Kategorie: 4 von 5

Steve Cavanagh | Thirteen & Fifty-Fifty ♬

Steve Cavanagh | Thirteen & Fifty-Fifty ♬

Thirteen (Eddie-Flynn-Reihe Nr. 4)

Bobby Solomon, ein junger, attraktiver und aufgehender Kinostar in Hollywood ist dringend tatverdächtig, seine Ehefrau, die Schauspielerin Ariella Bloom und ihren Bodyguard und Liebhaber Carl Tozer ermordet zu haben. Solomon beteuert seine Unschuld, doch die Beweislast ist erdrückend. Eddie Flynn, ein kleiner New Yorker Strafverteidiger und ehemaliger Trickbetrüger kann sein Glück nicht fassen, als der bekannte Staranwalt Rudy Carps ihn um Hilfe bittet. Eddie soll das Team der Anwälte unterstützen und die Anklage entkräften. Eddie glaubt Bobby und tut alles in dem bevorstehenden Prozess, um die Jury von der Unschuld seines Mandanten zu überzeugen. Auch als er ziemlich schnell begreift, dass er eigentlich nur als Bauernopfer herhalten soll, falls der Verlauf des Prozesses für Solomon ungünstig verläuft.

Der Roman wird abwechselnd aus der Perspektive des Strafverteidigers Eddie Flynn sowie aus der Sicht des Serienmörders Joshua Kane erzählt. Schon im Prolog erfahren wir, wie der gerissene Killer alles daran setzt, Teil der 12-köpfigen Jury zu werden. Obwohl der Täter von Beginn bekannt ist, mangelt es dem intelligent geplotteten Justizthriller nicht an Spannung. Auch weil man jederzeit sehr nah an der Gedankenwelt des Protagonisten und des Antagonisten ist. Diese werden von den beiden Schauspielern Thomas M. Meinhardt und Götz Otto sehr gut in Szene gesetzt. Steve Cavanagh bedient sich zwar an einigen genretypischen Figuren, wie den cleveren, mit allen Wassern gewaschenen Flynn, der das Herz am rechten Fleck hat, den perfiden, soziopathischen Kane mit einer angeborenen Schmerzunempfindlichkeit, dem eiskalten Staatsanwalt oder einer taffen und coolen Ex-FBI-Agentin. Trotzdem hat mich der Thriller aufgrund von vielen innovativen Überraschungsmomenten extrem entertaint. Dazu gehört auch, dass man genau wie die Ermittler bis zum Schluss nicht weiß, wer der Killer in der Jury ist. Es machte mir Spaß, im amerikanischen Rechtssystem den Aufbau des Prozesses, die Strategie der Verteidigung oder den raffinierten Schlagabtausch, den sich Verteidigung und Anklage vor Gericht liefern, zu verfolgen. Die Szenen, in denen die Jurymitglieder eingeschätzt und danach speziell ausgewählt werden, wirkten auf mich authentisch, auch aufgrund der Tatsache, dass der nordirische Autor selbst Anwalt ist. Obwohl einige Wendungen tatsächlich sehr abstrus daherkommen, konnte ich dieses meisterhaft inszenierte Katz- und Mausspiel atemlos genießen.

Thirteen ist der erste Thriller um Strafverteidiger Eddie Flynn, der in deutscher Übersetzung erschienen ist. Tatsächlich handelt es sich aber bereits um den vierten Band der Reihe.

Fifty-Fifty  (Eddie-Flynn-Reihe Nr. 5)

Der ehemalige Bürgermeister von New York, Frank Avellino wird in seinem Schlafzimmer mit äußerster Brutalität erstochen. Anwesend sind seine Töchter Alexandra und Sofia, die auch fast zeitgleich entsprechende Notrufe absetzen, in denen sie sich gegenseitig der Tat beschuldigen. Der Staatsanwalt drängt auf einen gemeinsamen Prozess, um die Schuldfrage schnell zu klären. Ein mögliches Mordmotiv könnte die große Erbschaft in Millionenhöhe sein.

Eddie Flynn übernimmt die Verteidigung von Sofia Avellino und steht im Gericht der Anwältin Kate Brooks von der Societät Levy, Bernhard & Croff gegenüber, die Alexandra Avellino vertritt. Beide sind von der Unschuld ihrer Mandanten überzeugt. Die Indizien sind nicht eindeutig, im Verlauf des Verfahrens versuchen beide, die Glaubwürdigkeit der anderen Angeklagten in Zweifel zu ziehen. Eine große Herausforderung für die Geschworenen, auch da manche Zeugen auf mysteriöse Weise verschwinden.

Nachdem mich Thirteen so gut unterhalten hat, habe ich mir gleich ein weiteres Hörbuch aus der Anwaltsserie um Eddie Flynn vorgenommen. Thomas M. Meinhardt spricht wieder Eddie und Susanne Schroeder, Schauspielerin und Theatercouch die Anwältin Kate Brooks. Beide machen ihre Sache hervorragend und ich konnte mir die Charaktere gut vorstellen. Mit Kate Brooks wird ein neuer, vielversprechender Charakter eingeführt. Die junge Anwältin arbeitet erst seit kurzem bei einer renommierten Kanzlei, wird aber von ihrem Chef nicht für voll genommen. Nach sexuellen Belästigungen kündigt sie und übernimmt ganz alleine die Verteidigung der tatverdächtigen Alexandra.

Und dann ist da ja noch der sympathische Eddie Flynn, der für seinen Job lebt, auf Kosten seines Privatlebens. Vor Gericht läuft er regelmäßig zur Hochform auf und für seine Mandanten gibt er alles, zur Not auch mal nicht ganz vorschriftsmäßig. Er übernimmt nur Fälle, wenn er von der Unschuld seines Mandanten überzeugt ist, auch wenn er in der Vergangenheit einen Mandanten mal komplett falsch eingeschätzt hatte. Mit katastrophalen Folgen.

Auch Fifty-Fifty ist wieder durch ständige Perspektivwechsel raffiniert und packend konstruiert. Cavanaghs Schreibstil ist kurzweilig, flüssig und an den richtigen Stellen temporeich oder auch emotional. Nach und nach kommen Hintergründe zutage, bevor der irische Autor wieder die Spannungsschraube anzieht.

 

Foto & Rezensionen von Andy Ruhr.

Thirteen | Das Hörbuch erschien am 24. Dezember 2021 bei Der Hörverlag
ISBN: B09J1CZLX1
Vollständige Lesung | Sprecher: Thomas M. Meinhardt + Götz Otto
Laufzeit: 13 Stunden 35 Minuten | bei Audible | als Download (Hörprobe): 25,95 €
Originaltitel: Thirteen | Übersetzung aus dem Englischen von Jörn Ingwersen
Die aktuelle Printausgabe erschien bei Goldmann

Wertung: 4,0 von 5

Fifty-Fifty | Das Hörbuch erschien am 28. November 2022 bei Der Hörverlag
ISBN: B0BLTCBG34
Vollständige Lesung | Sprecher: Thomas M. Meinhardt + Susanne Schroeder
Laufzeit: 13 Stunden 39 Minuten | bei Audible | als Download (Hörprobe): 25,95 €
Originaltitel: Fifty-Fifty | Übersetzung aus dem Englischen von Jörn Ingwersen
Die aktuelle Printausgabe erschien bei Goldmann

Wertung: 3,5 von 5

Abgehakt | Kurzrezensionen März 2023

Abgehakt | Kurzrezensionen März 2023

Kurzrezensionen März 2023

 

Friedrich Ani | Bullauge

Kay Oleander ist Polizist bei der Schutzpolizei in München. Bei einer Demonstration von „besorgten Bürgern“ eskaliert die Lage leicht, er wird von einer Glasflasche am Kopf getroffen, in der Folge verliert er ein Auge. Immer noch krank geschrieben, traumatisiert, allein stehend, verschafft er sich Zugang zu den Ermittlungsakten. Ein Täter wurde bislang nicht ermittelt, allerdings einige Zeugen vernommen, die sich verdächtig verhalten haben. Eine davon ist Silvia Glaser, auf die Oleander vor ihrem Haus trifft. Beide kommen ins Gespräch. Glaser offenbart ihm, dass sie in den Dunstkreis einer extremen Partei geraten ist, und bittet ihn, ihr dort herauszuhelfen.

Friedrich Ani ist der Mann der leisen Zwischentöne, der psychologischen Profile. Das zelebriert er hier auch ausgiebig. Sowohl Oleander als auch Glaser verbindet einiges, beide sind nach einem Unfall versehrt, noch etwas traumatisiert, ähnlich einsam und vom Leben enttäuscht. Das ist ohne Frage gut geschrieben, erschien mir von der Figurenkonstellation zu konstruiert und war mir auch irgendwie deutlich zu langatmig und spannungsarm. Doch im letzten Drittel bringt Ani dann einen Drive in die Story und am Ende noch einen bösen Twist, der den Leser nicht kalt lässt. Das hat mich dann doch überzeugt. Insofern ein Roman, bei dem man trotz der wenigen Seiten ein wenig dranbleiben muss, das Ende entschädigt dann aber für vieles.

 

Bullauge | Erschienen am 28.10.2022 im Suhrkamp Verlag
ISBN 978-3-7857-2811-6
366 Seiten | 16,99 €
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Wertung: 3,5 von 5
Genre: Krimi

 

Kim Young-ha | Aufzeichnungen eines Serienmörders

Byongsu Kim ist pensionierter Tierarzt, verbringt seine Zeit inzwischen mit Literatur, schreibt selbst gerne Gedichte. Der Siebzigjährige hat allerdings auch eine Vergangenheit als Serienmörder. Bis zum Alter von 45 Jahren hat er gemordet und wurde nie gefasst. Seit einem schweren Verkehrsunfall hat er dies beendet und die kleine Tochter seines letzten Opfers adoptiert und großgezogen. Zuletzt wurde bei ihm Demenz diagnostiziert, die stetig voranschreitet. Bei einer zufälligen Begegnung trifft Kim auf einen Mann, in dem er ebenfalls einen Serienmörder erkennt. Kurz danach kommt seine Tochter ausgerechnet mit diesem Mann als Verlobtem nach Hause. Kim versucht nun fieberhaft bei fortschreitender Demenz seine Tochter zu beschützen und wenn er bei diesem Mann nochmal selbst zum Mörder werden muss.

„Aufzeichnungen eines Serienmörders“ war in Korea ein Bestseller, auch die Verfilmung war erfolgreich und auch in der deutschen Übersetzung für den auf ostasiatische, insbesondere japanische Literatur spezialisierten Cass Verlag ein großer Erfolg. Der Titel ist dabei wörtlich zu nehmen. Byongsu Kim erzählt aus der Ich-Perspektive in kurzen, knappen Absätzen, in denen sich aktuelle Ereignisse, Erinnerungen aus naher oder ferner Vergangenheit und philosophische und lyrische Einschübe abwechseln. Dabei bringt der Erzähler auch immer blitzlichthaft wieder Einsichten in die koreanische Gesellschaft, vor allem der Vergangenheit. Der Reiz des Romans liegt zum großen Teil in der Person des Byongsu Kim, dem man zunehmend mitleidvoll beim „Verschwinden“ zusieht. Das Thema Demenz ausgerechnet bei einem ein Serienmörder ohne Reue durchzuspielen, ist eine ungemein pfiffige Idee, sehr virtuos umgesetzt. Aber Vorsicht an die Leser: Ob ein dementer Siebzigjähriger ein so zuverlässiger Erzähler ist? Mit weniger als 200 Seiten ein ziemlich schmaler, aber dafür aber umso feiner und nachhallender Roman.

 

Aufzeichnungen eines Serienmörders | Erschienen am 27.09.2020 im Cass Verlag
ISBN 978-3-944751-22-1
152 Seiten | 20,- €
Die gelesene Ausgabe erschien 2022 bei der Büchergilde Gutenberg
Originaltitel: Sakinja-ui gieok-beob | Übersetzung aus dem Koreanischen von Inwon Park
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Wertung: 4,5 von 5,0
Genre: Spannungsroman

 

 

Peter Papathanasiou | Steinigung

Cobb ist eine vergessene, heruntergekommene Kleinstadt im heißen Outback Australiens. Landflucht, Alkohol, Drogen, Armut nagen am Gemeinwohl, die Installierung eines Internierungslagers für Asylsuchende hat zudem auch nicht wirklich neue Jobs gebracht, stattdessen zusätzliche Probleme. Da wird Cobb von einer brutalen Gewalttat erschüttert. Molly Abbott, beliebte Grundschullehrerin, wird brutal gesteinigt aufgefunden. Aus der Großstadt kommt der Detective George Manolis, um die Dorfpolizisten zu unterstützen. Manolis ist selbst in Cobb aufgewachsen, ehe seine Familie überstürzt den Ort verlassen hat. Manolis sieht sich einer widerwilligen, feindseligen Atmosphäre ausgesetzt. Für viele Bewohner steht fest: Der Mörder kommt aus dem Internierungslager, dem „Braunenhaus“, in dem die Tote Englischunterricht gegeben hat – was vielen allerdings nicht gefallen hat.

Der Debütroman des australischen Autors Peter Papathanasiou führt den Leser tief in die gesellschaftlichen Probleme Australiens. Sehr spannend konstruiert er ein Setting, in dem Nachfolger der Ureinwohner (Constable Sparrow), der ersten Siedler (man erinnert sich: Das waren vor allem Strafgefangene), der Einwanderer im 20.Jahrhundert (Detective Manolis) und die Flüchtlinge von heute aufeinander treffen. Dabei kreiert der Autor eine Reihe interessanter Figuren.

Manolis muss gegen eine Reihe von Widerständen ankämpfen, ihm begegnet Hass, Aggression, verhüllter und offener Rassismus. Am Erschütterndsten erscheint aber der bürokratisch-unterdrückende Umgang des Staates mit den Asylsuchenden, denen keine echte Perspektive geboten wird und die im Lager von Wachpersonal umgeben sind, die allzu gerne ihre Macht missbrauchen. Insgesamt ein lohnendes Debüt mit stark gesellschaftskritischem Unterton aus Australien.

 

Steinigung | Erschienen am 15.03.2023 im Polar Verlag
ISBN 978-3-492-06345-6
304 Seiten | 17,- €
Als E-Book: ISBN 978-3-498392-70-3 | 12,99 €
Originaltitel: The Stoning | Übersetzung aus dem Englischen von Sven Koch
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Wertung: 3,5 von 5
Genre: Gesellschaftskritischer Krimi

Rezensionen 1-3 und Fotos von Gunnar Wolters.

 

Kathleen Kent | Der Weg ins Feuer

„Der Weg ins Feuer“ ist der zweite Thriller um die junge Polizistin Betty Rhyzyk vom Dallas Police Department und schließt einige Monate nach den traumatischen Erlebnissen aus dem ersten Band an. Betty, die immer noch unter den körperlichen wie psychischen Verletzungen leidet, darf endlich wieder ihren Dienst im Drogendezernat aufnehmen, wird von ihrem neuen Chef, dem ehemaligen Mordermittler Marshall Maclin erst mal in den Innendienst gesetzt. Auf die Straße darf sie erst wieder, wenn sie einige Therapiestunden beim Polizeipsychiater abgesessen hat. Doch Betty will sich keine Schwäche eingestehen, dabei hat sie auch den Freitod ihres Bruders noch nicht wirklich verarbeitet. Mit ihrer schroffen Art, die man schon aus dem ersten Band kennt, stößt sie auch ihrer geliebten Frau Jackie immer wieder vor den Kopf.

Im Fokus des ganzen Buches steht Betty und die Kriminalgeschichte gerät fast in den Hintergrund. In Dallas rivalisieren Drogenkartelle mitaneinander und Dealer werden auf offener Straße erschossen. Als ein Informant und Junkie ermordet wird und Gerüchte auftauchen, ein Cop wäre involviert, beginnt Betty auf eigene Faust zu ermitteln. Als Leser*in sind wir immer dicht bei ihr, wenn sie sich in die einschlägigen Clubs der Szene oder auch in den Untergrund und damit erneut in große Gefahr begibt. Ihre Kollegen werden von ihr genau beobachtet und es ist ausgerechnet ihr Freund und Kollege Seth, der scheinbar etwas zu verbergen hat. Wenn Betty wiederholt Maclins Anordnungen missachtet und Verdachtsmomente vorenthält, Sitzungen beim Psychologen absagt oder einen Tatort betritt, ohne Verstärkung anzufordern, ist das teilweise schwer zu ertragen. Dabei zeigt sie auch oft ihr weiches Herz, mischt sich in Fällen häuslicher Gewalt ein und nimmt Obdachlose auf.

Man kann diesen zweiten Teil ohne Vorkenntnisse des ersten Teils lesen, ich würde aber dazu raten, sie in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Trotz einiger Thriller-Klischees, die bedient werden, ist der Autorin ein spannender und temporeicher Thriller um eine außergewöhnliche Ermittlerin gelungen, der einen Blick in die Abgründe der Drogenkriminalität bietet. „Der Weg ins Feuer“ wird von den starken Charakterisierungen seiner Figuren getragen und zieht seine Intensität aus dem Drama in Bettys Leben, die zum Vorgänger eine glaubhafte Entwicklung durchmacht.

 

Rezension und Foto von Andy Ruhr.

Der Weg ins Feuer | Erschienen am 13.02.2023 im Suhrkamp Verlag
ISBN 978-3-518-47296-5
359 Seiten | 16,95 €
Originaltitel: The Burn | Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Andrea O’Brien
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Wertung: 4 von 5
Genre: Thriller

 

 

Gu Byeong-Mo | Frau mit Messer

Gu Byeong-Mo | Frau mit Messer

Das Thema des dienstmüden, ausgebrannten Profikillers, der noch einen allerletzten Auftrag erledigen muss, ist nicht grade neu und wurde schon häufig in Kriminalromanen- und Filmen verarbeitet. Doch Gu Beyong-Mo kann dieser Ausgangslage noch eine ganz neue und frische Facette abgewinnen. Ihre Heldin mit dem Decknamen Hornclaw ist eine Frau und mit ihren 65 Jahren kurz vor dem Rentenalter.

Altwerden ist nichts für Feiglinge

Seit 40 Jahren tötet Hornclaw professionell im Auftrag einer Firma für „Schädlingsbekämpfung“. Die Kunden kommen aus Wirtschaft oder Politik und die mächtige Agentur ist für die Verwaltung und Vorbereitung der Auftragsmorde zuständig. In der Regel wissen die Killer nichts über die Hintergründe. Hornclaw fühlt sich für den Job noch fit genug, aber natürlich ist sie nicht mehr so gelenkig und schnell wie in jungen Jahren. Mit zunehmendem Alter spürt sie den Abbau der Kräfte und auch das Gedächtnis lässt sie ab und an mal im Stich. Vor allem entdeckt sie selbst Empathie und Mitgefühl an sich und ihr Blick auf die Menschen wird weicher.

So lernen wir sie auch gleich zu Beginn kennen. Als in der U-Bahn eine schwangere Frau von einem älteren Mann belästigt wird und dieser beim Aussteigen tot zusammenbricht, hat niemand die unscheinbare, ältere Dame in Verdacht. Mit ihrem Filzhut über dem grauen Haar fliegt sie unter dem Radar, auch weil sie sich so normal verhält, wie die Gesellschaft es von ihr erwartet.

Aber im Grunde ist es egal, wie man als älterer Mensch ist, die Leute wollen nicht über einen nachdenken. (Auszug Seite 6)

Sie hat keine Freunde oder auch nur Bekannte und lebt sehr zurückgezogen in einer kleinen Wohnung. Gesellschaft leistet ihr nur ihre alte Hündin Deadweight. Da sie nie weiß, ob sie den Job lebend übersteht, hat sie dem treuen Tier eine Tür eingebaut, damit es nicht verhungern muss, falls sie nicht mehr zurückkehrt. Ihr unauffälliges Aussehen nutzt sie, um nahe an ihre Opfer heranzukommen, um dann am liebsten mit ihrem scharfen Messer, an deren Spitze sich eine Zyankali-Verbindung befindet, für einen schnellen Tod ihrer Opfer zu sorgen.

Altersgrenze für Killer*innen

Vor einem Monat wurde sie bei ihrem letzten Mord durch eine minimale Nachlässigkeit schwer verletzt. Es gelingt ihr noch, die Zielperson zu erledigen und sich in jene Klinik zu schleppen, in der sie üblicherweise vom Arzt der Agentur, Dr. Choi untersucht wird. Doch dieser ist in der Nacht nicht da und so kümmert sich der diensthabende Arzt Dr. Kang um die bewusstlose Hornclaw. Dabei entdeckt er zwangsläufig ihre Messer, verspricht aber die Polizei nicht zu informieren. Eigentlich müsste Hornclaw ihn als Zeugen liquidieren, aber seit langer Zeit findet sie einen Menschen sympathisch. Auch mit der Familie des Arztes, die in der Nähe einen winzigen Marktstand haben, freundet sie sich an.
Das macht sie verletzlich und sie bringt sich dadurch in Gefahr. Denn in der Agentur fühlt sie sich nur noch geduldet und nach 40 erfolgreichen Jahren scheint man nur auf einen Fehler von ihr zu warten. Wie einem Auslaufmodell, dem man nur noch einfache Jobs gibt, um ihr subtil deutlich zu machen, dass es Zeit wird, aus dem Geschäft auszusteigen. Doch wird man sie einfach gehen lassen? Mit ihrem enormen Firmenwissen stellte sie ein Risiko da, dass beseitigt werden müsste. Probleme bereitet ihr auch ein junger Kollege, Bullfight, der sie ständig provoziert und herablassend Oma nennt. Hornclaw kann sich sein enorm respektloses Benehmen nicht erklären. Der Leserin werden die Gründe für seinen Hass in Rückblenden erklärt und auch Hornclaws Werdegang zur eiskalten Killerin wird nach und nach präsentiert.

Meine Meinung

Diese Enthüllungen bringen den Leser intensiver in die Geschichte ein und erhöhen den Spannungsbogen. Trotzdem ist es kein actiongeladener Thriller, sondern eine unaufgeregte Geschichte, eine präzise Analyse der koreanischen Gesellschaft.

Dabei ist es dank der hohen literarischen Erzählweise und des feinen aber sehr schwarzen Humors nie dröge oder deprimierend. Das liegt auch daran, dass sie den Job der Auftragskiller*in wie jeden anderen schildert. Von Anfang an mochte ich den pointierten Schreibstil sowie den scharfsinnigen Blick der südkoreanischen Autorin. In Form eines Thrillers klagt sie das kapitalistische Gesellschaftssystem an, greift gesellschaftliche Übel wie Altersdiskriminierung, festgefahrene Rollenbilder und das Verdrängen kleiner traditioneller Geschäfte durch große Supermarktketten auf. Missstände, die man ja auch in der westlichen Welt findet. Ihre Heldin ist ein Charakter, den die Gesellschaft für schwach hält, belastend und unwichtig. Byeong-mo Gus Blick auf ihre Figuren ist distanziert, aber wenn Hornclaw anfängt, über ihr Leben zu resümieren, wenn sie durch das Abnehmen ihrer körperlichen Fähigkeiten Schwäche zeigen darf, sind wir ihr sehr nah.

Das arrangiert Gu Byeong-Mo, eine in Südkorea preisgekrönte Autorin auf innovative und durchaus amüsante Art und Weise, wenngleich sie zum Schluss doch Zugeständnisse an das Thriller-Genre macht. Am Ende gibt es dann doch ganz klassisch einen actiongeladenen Showdown mit großer Gewaltentwicklung und vielen Toten.

 

Foto & Rezension von Andy Ruhr.

Frau mit Messer | Erschienen am 19.10.2022 im Ullstein Verlag
ISBN  978-3-550-20150-9
288 Seiten | 22,99 €
Originaltitel: 파과 (Pagwa) | Englischer Titel: The Old Woman with the Knife | Übersetzung aus dem Englischen von Wibke Kuhn
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Michael Connelly | Glutnacht (Band 3/22)

Michael Connelly | Glutnacht (Band 3/22)

„Entweder zählt jeder, oder es zählt keiner.“ (Auszug Seite 159)

„Glutnacht“ ist der dritte Band um LAPD Detective Renée Ballard und der zweite, in dem sie mit Harry Bosch zusammenarbeitet (der 22. mit Harry). Harry, seit vier Jahren im Ruhestand und mit gesundheitlichen Problemen belastet, muss seinen ehemaligen Kollegen beim LAPD John Jack Thompson zu Grabe tragen. Thompson war eine Legende, hatte in mehr als vierzig Jahren beim LAPD viele Übeltäter aus dem Verkehr gezogen und galt für Generationen von Detectives als großes Vorbild. Bei der Beerdigung übergibt seine Witwe Harry eine Akte, die ihr verstorbener Mann entwendet und jahrelang unter Verschluss gehalten hatte.

Das Mordbuch
Dieses Mordbuch enthält die gesammelten Ermittlungsdokumente eines ungeklärten Mordes an einem jungen Mann. John Hilton war vor fast drei Jahrzehnten in einer Durchfahrt, die für Drogengeschäfte genutzt wird, erschossen worden, in einer Zeit, in der die Mordrate in der Geschichte von Los Angeles am höchsten war. Bosch lässt das keine Ruhe, Thompson war sein Mentor gewesen und sein Moralkodex, dass jedes Opfer zählt, oder kein Opfer zählt, hatte er von ihm. Harry fragt sich, ob Thompson etwas verbergen oder den Fall im Ruhestand bearbeiten wollte?

Bosch darf offiziell natürlich nicht mehr ermitteln und hier kommt Renée Ballard ins Spiel. Aufgrund ihrer Beschwerde der sexuellen Belästigung gegen ihren Vorgesetzen war sie in die ungeliebte Nachtschicht der Hollywood Division verbannt worden. Mittlerweile hat sie sich damit arrangiert. Allein mit der Tatsache, dass sie immer als erste am Tatort ist, um das Verbrechen aufzunehmen, aber am anderen Morgen an die Kollegen abgeben muss, hadert die ehrgeizige Polizistin. Besonders der Fall des Obdachlosen, der tragischerweise in seinem Zelt verbrannte, und den sie an das Fire Department abgeben muss, geht ihr nicht mehr aus dem Sinn. Auch wenn die Ermittlungen nicht mehr in ihren Zuständigkeitsbereich fallen.

Nachts, wenn die Neonreklamen und der Glitter erloschen, war Hollywood ein anderer Ort. … Dann wurde es ein Ort für Raubtiere und ihre Beute und nichts dazwischen, ein Ort, wo die Besitzenden hinter ihren verriegelten Türen in Sicherheit waren und die Habenichtse frei herumstreifen. (Auszug Seite 18)

Während Bosch und Ballard in dem ungelösten Cold Case ermitteln und überraschenderweise ziemlich schnell Hinweise auf den vermeintlichen Mörder finden, kommt noch ein dritter Fall hinzu, in dem der Lincoln Lawyer auftaucht, eine weitere Figur aus dem Connelly-Universum. Anwalt Mickey Haller verteidigt einen Mann, der des Mordes an einem sehr angesehenen Supreme-Court-Richter angeklagt ist. Er bittet Bosch, seinen Halbbruder um Hilfe, denn trotz des Geständnisses seines Mandanten und stichhaltiger Beweise ist er von dessen Unschuld überzeugt. Bosch willigt ein und versucht einen Zeugen zu finden und in den Zeugenstand zu bringen. Dafür soll Haller ihn bei einer Klage gegen die Stadt Los Angeles vertreten, da er die kürzlich bei einer Routineuntersuchung erhaltene Diagnose einer chronischen Erkrankung berufsbedingt einstuft.

Das Dreamteam
Connelly hat mit der Figur des Harry Bosch, einem bissigen Polizisten, der sich nur der Fairness und Gerechtigkeit verpflichtet fühlt, eine Ikone geschaffen. Und nach unzähligen Romanen und sieben Staffeln der Fernsehserie Bosch fand ich die neue Figur der Renée Ballard richtig erfrischend. Als sie im zweiten Band auf Harry traf, habe ich gejubelt, obwohl sie auch da schon etwas in den Hintergrund tritt. Und jetzt in „Glutnacht“ wird sie fast von Bosch und seiner Strahlkraft überrollt. Ich hätte gerne mehr über die gebürtig aus Hawaii stammende, unkonventionelle Polizistin erfahren. Ich glaube, sie hat auch das Potential dazu. Sie lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen und wenn sie auf ihren ehemaligen, verhassten Chef Olivas trifft, sprühen die Funken.

Die beiden Einzelgänger ergeben zusammen ein perfektes Ermittlerduo, sind gleichberechtige Partner, die sich ergänzen, Ballard mit ihrem aktiven Job beim LAPD und Bosch mit seiner langjährigen Erfahrung. Zusammen ermitteln sie in drei verschiedenen Fällen bis zu der nachvollziehbaren Auflösung.

Das Fazit
Wie bei fast allen Romanen aus dem Connelly-Kosmos führt der Spezialist für Polizeikrimis mehrere Handlungsstränge in gewohnter Qualität zu einem feinen Plot zusammen. Die realitätsnahe Schilderung der Polizeiarbeit sowie die detaillierten Beschreibungen der Gerichtsverfahren sind genauso glaubwürdig wie unterhaltsam. Trotz einiger Gefahrenszenen für die beiden Protagonisten und gelegentlichen Actionszenen schleicht sich die Spannung eher langsam an. Die Aufklärung der Fälle steht bei Connelly immer im Vordergrund.

Im Original gibt es bereits zwei weitere Bände mit Bosch und Ballard. Im Nachlass von John Jack Thompson gibt es noch einen weiteren Fall, und den wollen sich die beiden Einzelkämpfer als nächstes vornehmen. Und ich werde auch wieder zu dem wunderschön vom Kampa-Verlag designten Cover greifen und Bosch und Ballard durch die Straßen von Los Angeles begleiten.

Fun Fact: Amazon will das Bosch-Universum um zwei weitere Serien um die Detective Jerry Edgar und Renée Ballard erweitern und arbeitet an der Entwicklung.
Weiterer Fun Fact: Es gab kürzlich für eine Charityaktion ein T-Shirt käuflich zu erwerben mit der Aufschrift: Everybody counts or nobody counts (wir waren nah dran, eins zu bestellen ;)).

 

 

Foto & Rezension von Andy Ruhr.

Glutnacht | Erschienen am 28.07.2022 im Kampa Verlag
ISBN 978-3-311-12561-7
464 Seiten | 21,90 €
Originaltitel: The Night Fire | Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Sepp Leeb
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Weitere Rezensionen zu Michael Connellys Romanen auf dem Blog

Vor 10 Jahren: Krimibestenliste Februar 2013 & Reginald Hill | Rache verjährt nicht

Vor 10 Jahren: Krimibestenliste Februar 2013 & Reginald Hill | Rache verjährt nicht

Eine neue Rubrik möchten wir dieses Jahr auf dem Blog einführen. Unter dem Motto „Asservatenkammer“ holen wir in unregelmäßigen Abständen bestimmte Momente in Bereich „Crime fiction“ hervor, öffnen die Box und schauen mal was drin. Zum Anfang schaue ich auf eine Institution in der deutschen Krimilandschaft. Seit nunmehr fast zwanzig Jahren stellt eine Riege von Krimikriteriker:innen unter der Leitung von Tobias Gohlis ihre monatliche Bestenliste zusammen. Die Liste weicht dabei wohltuend von den Bestsellerlisten ab und stellt – abweichende Meinungen zu einzelnen Titeln eingeschlossen – sicherlich für den anspruchsvollen Krimileser eine Referenz dar. Nun werfen wir aber mal einen Blick zurück auf eine konkrete Liste, nämlich auf die Februarliste vor genau zehn Jahren.

KrimiZeitBestenliste Februar 2013:

Platz 1 | Reginald Hill | Rache verjährt nicht
Platz 2 | Friedrich Ani | Süden und das heimliche Leben
Platz 3 | Mike Nicol | Killer Country
Platz 4 | Åsa Larsson | Denn die Gier wird euch verderben
Platz 5 | Nick Stone | Todesritual
Platz 6 | Roger Smith | Stiller Tod
Platz 7 | Merle Kröger | Grenzfall
Platz 8 | Håkan Nesser | Am Abend des Mordes
Platz 9 | Rick DeMarinis | Götterdämmerung in El Paso
Platz 10 | Nicci French | Eisiger Dienstag

Ich musste feststellen, dass ich von dieser Liste lediglich Platz 7 gelesen habe. „Grenzfall“ von Merle Kröger ist aber auch heute noch unbedingt eine Empfehlung wert, ist dieser Kriminalroman (und Road Movie) um Flüchtlinge und speziell Roma immer noch aktuell und politisch relevant.

Ansonsten eine interessante Liste mit einigen Autoren, die auch in letzter Zeit noch auf der Krimibestenliste standen. Åsa Larssons Rebecka-Martinsson-Reihe reicht bis heute, genauso Inspektor Gunnar Barbarotti von Håkan Nesser. Friedrich Ani ist nach wie vor eine Referenz im deutschen Krimi, auch wenn man von Tabor Süden schon ein paar Jahre nichts mehr gelesen hat. Neben Schweden bildet auch der Schauplatz Südafrika mit Mike Nicol und Roger Smith einen kleinen Schwerpunkt. Während letzterer zuletzt unter seinem Pseudonym James Rayburn veröffentlichte, hat man von Nick Stone nach diesem letzten Band der Voodoo-Trilogie um Max Mingus nicht mehr allzuviel gehört. Das Autoren-Duo Nicci Gerrard und Sean French sind nach wie vor produktiv. „Eisiger Dienstag“ war der zweite Band der erfolgreichen achtbändigen Reihe um die Psychotherapeutin Frieda Klein.

Zwei Autoren sind inzwischen verstorben. Im Juni 2019 verstarb Rick DeMarinis. Bereits vor dieser Liste war zudem Reginald Hill im Januar 2012 verstorben. Bekannt vor allem durch seine Reihe um den griesgrämigen Detective Superintendant Dalziel war „Rache verjährt nicht“ ein Stand Alone. Hill war für mich bislang ein weißer Fleck in meiner Leseliste, sodass ich aus diesem Anlass mir die Nr.1 der Februarliste aus 2013 auch vorgenommen habe.

 

Reginald Hill | Rache verjährt nicht

Wilfried, genannt Wolf, Hadda hat es geschafft. Der Mann aus einfachen Verhältnissen, Sohn eines Forstverwalters im nordenglischen Cumbria, hat die attraktive Tochter des lokalen Lords geheiratet, ist Vater einer inzwschen Teenagertochter, hat eine äußerst erfolgreiche Investmentfirma aufgebaut und ist sogar zum „Sir“ geadelt worden. Doch eines frühen Morgens steht die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür. Zu Haddas großem Entsetzen sind sie nicht nur auf der Spur nach nicht ganz sauberen Finanztransaktionen, sondern findet umfangreiches kinderpornografisches Material, scheinbar mit Hadda als Akteur. Dieser ist außer sich, beteuert seine Unschuld, flieht vor einem Haftprüfungstermin aus dem Gericht – und wird vor der Tür vom einem Bus angefahren. Er erwacht neun Monate später als Krüppel und im Gesicht entstellt wieder auf. Die Würfel sind inzwischen längst gefallen. Er wird zu einer langen Haftstrafe verurteilt, wenig später lässt sich seine Frau vor ihm scheiden und heiratet seinen Anwalt.

Im Gefängnis isoliert er sich zunehmend, doch irgendwann akzeptiert Hadda die Besuche der jungen Psychologin Dr. Alva Ozigbo. Hadda besteht weiterhin auf seine Unschuld, versucht darzulegen, dass er das Opfer eines Komplotts wurde. Doch Dr. Ozigbo glaubt, dass er sich nicht mit seinen Taten auseinandersetzen will. Hadda ist aber vollkommen klar: Eine positive Einschätzung der Psychologin ist essentiell für eine vorzeitige Haftentlassung.

Alva machte eine Notiz, dem nachzugehen, und nahm dann den Rest der Zelle in Augenschein. Nur ihre Leere sagte etwas über die Persönlichkeit ihres Bewohners aus. Er war, als hätte Hadda beschlossen, keine Spur seines Daseins zu hinterlassen. Sie entdeckte allerdings ein einziges Buch, eine zerlesene Taschenbuchausgabe von Der Graf von Monte Christo. Als Proctor sah, dass sie das Buch musterte, sagte er sarkastisch: „Keine Sorge, Miss. Wir suchen regelmäßig alles nach Tunneln ab.“ (Auszug S.102)

Ohne zu viel zu spoilern, kann ich verraten, Hadda kommt irgendwann frei und natürlich will er wissen, wer ihn ins Gefängnis gebracht und sein Leben zerstört hat. Der Graf von Monte Christo lässt grüßen. Überhaupt lässt Reginald Hill immer wieder Verweise auf Dumas, Dickens und andere Literaturgrößen aufblitzen. Die Geschichte ist also ganz klassisch verwurzelt mit den großen Themen Freundschaft, Liebe, Verrat, Schuld, Rache sowie als Mantra immer wieder die „grimmige Notwendigkeit“ unliebsame Dinge unsentimental zu erledigen.

Der Autor erweist sich als sehr versierter Erzähler, beginnend im Prolog mit drei kurzen Episoden, die einige Hintergründe einzelner Figuren beleuchten, ohne dem Leser vorweg zu viel zu verraten, und im Weiteren in verschiedenen Erzählebenen vor, während und nach Haddas Haft. Besonders reizvoll dabei das Aufeinandertreffen Haddas mit seiner Psychologin, wie überhaupt für mich die Dialoge aus dem Roman herausstechen. Hervorzuheben ist natürlich die Skizzierung der Figur Wulf Hadda, ein impulsiver, sehr intelligenter Mann, ein Wolf of the Wall Street, aber ein liebender Ehemann und Vater. Oder doch nicht? Der Leser kann sich nie ganz sicher sein. Dass ihm übel mitgespielt wurde, deutet sich an, aber Wolf scheint kein Kind von Traurigkeit zu sein. Wie weit wird seine Rache gehen, was ist ehrlich gemeint und was täuscht er nur vor?

Der Roman, im Original „The Woodcutter“, war tatsächlich der letzte zu Lebzeiten veröffentlichte Roman Reginald Hills. Seine vierzigjährige Karriere als Krimiautor war äußerst erfolgreich, vor allem mit der Serie um Andrew Dalziel und Peter Pescoe aus Yorkshire. Mit „Rache verjährt nicht“ schrieb er zuletzt nochmal einen, trotz seiner Länge sehr süffig zu lesenden und niemals langweiligen klassischen Stand Alone, der immer hin zwei Monate auf der Nummer 1 der Krimibestenliste stand.

 

Foto & Rezension von Gunnar Wolters.

Rache verjährt nicht | Erschienen am 21.01.2013 im Suhrkamp Verlag
ISBN 978-3-518-46473-1
686 Seiten | 9,99 €
Originaltitel: The Woodcutter | Übersetzung aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Bibliografische Angaben & Leseprobe