bekommt der Leser absolut keinen Bezug zu ihnen und man empfindet wenig Sympathie. Flo frisiert und kleidet sich ähnlich wie die von ihr angebetete Clare und man ahnt schon, dass das noch mal ein wichtiger Punkt werden könnte. Melanie, mit den Gedanken ständig bei ihrem Kind, verlässt die Party früh und das würde man ihr am liebsten gleichtun. Es ist wie auf einer Feier, auf der man sich nicht wohlfühlt und nur noch bleibt, weil man nichts verpassen möchte. Einzig Nina, die taffe Ärztin brasilianischer Herkunft, bringt ab und zu mit ihren flapsigen Bemerkungen und trockenem Humor ein bisschen Schwung in die Sache. Tom und Melanie agieren nur als Randfiguren und sind für den Handlungsverlauf komplett entbehrlich.

Einzig die Ich-Erzählerin und Hauptprotagonistin Nora wird etwas näher beleuchtet. Ihr Beruf als Schriftstellerin erlaubt ihr ein äußerst zurückgezogenes Leben in einer winzigen Wohnung mit wenig Sozialkontakten. Nora, die in der Schulzeit immer im Schatten der selbstbewussten Clare stand, wirkt oft verunsichert und fügt sich dem Gruppenzwang. Auf der Party wird sie bei komischen Spielchen öfter gedemütigt, so dass man sich fragt, warum sie diese nicht verlässt. Zwischen den Gästen, die sich ja kaum kennen, entwickelt sich bei Alkohol, Drogen und komischen Spielchen wie Tontaubenschießen eine unheilvolle, angespannte Stimmung.

Leider hat der Schluss für den gewieften Leser auch keine wirkliche Überraschung parat. Man hat die ganze Zeit Vermutungen und ist dann enttäuscht, weil es genau so platt daherkommt. Trotzdem lässt sich der Psychothriller aufgrund kurzer Kapitel und einer leichten Schreibweise flüssig lesen und trotz einiger Längen ist auf jeden Fall Potenzial vorhanden.

Ich finde hier das Cover sehr gelungen, die grellen blutroten Buchstaben plakativ über dem verschwommenen düsteren Wald. Das hat mich sehr angesprochen.

Ruth Ware wuchs in Sussex, im Süden Englands auf. Heute lebt sie mit ihrer Familie in London. Im dunklen, dunklen Wald ist ihr Debütroman. Inzwischen ist ihr zweites Buch ‚The woman in cabin 10‘ erschienen und sie arbeitet an ihrem dritten Psychothriller.

 

Rezension und Foto von Andy Ruhr.

Im dunklen, dunklen Wald | Erschienen am 23. September 2016 bei dtv
ISBN 978-3-42326-123-4
384 Seiten | 15,90 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe