Belinda Bauer | Was tot ist
Das Leben interessiert den autistischen Medizinstudenten Patrick nicht. Ihn fasziniert der Tod. Für einen Mörder wird er damit zur größten Gefahr…
»Die Toten können nicht zu uns sprechen«, hatte Professor Madoc gesagt. Eine glatte Lüge. Denn der Leichnam, den Patrick Fort im Anatomie-Kurs vor sich auf dem Tisch liegen hat, versucht ihm eine ganze Menge mitzuteilen. Dabei ist das Leben für den autistischen Patrick schon rätselhaft genug – auch ohne einen möglichen Mordfall aufklären zu müssen. Ein Verbrechen, an das sonst niemand glaubt. Und während Patrick akribisch versucht, hinter das Geheimnis des Toten zu kommen, gerät er selbst ins Fadenkreuz und in ein Netz aus Lügen in seinem engsten Umfeld …
Die Schlagworte „Thriller“ als Orientierungshilfe und „Fadenkreuz“ und „Netz aus Lügen“ im Klappentext lassen den Leser eine schnelle, spannende, aufregende Jagd auf einen armen kleinen Autisten erwarten, der sich nicht wehren kann. Wie gemein, wie unfair. Nur, das alles wird man nicht finden, hier hat offenbar das Marketing gemeint, ohne reißerische Aufmachung heutzutage keine Bücher mehr verkaufen zu können. Das ist sehr schade, entgehen uns doch ohnehin schon einige der wunderbaren britischen Autoren, die herrlich erzählen und doch hierzulande einfach nicht Fuß fassen können. Wer allerdings Belinda Bauers Romane kennt, kann sich dennoch drauf verlassen, einen soliden Kriminalroman mit Nachhall zu bekommen.
Belinda Bauers »Was tot ist« in der äußerst gelungenen Übersetzung von Marie-Luise-Bezzenberger ist ein etwas anderer Krimi, als wir es von der üblichen Massenware gewohnt sind. Hier steht weder die geniale Arbeit eines Ermittlungsteams noch ein verkaterter und problembeladener einsamer Kriminaler inmitten des Geschehens, sondern es ist ein junger autistischer Anatomiestudent. Und genauso ungewöhnlich wie die Figuren in dieser Geschichte ist auch die Aufklärung des Verbrechens, dem Patrick Fort auf die Spur kommt.
Man ist gleich zu Beginn inmitten des Geschehens, denn Sam erzählt seine Geschichte vom Augenblick seines Unfalls bis zu seinem Ende. Danach übernimmt es Patrick – nicht Paddy und nicht Pat -, zu ergründen, was mit Sam geschehen ist. Patrick ist seit dem Unfalltod seines eigenen Vaters fixiert darauf zu erfahren, was im Moment des Todes geschieht. Wo gehen die Menschen hin, wo bleibt der Lebensfunke, der den Tod vom Leben trennt. Patricks eigene Lebensgeschichte ist nicht gerade einfach, wir lernen seine Mutter kennen, die zeitlebens unter der Last eines autistischen Sohnes gelitten hat und seine neue Freundin Lexi, Sams Tochter, die auch mit einigen Überraschungen aufwarten kann und erkennen, dass Sams Leben beileibe nicht so unkompliziert war, wie uns der Beginn der Geschichte erwarten ließ.
Ich fand dieses Buch entspannend spannend und trotz oder gerade wegen seiner eher leisen Töne und des bedächtigen Voranschreitens in Richtung Auflösung viel eindrucksvoller als so manch anderen „fast paced“ Thriller. Ich bin sicher, dass Patrick mich noch eine Weile beschäftigen wird, zumal Frau Bauer am Ende noch den einen oder anderen Coup wie beiläufig hat fallenlassen. So soll Krimi sein. Mir hätte das Buch noch besser gefallen, hätte ich mehr von Sams und Lexis Leben vor seinem Unfall erfahren.
Rezension von Dani Nimz.
Was tot ist | Erschienen am 28. Juli 2014 bei Manhattan
ISBN 978-3-442-54750-0
352 Seiten | 14,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe
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